Steuerbefreiung, Ausfuhrlieferungen, Nachweis der Steuerbefreiung, Überführung des Ausfuhrgegenstands in ein Zollverfahren

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 28.03.2019, C-275/18, Milan Vinš

Praxisproblem

Bei dem tschechischen Verfahren ging es um die Steuerbefreiung bei der Ausfuhr von Gegenständen nach Art. 131 und 146 MwStSystRL. Fraglich war, ob die Steuerbefreiung von Ausfuhrlieferungen grds. immer dadurch nachzuweisen ist, dass für den Ausfuhrgegenstand ein entsprechendes Ausfuhrzollverfahren eröffnet wird.

Sachverhalt

Nach § 66 CZ-MwStG ist es zur Inanspruchnahme einer Steuerbefreiung von Ausfuhrlieferungen erforderlich, dass die Gegenstände in das Zollverfahren der Ausfuhr durch die zuständige Zollstelle überführt werden . Die Ausfuhr des Steuergegenstandes auf dem Postwege muss in CZ durch die CZ-Post bestätigt werden. Diese bestätigt die Ausfuhr auf elektronischem Weg in Zusammenarbeit mit der Zollverwaltung und versieht jede zollrechtlich abgefertigte Postsendung mit der Versand-Bezugsnummer (sogenannte MRN – master reference number). Nur dann kann in CZ die Steuerbefreiung in Anspruch genommen werden. Der Kläger konnte die MRN-Nummer nicht vorweisen, legte aber andere Beweismittel vor, die die Ausfuhr ins Drittland (unstreitig) bestätigten. Die Voraussetzung, dass die Gegenstände in Tschechien in das Zollverfahren der Ausfuhr durch die zuständige Zollstelle überführt werden müssen, dient der Verhinderung der Steuerhinterziehung und –umgehung.

Das vorlegende Gericht wollte wissen, ob der Anspruch auf Steuerbefreiung bei der Ausfuhr von Gegenständen (Art. 146 der MwStSystRL) davon abhängig gemacht werden kann, dass die Gegenstände zuerst in ein bestimmtes Zollverfahren übergeführt werden. Es wollte außerdem wissen, ob eine solche nationale Regelung als Bedingung zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch nach Art. 131 der Richtlinie hinreichend gerechtfertigt ist.

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass die Steuerbefreiung nicht davon abhängig gemacht werden kann, dass die Gegenstände in das zollrechtliche Ausfuhrverfahren übergeführt werden. Er hat unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung klargestellt, dass die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen anwendbar ist, wenn das Recht, wie ein Eigentümer über diesen Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übertragen worden ist, der Lieferant nachweist, dass der Gegenstand an einen Ort außerhalb der Union versandt oder befördert worden ist und der Gegenstand aufgrund dieses Versands oder dieser Beförderung das Hoheitsgebiet der Union physisch verlassen hat. Art. 146 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL sieht nicht die Voraussetzung vor, wonach der zur Ausfuhr bestimmte Gegenstand in das Zollverfahren der Ausfuhr zu überführen ist, damit die Steuerbefreiung der Ausfuhrlieferung anwendbar ist. Die tschechische Regelung verstößt gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und kann auch nicht mit dem Ermessenspielraum, den Art. 131 MwStSystRL bietet, gerechtfertigt werden. Die Nichtbeachtung der formellen Anforderung der Überführung von zur Ausfuhr bestimmten Gegenständen in das Zollverfahren der Ausfuhr kann nicht dazu führen, dass der Ausführer seinen Anspruch auf Steuerbefreiung bei der Ausfuhr verliert, sofern das tatsächliche Verbringen des Liefergegenstands in das Drittlandsgebiet nachgewiesen worden ist.

Praxishinweis

Das deutsche Recht steht mit dem Urteil im Einklang. Der Ausfuhrnachweis nach §§ 8 ff. UStDV und der Buchnachweis nach §§ 13, 17 UStDV sind formelle Voraussetzungen und Grundlage für die sachliche Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Daten und Angaben und damit für die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit des § 6 UStG. Sie bestimmen, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat. Die Steuerfreiheit einer Ausfuhrlieferung kann nicht allein unter Hinweis auf das Fehlen von anderen als den in § 6 Abs. 4 UStG i. V. m. §§ 8 ff. UStDV aufgeführten Nachweisen versagt werden. Kommt der Unternehmer den Nachweispflichten nicht nach, ist grds. davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nicht erfüllt sind. Da die Nachweispflichten keinen materiell-rechtlichen Charakter haben, sind Ausfuhrlieferungen trotz Nichterfüllung der Nachweispflichten steuerfrei, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen der Ausfuhrlieferungen vorliegen. Insbesondere sieht das deutsche Recht in der Durchführung des Ausfuhrzollverfahrens keine Bedingung für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung der Ausfuhrlieferung.

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