Vorsteuerabzug, Vorsteuerberichtigung, Sale-and-Lease-Back von Immobilien

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 27.03.2019, C-201/18, Mydibel SA

Praxisproblem

Bei dem belgischen Verfahren ging es um die Frage, ob die Vorsteuerberichtigung bei einem Investitionsgut in Form einer Immobilie möglich ist, wenn diese Immobilie Gegenstand eines Sale-and-Lease-Back-Umsatzes war.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Eigentümerin mehrerer Gebäude und hatte die in Eingangsrechnungen über Bau-, Umgestaltungs- oder Renovierungsmaßnahmen ausgewiesenen Steuern vollständig als Vorsteuern abgezogen. Um ihre Liquidität zu erhöhen, hatte sie im Oktober 2009 mit einer I-Gesellschaft und einer K-Gesellschaft (Finanzinstitute) zwei „Sale-and-Lease-Back“-Umsätze getätigt. Mit I und K hatte sie einen Vertrag über die Begründung eines Erbpachtrechts an den Gebäuden zugunsten I und K für die Dauer von 99 Jahren abgeschlossen, außerdem einen Vertrag über ein Immobilienleasing bezüglich der Gebäude, mit dem I und K der Klägerin die Nutzung der Gebäude für einen unkündbaren Zeitraum von 15 Jahren gegen Zahlung einer vierteljährlichen Miete gestatteten. Die belgische Finanzbehörde lehnte den ursprünglich vorgenommenen Vorsteuerabzug für die Gebäude aufgrund der von der Klägerin getätigten Sale-and-Lease-Back-Umsätze ab.

Unter Bezugnahme auf das EuGH-Urt. v. 15.12.2015, C-63/04, Centralan, machte die Klägerin geltend, die Änderung der Steuerfestsetzung sei ein Verstoß gegen die Grundsätze der Neutralität der MwSt und der Gleichbehandlung und gegen den Grundsatz der Effektivität, da sie nicht von der Belastung durch die im Rahmen ihrer steuerpflichtigen Tätigkeit gezahlten MwSt befreit und anders behandelt werde als andere konkurrierende Steuerpflichtige. Die belgische Finanzbehörde war der Auffassung, die Begründung eines dinglichen Erbpachtrechts zugunsten zweier Finanzinstitute unter Erhebung von Registrierungsgebühren sei als eine nach Art. 44 § 3 Nr. 1 B-MwStG befreite Warenlieferung anzusehen; daraus folge, dass die Klägerin keine dinglichen Rechte mehr innehabe, die eine Nutzungsbefugnis für die Immobilien verliehen. Die genannten dinglichen Rechte stellten Investitionsgüter ihrer Eigentümer - der Finanzinstitute - dar und daher führe der Sale-Umsatz zu einer Änderung des Vorsteuerabzugs. Das rein finanzielle Ziel der Umsätze werde nicht bestritten, aber eine Berufung auf das rein finanzielle Ziel des Sale-and-Lease-Back unter Leugnung der rechtlichen Realität der beiden Umsätze (Begründung eines Erbpachtrechts und Immobilienleasing) verstoße schon gegen die Definition des Erbpachtrechts als dingliches Recht an den Immobilien, als das es insbesondere gegenüber Dritten erscheine.

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass die „Sale-and-Lease-Back“-Umsätze (Veräußerung und Rückverpachtung) zum einen durch die miteinander verbundene und gleichzeitig stattfindende Einräumung eines Erbpachtrechts durch die Klägerin an die beiden Finanzinstitute und zum anderen eines Immobilienleasings durch diese Finanzinstitute an die Klägerin sind. Somit, so der EuGH, sei zu bestimmen, ob die Einräumung des Erbpachtrechts und des Immobilienleasings als getrennt oder als miteinander verbunden zu betrachten sind. Er kommt mit Blick auf seine ständige Rechtsprechung zur Einheitlichkeit der Leistung zu dem Ergebnis, dass die „Sale-and-Lease-Back“-Umsätze (Veräußerung und Rückverpachtung) im Ausgangsfall rein finanzielle Umsätze sind, die zur Erhöhung der Liquidität der Klägerin dienen und dass die Gebäude in deren Besitz verblieben sind und von ihr ununterbrochen und dauerhaft für ihre steuerpflichtigen Ausgangsumsätze genutzt wurden. Diese Umstände legten nahe, dass jeder dieser Umsätze einen einheitlichen Umsatz darstellt, da die Begründung des Erbpachtrechts an den Gebäuden untrennbar mit dem Immobilienleasing an denselben Gebäuden verbunden sei. Daraus folge, dass jeder der „Sale-and-Lease-Back“ Umsätze (Veräußerung und Rückverpachtung) einen einheitlichen Umsatz darstellt. Unter diesen Umständen könnten diese Umsätze nicht als „Lieferungen von Gegenständen“ qualifiziert werden, weil die auf die Finanzinstitute übertragenen Rechte, nämlich die zivilrechtlichen Ansprüche aus dem Erbpachtvertrag abzüglich der Rechte aus dem Immobilienleasingvertrag, deren Inhaberin die Klägerin ist, die Finanzinstitute nicht berechtigten, wie ein Eigentümer über die Gebäude zu verfügen.

