BFH zur Gültigkeit der Kopie einer Rechnungskopie im USt-Vergütungsverfahren

Anmerkung zu BFH, Urt. v. 17.05.2017, V R 54/16

Praxisproblem

Ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer, dem im Inland von einem Unternehmer für einen steuerpflichtigen Umsatz USt in Rechnung gestellt worden ist, kann über die zuständige Stelle in dem Mitgliedstaat, in dem der Unternehmer ansässig ist, bei der zuständigen Behörde im Inland einen Antrag auf Vergütung dieser Steuer stellen. Für die Vergütung der Vorsteuerbeträge im Vorsteuer-Vergütungsverfahren ist ausschließlich das BZSt zuständig. Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat den Vergütungsantrag nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung nach Maßgabe der StDÜV über das in dem Mitgliedstaat, in dem der Unternehmer ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal dem BZSt zu übermitteln (§ 61 Abs. 1 UStDV). Nach Abschn. 18.13 Abs. 4 Satz 2 UStAE sind dem Vergütungsantrag auf elektronischem Weg die Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie beizufügen, wenn das Entgelt für den Umsatz oder die Einfuhr mindestens 1.000,00 €, bei Rechnungen über den Bezug von Kraftstoffen mindestens 250,00 €, beträgt.

Der BFH hatte über einen Sachverhalt zu entscheiden, der die Fassung von § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV bis 29.12.2014 betraf. Auf der Grundlage von § 18 Abs. 9 Satz 2 UStG ordnete § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV im Streitjahr 2010 an, dass dem Vergütungsantrag "auf elektronischem Weg die Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie beizufügen" sind, wenn das Entgelt für den Umsatz oder die Einfuhr mindestens 1.000,00 €, bei Rechnungen über den Bezug von Kraftstoffen mindestens 250,00 €, beträgt. Unionsrechtliche Grundlage war hierfür Art. 10 der Richtlinie 2008/9/EG. Danach kann der Mitgliedstaat, bei dem die Erstattung beantragt wird, verlangen, dass der Antragsteller zusammen mit dem Erstattungsantrag "auf elektronischem Weg eine Kopie der Rechnung oder des Einfuhrdokuments einreicht", wenn bestimmte Steuerbemessungsgrundlagen überschritten sind.

Die Finanzverwaltung hatte bisher die Auffassung vertreten, dass „Kopie“ der Rechnung im Sinne dieser Vorschriften (Art. 10 der Richtlinie 2008/9/EG und § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV i. d. F. bis 29.12.2014) in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht dahingehend auszulegen ist, dass damit das eingescannte Original der Rechnung gemeint ist. Anderenfalls könne das elektronische Vorsteuer-Vergütungsverfahren in höherem Maße betrugsanfällig sein.

Mit der VO zur Änderung steuerlicher VO und weiterer Vorschriften v. 22.12.2014 (BGBl I 2014, 2392) war § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV mit Wirkung v. 30.12.2014 dahingehend gefasst worden, dass dem Vorsteuer-Vergütungsantrag die Rechnungen und Einfuhrbelege als eingescannte Originale beizufügen sind, wenn das Entgelt für den Umsatz oder die Einfuhr mindestens 1.000,00 €, bei Rechnungen über den Bezug von Kraftstoffen mindestens 250,00€, beträgt. Da diese Belege zusammen mit dem Antrag auf Vorsteuer-Vergütung auf elektronischem Weg zu übermitteln sind, ist eine Übermittlung als Kopie nicht möglich. Durch die Änderung wurde klargestellt, dass mit dem Antrag die eingescannten Originale der Rechnungen und der Einfuhrbelege zu übermitteln sind.

Sachverhalt

Am 27.09.2011 stellte der Kläger, ein im EU-Ausland ansässiger Unternehmer, beim BZSt einen Antrag auf Vergütung von Vorsteuerbeträgen für den Zeitraum Januar bis Dezember 2010. Dem Antrag waren auf elektronischem Wege unter anderem Rechnungsdokumente einer Firma A beigefügt, welche den Aufdruck "COPY 1" trugen. Das BZSt lehnte den Antrag insoweit ab, da keine eingescannten Originalrechnungen vorgelegt worden seien. Nach der Entscheidung des FG Köln im Streitfall vom 20.01.2016, 2 K 2807/12, muss nicht das Original der Rechnung unmittelbarer Ausgangspunkt der elektronischen Übersendung sein. Eine einschränkende Auslegung, nach der nicht auch eine Kopie der Rechnung elektronisch übersandt werden könne, sei nicht möglich.

