BGH spricht Compliance-Management-Systemen eine bußgeldmindernde Wirkung zu

Anmerkung zu: BGH, Urt. v. 09.05.2017, 1 StR 265/16

Praxisproblem

Der Compliance-Begriff wird nach wie vor vielseitig diskutiert. Das mag daran liegen, dass es im positiven Recht bislang an einer Legaldefinition dieser Begrifflichkeit mangelt. Führende Meinung der Literatur ist, dass unter dem Compliance-Begriff zum einen das Selbstverständnis zu verstehen ist, dass sich Unternehmen im Einklang mit dem geltenden Recht bewegen. Zum anderen wird der Begriff dahingehend erweitert, dass zusätzlich potentielle Gesetzesverstöße von Betriebsangehörigen schon im Vorfeld durch geeignete organisatorische Maßnahmen bestmöglich ausgeschlossen bzw. vermieden werden müssen.

Dehnt man den Compliance-Begriff auf den Zoll- und Außenwirtschaftsbereich aus, so hat sich in der Literatur und in der Praxis der Begriff Trade-Compliance etabliert. Unter Trade-Compliance versteht man also das gesetzeskonforme Verhalten in Bezug auf alle anwendbaren zoll- und außenwirtschaftsrechtlichen Normen sowie die Sicherstellung eines solch konformen Verhaltens durch notwendige organisatorische Maßnahmen, insbesondere nämlich die Implementierung eines Compliance-Management-Systems (CMS) für den Bereich Trade. Die AWB berät derzeit Projekte im sog. Trade Compliance, welche das Zoll-, Umsatzsteuer- und Exportkontrollrecht umfassen.

Kommt es bei der Anwendung der zoll- oder außenwirtschaftsrechtlichen Vorschriften zu Trade-Compliance-Verstößen, können rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen, sowohl für das Unternehmen als auch für betroffene Unternehmensvertreter, Führungskräfte und Mitarbeiter drohen. Hervorzuheben ist hier die Aussetzung oder der Entzug von zoll- oder außenwirtschaftsrechtlichen Privilegien, wie z. B. die Nutzung von Vereinfachungen oder Bewilligungen. Dies kann die logistischen Abläufe im Unternehmen empfindlich stören und wirtschaftliche Konsequenzen mit sich bringen. Zusätzlich drohen bei Trade-Compliance-Verstößen empfindliche Bußgelder gegen einzelne Organe und Beauftragte oder auch gegen das Unternehmen.

Vor dem Hintergrund möglicher Konsequenzen bei Trade-Compliance-Verstößen blieb eine Frage stets unbeantwortet: Was bringt ein wirksames CMS bei Eintritt eines Trade-Compliance-Verstoßes wirklich? Hat die Einrichtung eine haftungsmildernde Auswirkung? Mit dem BGH-Urteil vom 09.05.2017 wurde diese Frage nun erstmals konkret höchstrichterlich beantwortet.

Sachverhalt

Hintergrund des BGH-Urteils waren Vorwürfe der Steuerhinterziehung und Bestechung bei Rüstungsgeschäften zwischen einem deutschen Rüstungsunternehmen und dem griechischem Staat aus dem Jahr 2001.

Das LG München hatte als Vorinstanz einen leitenden Angestellten und Prokuristen eines deutschen Rüstungsunternehmens trotz Selbstanzeige unter anderem wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt. Das LG München hielt die Selbstanzeige des Mitarbeiters wegen Tatentdeckung für unwirksam: Tatentdeckung könne auch durch ausländische Behörden eintreten, wenn der ausländische Staat aufgrund bestehender Abkommen Rechtshilfe leistet; zeitlich komme es dann darauf an, ab welchem Zeitpunkt eine Rechtshilfegewährung wahrscheinlich ist. Diese Würdigung hatte vor dem BGH Bestand und wird nachfolgend ausgeklammert.

Neben der Beihilfe der Steuerhinterziehung setzte das LG München gegen das deutschen Rüstungsunternehmen eine Geldbuße gem. § 30 Abs. 1 OWiG i. H. v. 175.000 € fest.

Entscheidung

Die gegen das deutsche Rüstungsunternehmen verhängte Geldbuße hob der BGH in seinem Urteil auf.  Ihre Bemessung enthalte Rechtsfehler zum Vorteil des Unternehmens. Das LG München habe die Geldbuße rechtsfehlerhaft allein nach der Schuld des Angeklagten, sprich des Mitarbeiters des Rüstungsunternehmens, bemessen, ohne den wesentlich höheren Unrechtsgehalt der durch die zwei Geschäftsführer des deutschen Rüstungsunternehmens begangenen Steuerhinterziehung zu berücksichtigen.

Im Rahmen der Zurückweisung für die neue Hauptverhandlung der Ordnungswidrigkeit nach § 30 OWiG weist der BGH zudem darauf hin, dass für die Bemessung der Geldbuße von Bedeutung sei, inwieweit das Unternehmen seiner Pflicht genüge getan habe, Rechtsverletzungen aus seiner Sphäre zu unterbinden und ein effizientes Compliance-Management installiert habe, das auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegt ist. Dabei könne auch eine Rolle spielen, ob das Rüstungsunternehmen in der Folge des vorliegenden Strafverfahrens entsprechende Regelungen optimiert und ihre betriebsinternen Abläufe so gestaltet habe, dass vergleichbare Normverletzungen zukünftig jedenfalls deutlich erschwert würden.

Praxishinweis

Die Frage nach dem Sinn und Zweck eines CMS sollte sich aus zollrechtlicher Sicht für Unternehmen eigentlich nicht stellen. Schließlich muss ein Unternehmen, um den Status des Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten bewilligt zu bekommen, nachweislich über interne Kontrollen verfügen, mit denen Fehler verhindert, erkannt und korrigiert sowie illegale oder nicht ordnungsgemäße Geschäfte verhindert und erkannt werden können. Gleiches wird aus exportkontrollrechtlicher Sicht im Rahmen der Implementierung eines Internal-Compliance-Systems verlangt.

Dadurch, dass nun aber das höchste deutsche Strafgericht erstmals auf die Bedeutung eines internen CMS für die Bemessung einer Geldbuße hingewiesen hat, scheint die Einrichtung und Pflege eines CMS nicht nur im Zusammenhang mit der Beantragung bestimmter Bewilligungen / Genehmigungen erforderlich. Wird aufgrund eines Trade-Compliance-Verstoßes ein Bußgeld festgesetzt, muss fortan geschaut werden, ob ein CMS für den Bereich Zoll und Außenwirtschaft vorlag, ob dieses wirksam war und ob nach Eintritt des Schadensfalls entsprechende Maßnahmen umgesetzt wurden, die einen wiederholten Verstoß aus gleichen Gründen verhindern bzw. erheblich erschweren.

Insofern sollten Unternehmen damit beginnen, entsprechende CMS-Strukturen für den Bereich Zoll und Außenwirtschaft zu entwickeln und diese fortlaufend systematisch zu pflegen. Das erfahrene Team der AWB steht Ihnen dabei gern mit Rat und Tat zur Seite. Informieren Sie sich über das AWB Trade Compliance Projekt für Zoll, Umsatzsteuer und Exportkontrolle. Nutzen Sie die Synergieeffekte der Beratung dieser Rechtsgebiete aus einer Hand bei der AWB.

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