BMF zur Einordnung der Kreditgewährung als eigenständige Leistung

Anmerkung zu: BMF-Schreiben v. 08.11.2017 (BFH, Urt. v. 13.11.2013, XI R 24/11)

Praxisproblem

In der Praxis stellt sich insbesondere bei Bauunternehmern häufiger das Problem, wie eine Bauleistung (Werklieferung) und eine damit zusammenhängende Finanzierungsleistung umsatzsteuerlich zu beurteilen sind. Vor der Neuregelung durch das BMF-Schreiben vom 08.11.2017 waren strenge Auflagen zu erfüllen für die Berücksichtigung einer Kreditgewährung als eigenständige Leistung, wie z. B. die Angabe eines Jahreszinses und die gesonderte Vereinbarung der Entgelte für die Lieferung oder sonstigen Leistung sowie für die Kreditgewährung.

Bei Nichtberücksichtigung entstand schnell das Problem, dass die Finanzverwaltung aufgrund deren Auffassung von einer einheitlichen Leistung ausgegangen ist. Die Kreditleistung wurde somit im Rahmen der Hauptleistung der Bauleistung als Nebenleistung angesehen. Demnach entfiel die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 UStG mangels eigenständiger Kreditgewährung.

Dies konnte zu erheblichen Nachteilen ggü. anderen Kreditinstituten führen. Da deren Leistungen grundsätzlich als eigenständige Hauptleistung gesehen werden konnten. Denn bei Kreditinstituten liegt i. d. R. eine andere Lieferung oder sonstige Leistung z. B. im Zusammenhang mit Bauleistungen nicht vor.

Mit dem BMF-Schreiben vom 08.11.2017 weicht die Finanzverwaltung nun jedoch von der alten Verwaltungsauffassung ab. Es liegen nunmehr viele Vereinfachungen vor, um eine Berücksichtigung der Kreditgewährung als eigenständige Leistung auch bei Bauunternehmern zu gewähren.

Sachverhalt

Der BFH hat jedoch mit Urteil vom 13.11.2013, XI R 24/11, entschieden, dass, wenn eine Bauleistung (Werklieferung) mit einer Finanzierung des Bauvorhabens durch den Bauunternehmer verbunden ist, neben der Werklieferung eine eigenständige steuerfreie Kreditgewährung (Finanzierungsleistung) vorliegen kann. Das gilt auch dann, wenn in der zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarung kein Jahreszins angegeben worden ist.

In dem vorliegenden Urteil ging es um einen Unternehmer, der an ein Studentenwerk im Rahmen eines „Public-Private-Partnership-Projekts“ sowohl eine Bauleistung als auch eine Finanzierung erbrachte. Im Vertrag wurde im Rahmen der Vermietung des Gebäudes an das Studentenwerk der Mietzins gesondert aufgeschlüsselt. Ein Anteil wurde aus der Baumaßnahme errechnet, ein weiterer aus der Finanzierung – ein tatsächlicher Jahreszins wurde dabei jedoch nicht angegeben. Gleichwohl erging aus dem Vertrag ein Hinweis, dass die Finanzierungsanteile gem. § 4 Nr. 8 UStG umsatzsteuerbefreit seien.

Im Rahmen einer Außenprüfung bei dem Bauunternehmer stellte das Finanzamt dennoch fest, dass es sich hierbei um eine einheitliche Leistung handele. Daraufhin legte das Bauunternehmen Einspruch ein. Nach Zurückweisung des Einspruchs als unbegründet klagte das Bauunternehmen erfolgreich gegen diese.

Das zuständige FG führte zur Begründung aus, dass das Bauunternehmen mehrere umsatzsteuerlich getrennt voneinander zu beurteilende Leistungen erbracht habe. Die sonstige Leistung, die in der Vorfinanzierung des Bauaufwands liege, sei als eigenständige, steuerfreie Kreditgewährung zu beurteilen, die auch eigenständig abgerechnet worden sei. Gegen dieses Urteil ging das zuständige FA des Klägers in Revision mit der Begründung, dass eine einheitliche Leistung an das Studentenwerk erbracht worden sei. Die Kreditierung des Entgelts sei nur dann als eigenständige Leistung zu behandeln, wenn die Leistung und die Kreditgewährung gesondert vereinbart worden seien. Eine gesonderte Kreditgewährung unter Angabe eines Jahreszinses sei nicht daraus zu entnehmen, dass die Bau- und Finanzierungskosten kalkulatorisch in die Berechnung der monatlich zu entrichtenden Leistungsentgelte eingegangen seien. Eine Leistung sei als Nebenleistung zur Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck habe, sondern nur lediglich das Mittel darstelle, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Die Finanzierungsleistung sei demnach eine Nebenleistung zur Bauleistung als Hauptleistung.

Der BFH entschied daraufhin, dass die Revision des zuständigen FA unbegründet sei und das FG zu Recht entschieden hatbe, dass neben einer umsatzsteuerpflichtigen Werklieferung i. S. d. § 3 Abs. 4 UStG eine eigenständige nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG umsatzsteuerfreie Kreditgewährung vorliege.

