Rückabwicklung von Bauleistungen im Reverse Charge Verfahren – deutsche Finanzgerichte derzeit noch uneins bei der Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz

Mit Urteil vom 22.08.2013, V R 37/10, hatte der BFH entschieden, dass Bauträger beim Bezug von Bauleistungen nicht Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 5 UStG (sog. „Reverse-Charge-Verfahren“) sind, da sie die empfangenen Bauleistungen ihrerseits nicht selbst für die Erbringung von „Bauleistungen“ verwenden, sondern in der Regel umsatzsteuerfreie Lieferungen von bebauten Grundstücken erbringen. Diese Ausgangsumsätze schließen den Vorsteuerabzug aus, sofern die Grundstücke an Privatpersonen veräußert werden. Die Bauträger, die aufgrund des angewandten Reverse-Charge-Verfahrens nach § 13b UStG als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer an ihr Finanzamt abgeführt haben (ohne gleichzeitig zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein) können sich auf das obige BFH-Urteil berufen und vom Finanzamt die Erstattung der von ihnen gezahlten Umsatzsteuer fordern. Da die Bauträger danach nicht mehr Steuerschuldner für die empfangenen Bauleistungen sind, fordert das Finanzamt nun von den leistenden Bauunternehmen die Umsatzsteuer für die von ihnen erbrachten Bauleistungen nach.

Die betroffenen Bauunternehmen haben ihrerseits die Möglichkeit aufgrund des vom Gesetzgeber mit Wirkung vom 31.07.2014 geschaffenen § 27 Abs. 19 UStG ihre Umsatzsteuerschuld (Nachforderung des Finanzamtes) durch die Abtretung der den Bauträgern nachträglich in Rechnung gestellten Umsatzsteuer zu tilgen. Mit Annahme der Abtretung durch das Finanzamt erlischt die Umsatzsteuerschuld aus den geänderten Umsatzsteuererklärungen/-festsetzungen (§ 47 AO), so dass bei reibungslosem Ablauf die nachträglich in Rechnung gestellte Umsatzsteuer weder an den Bauunternehmer noch von diesem an das Finanzamt tatsächlich gezahlt werden braucht.

Allerdings ist den Bauunternehmen nicht immer einer Nachbelastung der Umsatzsteuer an den Bauträger möglich (z.B. Insolvenz des Bauträgers, etc.). Einige Bauunternehmen, die von dieser Abtretungslösung keinen Gebrauch machen können oder dies nicht möchten, haben gegen die nachträgliche Festsetzung von Umsatzsteuer Einspruch eingelegt und die Aussetzung der Vollziehung mit der Begründung beantragt, dass der neu geschaffene § 27 Abs. 19 UStG verfassungswidrig sei, da er – kurzgefasst – eine Rückwirkung entfalte und gleichzeitig den Vertrauensschutz auf die ehemalige Verwaltungsanweisung ausschließt.

Die Finanzgerichte, die im Anschluss über die Frage der Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz in Form der Aussetzung der Vollziehung zu entscheiden hatten, sind sich derzeit in ihrer Beurteilung noch uneins. So haben das FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 03.06.2015, sowie das FG Münster, Beschluss v. 12.08.2015, unter Vertrauensschutzgesichtspunkten vorläufigen Rechtsschutz gewährt, wohingegen das FG Düsseldorf, Urteil v. 31.08.2015, das FG Köln, Urteil v. 01.09.2015, und das Hessische FG, Beschluss v. 15.10.2015, in vergleichbaren Fällen die Anträge der Bauunternehmen auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Zusammenhang mit der Nachbelastung von Umsatzsteuer im Reverse-Charge-Verfahren abgelehnt haben.

Weitergehende Klarheit in dieser Sache werden aufgrund der besonderen Rechtssituation nur der BFH, das BVerfG oder der EuGH schaffen können. Die weitere Entwicklung in dieser für viele betroffene Bauunternehmer „lästigen“ Angelegenheit bleibt somit mit Spannung abzuwarten.

Quelle: FG Münster, Beschl. v. 12.08.2015 15 V 2153/15 U