Entscheidung

Der BFH hat die Entscheidung des FG Köln bestätigt. Nach dem Urteil des BFH hat der Kläger die Antragsfrist gewahrt, da auch die Kopie einer Rechnungskopie als Kopie der Rechnung anzusehen ist. Das Erfordernis, "auf elektronischem Weg die Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie beizufügen" ist nach dem BFH-Urteil auch dann gewahrt, wenn es sich nicht um eine Kopie des Originals, sondern um eine Kopie handelt, die von einer Kopie des Originals angefertigt wurde. Auch das BZSt räume ein, dass "letztlich jede elektronische Kopie auch eine Kopie des Originals darstellt". Sachgründe, die ein Unmittelbarkeitserfordernis dergestalt begründen, dass es sich bei der auf elektronischem Weg beizufügenden Kopie um eine direkte Kopie des Originals handeln muss, bestehen nach Auffassung des BFH nicht.

Über die Bedeutung und die Unionsrechtskonformität der ab 30.12.2014 geltenden Neufassung des § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV, wonach eingescannte Originale einzureichen sind, war nach den Ausführungen des BFH im Streitfall nicht zu entscheiden. Denn eine rückwirkende Anwendung dieser Verfahrensregelung auf Zeiträume vor ihrem Inkrafttreten kommt nicht in Betracht. Die Neuregelung hat nach dem Urteil des BFH im Hinblick auf die eindeutigen Unterschiede im Wortlaut auch keine nur deklaratorische Bedeutung, die eine Berücksichtigung im Streitfall hätte ermöglichen können.

Praxishinweis

Vom Urteil des BFH sind alle anhängigen Vorsteuervergütungsverfahren für die Zeiträume vom 01.02.2010 bis zum 29.12.2014 betroffen. In diesen Fällen reicht es, wenn Kopien von Originalrechnungen eingescannt und dem Vergütungsantrag beigefügt wurden. Das Urteil des BFH macht aber auch klar, dass der ab 30.12.2014 geltende Wortlaut von § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV deutlich ist und danach nur (noch) eingescannte Originalrechnungen für das Vorsteuervergütungsverfahren in Betracht kommen. Nach § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV i. d. F. der Vierten VO zur Änderung steuerlicher VO v. 12.07.2017, BGBl I 2017, 2360, sind dem Vergütungsantrag die Rechnungen und Einfuhrbelege als eingescannte Originale vollständig beizufügen, wenn das Entgelt für den Umsatz oder die Einfuhr mindestens 1.000,00 €, bei Rechnungen über den Bezug von Kraftstoffen mindestens 250,00 €, beträgt. Das FG Köln hatte in einer weiteren Entscheidung zum Vorsteuer-Vergütungsverfahren vom 09.11.2016, 2 K 1912/15, entschieden, dass eine unvollständig eingereichte Rechnung nicht dazu führt, dass der Antrag auf Vergütung der in der Rechnung ausgewiesenen Vorsteuer unwirksam ist. Das FG ist der Ansicht, dass es für die Vorsteuervergütung ausreichend ist, wenn die eingereichten Unterlagen die für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug maßgeblichen Angaben enthalten und die vollständigen Rechnungsunterlagen im Laufe des Vergütungsverfahrens – ggf. noch nach Ablauf der Antragsfrist – nachgereicht werden. Das soll sowohl für fehlende Seiten der Rechnung als auch für zusätzliche Unterlagen gelten, die zur Vervollständigung der nach § 14 Absatz 4 UStG erforderlichen Angaben notwendig sind. Mit der Ergänzung in § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV, wonach die entsprechenden Unterlagen bei Antragstellung vollständig vorliegen müssen, sollen die bei Umsetzung der finanzgerichtlichen Rechtsprechung sonst entstehenden Schwierigkeiten bei der Bearbeitung der Anträge auf Vorsteuervergütung vermieden werden.

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