Es ist davon auszugehen, dass mit dem Vertragswerk eine eigenständige Finanzierungsleistung vereinbart wurde. Aus dem Mietvertrag sei ersichtlich, dass zu der eigentlichen Werklieferung eine eigenständige Finanzierungsleistung getreten sei. Aus der eigenständigen Regelung über den Mietzins, der sich aus den Baukosten ableiten lasse, und der eigenständigen Mietzinsberechnung dem Grunde nach für die Finanzierungsanteile sei zu schließen, dass die Vereinbarung nicht lediglich als solche zu betrachten sei, die die Höhe des Entgelts regele. Die Vertragsbeteiligten hätten mit der ausdrücklichen Regelung zur Umsatzsteuerbefreiung der Finanzierungsanteile klar zum Ausdruck gebracht, dass die Finanzierung als eigenständige Leistung angestrebt worden sei. Denn nur bei Eigenständigkeit der Finanzierungsleistung habe überhaupt in Betracht kommen können, dass diese unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 UStG falle. Zudem ist davon auszugehen, dass die Finanzierungsleistung für das Studentenwerk im Wesentlichen einen eigenen Zweck erfüllt und nicht nur das Mittel darstellt, um die Werklieferung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Auch wenn eine mit der Werklieferung einhergehende langfristige Finanzierung die Realisierung des angestrebten Bauvorhabens erleichtert oder sogar erst ermöglicht haben sollte.

Die Voraussetzung, unter der die Finanzverwaltung eine mit einer anderen Leistung einhergehende eigenständige Kreditgewährung des Leistenden annimmt, dass in der Vereinbarung über die Kreditgewährung auch der Jahreszins angegeben werden muss, folgt der BFH nicht.

Entscheidung

Mit dem BMF-Schreiben v. 08.11.2017 zur Kreditgewährung als eigenständige Leistung hat die Verwaltung sich der BFH-Rechtsprechung nun angeschlossen. Abschn. 3.11 Abs. 1 wurde dahingehend neugefasst, dass im Falle der Kreditgewährung im Zusammenhang mit einer Lieferung oder sonstigen Leistung grundsätzlich jeweils eigenständige Leistungen erbracht werden. Die naturgemäße Verbindung des Kreditgeschäfts zu der Lieferung oder sonstigen Leistung reicht für sich genommen für die Annahme einer einheitlichen Leistung nicht aus. Ob mehrere voneinander unabhängige Leistungen oder eine einheitliche Gesamtleistung vorliegen, ist im konkreten Einzelfall unter Beachtung der in Abschnitt 3.10 dargelegten objektiven Abgrenzungskriterien zu beurteilen.

Anhaltspunkte, die für die Annahme mehrerer Leistungen sprechen, sind dabei u. a.:

  • gesonderte Vereinbarung von Lieferung oder sonstiger Leistung und Kreditgewährung;
  • eigenständige Bildung von Leistungspreisen;
  • gesonderte Rechnungsstellung.

Bei der Kreditgewährung im Rahmen von Public-Privat-Partnership-Projekten ist von zwei getrennt zu beurteilenden Leistungen auszugehen, wenn Werklieferung und Finanzierung nicht so aufeinander abgestimmt sind, dass es die Verflechtung beider Komponenten nicht möglich machen würde, nur eine der beiden Leistungen in Anspruch zu nehmen.

Abschn. 3.11 Abs. 2 wird gestrichen.

Praxishinweis

Für die Praxis ist insbesondere relevant, dass es nun nicht mehr auf eine eindeutige Trennung zwischen dem Kreditgeschäft und der Lieferung vorliegt. Die strengen erforderlichen Voraussetzungen von

  1. die Lieferung oder sonstige Leistung und die Kreditgewährung mit den dafür aufzuwendenden Entgelten müssen bei Abschluss des Umsatzgeschäfts gesondert vereinbart worden sein. Das für ein Umsatzgeschäft vereinbarte Entgelt kann nicht nachträglich in ein Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung und ein Entgelt für Kreditgewährung aufgeteilt werden;
  2. in der Vereinbarung über die Kreditgewährung muss auch der Jahreszins angegeben werden;
  3. die Entgelte für die beiden Leistungen müssen getrennt abgerechnet werden

wurden mit dem BMF-Schreiben vom 08.11.2017 fallen gelassen.

Bei Bauunternehmern führt dieses zu einer erheblichen Vereinfachung zur Abgrenzung der Bauleistung (Werklieferung) und der umsatzsteuerfreien Kreditgewährung nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG.

Nunmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Kreditgewährung im Zusammenhang mit einer Lieferung oder sonstigen Leistung eine eigenständige Leistung darstellt.

Die Anhaltspunkte von

  • gesonderte Vereinbarung von Lieferung oder sonstiger Leistung und Kreditgewährung;
  • eigenständige Bildung von Leistungspreisen;
  • gesonderte Rechnungsstellung

legt die Finanzverwaltung zu Grunde, sodass bei der Berücksichtigung dieser Punkte von einer selbstständigen Leistung der Kreditgewährung seitens der Finanzverwaltung ausgegangen werden kann.

Bei Fallkonstruktionen von Public-Private-Partnership-Projekten ist dann von zwei getrennt zu beurteilenden Leistungen auszugehen, wenn Werklieferung und Finanzierung nicht so aufeinander abgestimmt sind, dass es die Verflechtung beider Komponenten nicht möglich machen würde, nur eine der beiden Leistungen in Anspruch zu nehmen. Das wäre z. B. der Fall, wenn die Kreditgewährung nicht als zwingend notwendig mit der Bauleistung verbunden ist, sondern auch bei einem Kreditinstitut unabhängig in Anspruch genommen werden könnte.

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