Daraus ergibt sich - so der EuGH - keine Möglichkeit einer Vorsteuerberichtigung bezüglich der Aufwendungen der Klägerin für die Immobilien. In diesem Zusammenhang führt der EuGH noch an, dass die bloße Begründung eines Erbpachtrechts an der Immobilie nicht dahin verstanden werden kann, dass sich die Faktoren, die bei der ursprünglichen Bemessung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt wurden, geändert haben. Die Begründung des Erbbaurechts führe für sich genommen nicht dazu, den engen und unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Vorsteuerabzugsrecht und der Nutzung der Immobilie für besteuerte Ausgangsumsätze zu durchbrechen.

Der „einheitliche Umsatz“ war - so der EuGH in Rz. 43 seiner Entscheidung, ohne dies näher zu erläutern - nicht umsatzsteuerbar. Der EuGH ist also bei dem „Sale-and-Lease-Back“ Geschäft vom Nichtvorliegen eines Umsatzes und noch nicht einmal, insgesamt betrachtet, von einer Kreditgewährung durch die Finanzinstitute ausgegangen.

Praxishinweis

Die Entscheidung des EUGH hat auch Bedeutung für das deutsche Recht. Nach dem BFH-Urteil v. 09.02.2006, V R 22/03, BStBl II 2006, 727, kann beim "Sale-and-Lease-Back"-Verfahren der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums an dem Leasinggut durch den Leasingnehmer an den Leasinggeber eine bloße Sicherungs- und Finanzierungsfunktion zukommen mit der Folge, dass weder diese Übertragung noch die Rückübertragung des Eigentums vom Leasinggeber an den Leasingnehmer umsatzsteuerrechtlich als Lieferung zu behandeln ist. Die Frage nach den umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen kann nach der BFH-Entscheidung auch insoweit grds. nur auf der Grundlage der konkreten vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung beantwortet werden. Die Annahme einer Lieferung setzt voraus, dass die Verfügungsmacht an dem Gegenstand bei dem Unternehmer liegt, der den Gegenstand überlässt. In den Fällen, in denen der Überlassung des Gegenstands eine zivilrechtliche Eigentumsübertragung vom späteren Nutzenden des Gegenstands an den überlassenden Unternehmer vorausgeht (z. B. beim sog. „Sale-and-Lease-Back“), ist daher zu prüfen, ob die Verfügungsmacht an dem Gegenstand sowohl im Rahmen dieser Eigentumsübertragung, als auch im Rahmen der nachfolgenden Nutzungsüberlassung jeweils tatsächlich übertragen wird und damit eine Hin- und Rücklieferung stattfindet oder ob dem der Nutzung vorangehenden Übergang des zivilrechtlichen Eigentums an dem Gegenstand vielmehr eine bloße Sicherungs- und Finanzierungsfunktion zukommt, so dass insgesamt eine Kreditgewährung vorliegt. Von einem Finanzierungsgeschäft ist insbesondere auszugehen, wenn die Vereinbarungen über die Eigentumsübertragung und über das Leasingverhältnis bzw. über die Rückvermietung in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang stehen und eine Ratenkauf- oder Mietkaufvereinbarung geschlossen wird, auf Grund derer das zivilrechtliche Eigentum mit Ablauf der Vertragslaufzeit wieder auf den Nutzenden zurückfällt oder den Überlassenden zur Rückübertragung des Eigentums verpflichtet. Daher ist z. B. bei einer als Lieferung zu qualifizierenden Nutzungsüberlassung mit vorangehender Eigentumsübertragung auf den Überlassenden (sog. „Sale-and-Mietkauf-Back“) ein Finanzierungsgeschäft anzunehmen (vgl. Abschn. 3.5 Abs. 7 UStAE).

Der EuGH hat diese Sichtweise prinzipiell bestätigt. Dennoch hebt er sich von der Beurteilung nach nationalem Recht insoweit ab, als er dem Sale-and-Lease-Back-Geschäft im Ausgangsverfahren die Steuerbarkeit abspricht. Er hat weder Ausführungen dazu gemacht, ob ggf. eine Kreditgewährung durch die Finanzinstitute vorlag, noch ob ggf. (wie im Fall des BFH-Urteils v. 06.04.2016, V R 12/15, BStBl II 2017, 188) das Geschäft als Mitwirkung des Käufers und Leasinggebers (hier die Finanzinstitute) einer bilanziellen Gestaltung des Verkäufers und Leasingnehmers (hier der Klägerin) anzusehen sein könnten. Zwar musste sich der EuGH nicht ausdrücklich dazu äußern, aber quasi in einer Randbemerkung von der Nichtsteuerbarkeit des Sale-and-Lease-Back-Geschäfts auszugehen, ist schon einigermaßen verwunderlich.

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