BFH zur organisatorischen Eingliederung durch einen Beherrschungsvertrag

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 10.05.2017, V R 7/16

Praxisproblem

Eine umsatzsteuerliche Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG liegt vor, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist. Die organisatorische Eingliederung setzt nach Abschn. 2.8 UStAE i. d. F. des BMF-Schreibens v. 26.05.2017, BStBl. I 2017, 790, voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung tatsächlich wahrgenommen wird. Es kommt darauf an, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht und seinen Willen in der Organgesellschaft durchsetzen kann. Nicht ausreichend ist, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist. Die organisatorische Eingliederung setzt in aller Regel die personelle Verflechtung der Geschäftsführungen des Organträgers und der Organgesellschaft voraus. Dies ist z. B. bei einer Personenidentität in den Leitungsgremien beider Gesellschaften gegeben.

Für das Vorliegen einer organisatorischen Eingliederung ist es jedoch nicht in jedem Fall erforderlich, dass die Geschäftsführung der Muttergesellschaft mit derjenigen der Tochtergesellschaft vollständig personenidentisch ist. So kann eine organisatorische Eingliederung z. B. auch dann vorliegen, wenn nur einzelne Geschäftsführer des Organträgers Geschäftsführer der Organgesellschaft sind. Neben dem Regelfall der personellen Verflechtung der Geschäftsführungen des Organträgers und der Organgesellschaft kann sich die organisatorische Eingliederung auch daraus ergeben, dass Mitarbeiter des Organträgers als Geschäftsführer der Organgesellschaft tätig sind. In Ausnahmefällen kann eine organisatorische Eingliederung auch ohne personelle Verflechtung in den Leitungsgremien des Organträgers und der Organgesellschaft vorliegen. Voraussetzung für diese schwächste Form der organisatorischen Eingliederung ist jedoch, dass institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft gegeben sind. Hat die Organgesellschaft mit dem Organträger einen Beherrschungsvertrag nach § 291 AktG abgeschlossen, ist von dem Vorliegen einer organisatorischen Eingliederung auszugehen, da der Organträger in diesen Fällen berechtigt ist, dem Vorstand der Organgesellschaft nach Maßgabe der §§ 308 bzw. 323 Abs. 1 AktG Weisungen zu erteilen. Soweit rechtlich zulässig, muss sich dieses Weisungsrecht jedoch grundsätzlich auf die gesamte unternehmerische Sphäre der Organgesellschaft erstrecken. Eine organisatorische Eingliederung durch Beherrschungsvertrag wird jedoch erst ab dem Zeitpunkt seiner Eintragung in das Handelsregister begründet, da dieser konstitutive Wirkung zukommt.

In Seminaren wurde der Beherrschungsvertrag teilweise bereits totgesagt, da er nicht ausreiche. Der BFH hat nun diesen Aussagen eine Absage erteilt.

Sachverhalt

Im BFH-Verfahren V R 7/16 ging es um die Wirkungen eines Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrags für die organisatorische Eingliederung bei einer Organschaft. Die Klägerin, eine A-GmbH (A), hält 100 % der Anteile an einer C-GmbH (C). Mit Notarvertrag vom 29.10.2007 schloss A als herrschendes Unternehmen mit C in Gründung (i. Gr.) einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag, der am 04.12.2007 im Handelsregister eingetragen wurde. Danach unterstellte C die Leitung ihrer Gesellschaft der A. Nach dem Vertrag ist A berechtigt, der Geschäftsführung von C sowohl hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft als auch allgemein oder auf Einzelfälle bezogene Weisungen zu erteilen. C verpflichtete sich, den Weisungen zu folgen. Der Vertrag sollte hinsichtlich des Weisungsrechts mit Eintragung im Handelsregister wirksam werden. Alleiniger Geschäftsführer von A war S, Geschäftsführer von C waren T und K.

