Die dem Urheber eines Kunstwerks aufgrund des Folgerechts zustehende Vergütung ist kein steuerbares Leistungsentgelt

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 19.12.2018, C-51/18, Kommission / Österreich

Praxisproblem

Ein (steuerbarer) Leistungsaustausch setzt voraus, dass Leistender und Leistungsempfänger vorhanden sind und der Leistung eine Gegenleistung (Entgelt) gegenübersteht. Für die Annahme eines Leistungsaustauschs müssen Leistung und Gegenleistung in einem wechselseitigen Zusammenhang stehen. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt für den Leistungsaustausch einen unmittelbaren, nicht aber einen inneren (synallagmatischen) Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt voraus. Der EuGH hatte mit Urteil v. 18.01.2017, C-37/16 (Stowarzyszenie Artystów Wykonawców Utworów Muzycznych i Słowno-Muzycznych SAWP) zu Gebühren für Geräte und unbespielte Datenträger zur Aufzeichnung von Werken zum privaten Eigengebrauch, die durch Einrichtungen zur gemeinsamen Verwaltung von den Herstellern und Importeuren von Tonbandgeräten und anderen ähnlichen Geräten sowie unbespielten Datenträgern erhoben werden, auf Nichtsteuerbarkeit entschieden. Infolgedessen ist durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (sog. UStAVermG) § 3 Abs. 9 Satz 3 UStG, der bislang bestimmte, dass Urheber und Verwertungsgesellschaften in den Fällen der §§ 27 und 54 UrhG sonstige Leistungen ausführen, m. W. v. 01.01.2019 gestrichen worden.

Sachverhalt

Die EU-Kommission hatte Österreich ebenfalls im Bereich der Umsatzbesteuerung urheberrechtlicher Leistungen wegen Verstoßes gegen Art. 2 MwStSystRL verklagt, weil Österreich die Vergütung, die aufgrund des Folgerechts einem Urheber des Originals eines Kunstwerks zusteht, der MwSt unterwirft. Österreich belaste mit der MwSt die Vergütung, die im Rahmen des Folgerechts, das in Umsetzung der Richtlinie 2001/84/EG v. 27.09.2001 über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks (ABl. EG 2001 Nr. L 272/32) in Österreich eingeführt wurde, dem Urheber beim Weiterverkauf eines Originals eines Werks der bildenden Künste zusteht.

Beim Folgerecht liege zwischen dem Urheber und dem Zahlungsverpflichteten kein Leistungsaustauschverhältnis vor. Der an den Urheber abzuführende Erlösanteil aus dem Folgerecht ergebe sich aus dem Gesetz und sei so gestaltet, dass der Veräußerer — oder wer auch immer an der Weiterveräußerung beteiligt war — dem Urheber eine Vergütung abzuführen hat, ohne dass der Urheber dabei irgendeine Leistung erbringt. Die Leistung des Urhebers sei schon vor der Weiterveräußerung dadurch abgeschlossen worden, dass der Urheber sein Original erstmals in den Verkehr gebracht hat.

Die Vergütung aus dem Folgerecht, das dem Urheber zusteht, sei demnach kein Gegenwert für irgendeine vom Urheber erbrachte Leistung, sondern die Vergütung richte sich allein nach dem bei der Weiterveräußerung erzielten Preis, dessen Höhe vom Urheber nicht beeinflusst werden könne. Dem Urheber stehe die Vergütung zu, ohne dass er irgendeine Leistung — sei es durch Tun, sei es durch Unterlassen — setzen muss oder gar setzen kann. Demzufolge sei die Vergütung aus dem Folgerecht kein Entgelt für eine Lieferung oder Leistung im Sinne von Art. 2 MwStSystRL.

