Neugestaltung der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft

Der V. Senat des BFH hat erstmalig nach Ergehen der EuGH Urteile "Larentia und Minerva" und "Marenave" zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft geurteilt und bestehende Grundsätze teilweise neu beurteilt.

Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft setzt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG voraus, dass ein juristische Person (Organgesellschaft) finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist.

Im Ergebnis der BFH-Urteile vom 02.12.2015 können nun auch Personengesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen Teil einer Organschaft sein – Nichtunternehmer hingegen nicht.

Der XI. Senat hatte dem EuGH diverse Fragen zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft vorgelegt. Nachdem der EuGH mit den Entscheidungen Rs. C-108/14 (Larentia und Minerva) und C-109/14 (Marenave Schiffahrts AG) vom 16.07.2015 bereits die bisherige Ausprägung der nationalen Organschaftsregelung in Frage gestellt hatte, hat nun der V. Senat in vier maßgeblichen Verfahren Eckpunkte für den weiteren Umgang mit der Regelung vorgegeben.

Die Folgeentscheidungen des XI. Senats in den Vorlageverfahren stehen noch aus.

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingebunden ist. Die Urteile des V. Senats des BFH vom 02.12.2015 zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft halten zum einen an alten Rechtsgrundsätzen fest, wie z. B. der Nichteinbeziehung von Nichtunternehmern in den Organkreis, zum anderen wird mit ihnen umsatzsteuerrechtliches Neuland betreten, wenn es um die Einbeziehung von Personengesellschaften in den Organkreis geht.

Nach Auffassung des EuGH in den o.g. Entscheidungen stehen zum einen die Beschränkung der Mehrwertsteuergruppe (im UStG: Organschaft) allein auf juristische Personen und zum anderen das Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft grundsätzlich im Widerspruch zu den Vorgaben des Art. 4 Abs. 4 UAbs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, jetzt Art. 11 Richtlinie 2006/112/EG (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie). Diese beiden Beschränkungen sind nach Ansicht des EuGH nur zulässig, wenn sie erforderlich und geeignet sind, um die der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie immanenten Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen sowie der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung zu dienen.

Personengesellschaft kann Organgesellschaft sein!

Dies vorausgeschickt, entschied der V. Senat des BFH (V R 25/13) unter Änderung der Rechtsprechung, dass in Bezug auf den personalen Anwendungsbereich der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft neben einer juristischen Person auch eine Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein kann, wenn Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Sofern also nur der Organträger und andere vom Organträger finanziell beherrschte Gesellschaften Gesellschafter der Personengesellschaft sind, ist sichergestellt, dass der Organträger auch auf Ebene der Tochterpersonengesellschaft seinen Willen durchsetzen kann, so dass das allgemeine Einstimmigkeitserfordernis bei einer Personengesellschaft der Willensdurchsetzung nicht entgegensteht.

Keine Organschaft nur zwischen Schwestergesellschaften

Nähere Ausführungen zu den Erfordernissen der finanziellen Eingliederung traf der BFH in einem weiteren Urteil vom 02.12.2015 (V R 15/14), dem eine Entscheidung des FG Münster vom 12.02.2013 (15 K 4005/11 U, AO) zugrunde lag. Da der BFH weiter verlangt, dass der Organträger über eine eigene Mehrheitsbeteiligung an der juristischen Person verfügen muss, welche sich aus einer unmittelbaren Beteiligung oder mittelbar aus einer über eine Tochtergesellschaft gehaltenen Beteiligung ergibt, erteilt er der Organschaft zwischen zwei Schwestergesellschaften eine Absage. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbiete es, „[…] auf das unbestimmte wie auch unpräzise Merkmal einer lediglich engen finanziellen Verbindung zwischen mehreren Personen abzustellen“ (BFH, Urt. v. 02.12.2015, V R 15/14, Rn. 22, zitiert nach juris). Entscheidend sei allein die eigene Mehrheitsbeteiligung im Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen einer Tochtergesellschaft und dem Organträger.

Keine Organschaft mit Nichtunternehmern

Vor dem Hintergrund der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen hob der BFH in einem weiteren Urteil vom 02.12.2015 (V R 67/14) darauf ab, dass die Organschaft auf Unternehmer beschränkt sei. Die Einbeziehung von Nichtunternehmern in den Organkreis dürfe nicht dazu führen, dass das Konstrukt der Organschaft genutzt werde, nichtabziehbare Vorsteuerbeträge in Anspruch zu nehmen. Die Organschaft, die eigentlich zu Vereinfachungszwecken begründet worden ist, dürfe mithin nicht als steuerrechtliches Gestaltungsinstrument dazu dienen, „in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen“, die ihre Berechtigung ansonsten nur zwischen unterschiedlichen Betriebsabteilungen eines einheitlichen Unternehmens hat. Der BFH stellte insoweit fest, dass nicht nur die bloße Aufspaltung als Instrument der Steuergestaltung missbräuchlich sein kann, sondern auch die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen.

Organkreis (mit mehreren Gesellschaften) ist ein Erwerber für Geschäftsveräußerung im Ganzen

Die in den Urteilen vom 02.12.2015 (V R 25/13 sowie V R 67/14) getroffenen Aussagen zur eigenen Mehrheitsbeteiligung an der juristischen Person sowie zur Einbeziehung einer Personengesellschaft in den Organkreis nahm der V. Senat des BFH in einem Urteil zur Frage einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung vom 03.12.2015 (V R 36/13) direkt auf. Da eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG voraussetzt, dass die wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebs an einen Erwerber für dessen Unternehmen übertragen werden, war zu entscheiden, ob die Voraussetzungen einer Organschaft vorlagen, da es sich insoweit umsatzsteuerrechtlich nur um einen Unternehmer gehandelt hätte, obschon mehrere Gesellschaften beteiligt waren. Mangels Einbezugs eines Nichtunternehmers in den Organkreis scheiterte die nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Verhältnis zur beteiligten GbR.

Alle Unternehmen sollten nun bereits ihren Anpassungs- und Handlungsbedarf prüfen. Auch wenn die Urteile grundsätzlich bis zur Veröffentlichung im BStBl. die Finanzverwaltung nicht binden, so kann sich für einige Unternehmen eine positive Argumentation ergeben. Andere Unternehmen hingegen sollten ggf. notwendigen Anpassungsbedarf im Auge behalten. Die Finanzverwaltung wird voraussichtlich noch die Entscheidungen des XI. Senats abwarten und sich dann erst äußern.

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