Im Rahmen sowohl bei A als auch bei C durchgeführter Außenprüfungen ging das FA davon aus, dass zwischen A und C seit dem Streitjahr 2007 eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft bestehe. C habe umsatzsteuerpflichtige Erlöse auf ein nicht mit Umsatzsteuer belastetes Ertragskonto umgebucht, im Jahr 2007 ausgestellte Ausgangsrechnungen nicht verbucht und Anzahlungen nicht erfasst. Der Außenprüfer berücksichtigte dabei zumindest einen zeitlich vor der Eintragung des Beherrschungsvertrages im Handelsregister liegenden Geschäftsvorfall, eine Inrechnungstellung an S. Das FG hatte entschieden, die streitgegenständlichen Umsätze seien zu Recht 2007 bei A erfasst worden, weil sie umsatzsteuerrechtlich Organträger von C gewesen sei. Die organisatorische Eingliederung der C-GmbH ergebe sich aus dem Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag, aufgrund dessen die Geschäftsführung von A befugt gewesen sei, der Geschäftsführung von C Weisungen zu erteilen. Mit der Revision hatte A geltend gemacht, das FG habe zu Unrecht eine organisatorische Eingliederung bejaht. Es fehle an der erforderlichen Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen. Der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag könne diese nicht ersetzen.

Entscheidung

Der BFH hat die FG-Entscheidung bestätigt, dass aus einem Beherrschungsvertrag auf die organisatorische Eingliederung geschlossen werden kann.

Praxishinweis

Eine juristische Person ist organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert, wenn der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss. Da sich die mit der Organschaft verbundene Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger finanziell belastend auswirken kann, müssen die Voraussetzungen der Organschaft rechtssicher bestimmbar sein. Deshalb erfordert die organisatorische Eingliederung im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der juristischen Person als Organgesellschaft. Unterstellt eine juristische Person gem. § 291 AktG in direkter (bei Aktiengesellschaften) oder analoger Anwendung im GmbH-Recht die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen (als Organträger), begründet der Beherrschungsvertrag die organisatorische Eingliederung. Der BFH bestätigt mit seinem Urteil die einhellige Auffassung in Schrifttum und Finanzverwaltung. Damit sind Stimmen in der Literatur und bei einigen Konferenzen nicht bestätigt, welche den Beherrschungsvertrag nicht als ausreichend betrachteten. Die Rechtsprechung ist die „Rettung des Beherrschungsvertrags“ für die umsatzsteuerliche Organschaft.

Zwar berechtigt auch die mit der finanziellen Eingliederung einhergehende Stellung als Mehrheitsgesellschafter gem. § 46 Nr. 6 GmbHG zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung des beherrschten Unternehmens und in Vollzug dieses Rechts zur Erteilung von Weisungen zwecks Ausführung der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung. Dieses Weisungsrecht erfüllt aber nach ständiger BFH-Rechtsprechung nicht das selbstständige Tatbestandsmerkmal der organisatorischen Eingliederung. Etwas anderes gilt demgegenüber nach dem vorliegenden BFH-Urteil für die weitergehenden Rechte aus einem Beherrschungsvertrag. Sie führen zur organisatorischen Eingliederung, weil sich das Weisungsrecht nach § 308 AktG nicht nur auf die Überwachung beschränkt, sondern darüber hinaus auf die Leitung der Gesellschaft (vgl. § 76 Abs. 1 AktG) bezieht. Im Gegensatz zum Weisungsrecht des Mehrheitsgesellschafters, das nur die Möglichkeit eröffnet, einzelne laufende Angelegenheiten an sich zu ziehen, umfasst das Weisungsrecht aus § 308 AktG die Geschäftsführung, die organschaftliche Vertretung sowie Maßnahmen im Innenverhältnis der Gesellschaft unter Einschluss der Rechnungslegung. Dem Geschäftsführer der abhängigen GmbH können damit direkt Weisungen erteilt werden, ohne dass der Weg über die Gesellschafterversammlung beschritten werden müsste. Der Beherrschungsvertrag gewährleistet folglich von Rechts wegen den Vorrang des Organträgers vor dem Interesse der Organgesellschaft und rechtfertigt die Eingliederung.

Der BFH hat auch seine bisherige Rechtsprechung und die Verwaltungsmeinung bestätigt, dass eine organisatorische Eingliederung durch Beherrschungsvertrag erst ab dem Zeitpunkt seiner Eintragung in das Handelsregister begründet wird, da dieser konstitutive Wirkung zukommt.

Im entschiedenen Fall wurden dem Organträger die Umsätze seiner Organgesellschaft als eigene Umsätze zugerechnet. In der Praxis ist bei Beherrschungsverträgen daher intensiv zu prüfen, ob sie so ausgestaltet sind, dass sie bei nicht gewollter Organschaft diese auch nicht begründen bzw. bei einer von den Parteien an gestrebten Organschaft diese auch ermöglichen.

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