Der dritte Erwägungsgrund der RL 2001/84/EG lautet: „Das Folgerecht soll den Urhebern von Werken der bildenden Künste eine wirtschaftliche Beteiligung am Erfolg ihrer Werke garantieren. Auf diese Weise soll ein Ausgleich zwischen der wirtschaftlichen Situation der bildenden Künstler und der Situation der anderen Kunstschaffenden hergestellt werden, die aus der fortgesetzten Verwertung ihrer Werke Einnahmen erzielen.“

Art. 1 („Gegenstand des Folgerechts“) der RL regelt: „Die Mitgliedstaaten sehen zugunsten des Urhebers des Originals eines Kunstwerks ein Folgerecht vor, das als unveräußerliches Recht konzipiert ist, auf das der Urheber auch im Voraus nicht verzichten kann; dieses Recht gewährt einen Anspruch auf Beteiligung am Verkaufspreis aus jeder Weiterveräußerung nach der ersten Veräußerung durch den Urheber“ (Abs. 1). „Das Recht nach Absatz 1 gilt für alle Weiterveräußerungen, an denen Vertreter des Kunstmarkts wie Auktionshäuser, Kunstgalerien und allgemein Kunsthändler als Verkäufer, Käufer oder Vermittler beteiligt sind“ (Abs. 2). „Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass das Recht nach Absatz 1 auf Weiterveräußerungen nicht anzuwenden ist, wenn der Veräußerer das Werk weniger als drei Jahre vor der betreffenden Weiterveräußerung unmittelbar beim Urheber erworben hat und wenn der bei der Weiterveräußerung erzielte Preis 10 000 Euro nicht übersteigt“ (Abs. 3). „Die Folgerechtsvergütung wird vom Veräußerer abgeführt. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass eine – vom Veräußerer verschiedene – natürliche oder juristische Person nach Absatz 2 allein oder gemeinsam mit dem Veräußerer für die Zahlung der Folgerechtsvergütung haftet“ (Abs. 4).
Österreich hatte in dem Verfahren seine Verwaltungspraxis der Besteuerung der Folgerechtsvergütung damit begründet, das Folgerecht solle dem Urheber eine Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg seines Werks garantieren. Dass der Urheber nicht an der Vereinbarung zwischen dem Verkäufer und dem Käufer im Rahmen der Weiterveräußerung des betreffenden Werks beteiligt sei, stehe einer Besteuerung der vom Urheber aus dem Folgerecht erzielten Vergütung nicht entgegen. Vielmehr gebiete der Grundsatz der Neutralität des Mehrwertsteuersystems, dass diese Vergütung ebenfalls mit MwSt belastet werde. Außerdem ermögliche es das Folgerecht, die Wertsteigerung des Werks bei seiner Weiterveräußerung zu berücksichtigen. Hilfsweise sei daraus eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Leistung des Urhebers beim Erstverkauf abzuleiten. Da diese erste einheitliche Leistung der USt unterliege, müsse auch die Folgerechtsvergütung der USt unterliegen. Im Rahmen des Folgerechts erbringe der Künstler eine Leistung, indem er den Weiterverkauf des Werks dulde. Auch wenn diese Leistung für Urheber des Originals eines Kunstwerks gesetzlich vorgesehen sei, sei sie mit der Leistung vergleichbar, die andere Kunstschaffende bei der Aufführung ihrer Werke erbrächten. Da die Vergütung für die Aufführung dieser Werke als Entgelt für eine Dienstleistung der USt unterliege, müsse die Folgerechtsvergütung ebenfalls der USt unterliegen. Was insbesondere das Vorliegen eines Leistungsaustauschs betreffe, sei das EuGH-Urteil v. 18.01.2017, C-37/16, SAWP, nicht einschlägig, da sich die darin entwickelte Argumentation des EuGH nicht auf die  Folgerechtsvergütung übertragen lasse, die nicht mit einem echten Schadensersatz vergleichbar sei.

Entscheidung

Der EuGH hat zur Frage eines etwaigen Leistungsaustauschs entschieden, dass das Rechtsverhältnis, in dessen Rahmen der Weiterverkauf eines Originalwerks erfolgt, allein zwischen dem Verkäufer und dem Käufer, ohne dass das Bestehen eines Folgerechts des Urhebers dieses Werks darauf Einfluss hätte. Folglich kann nicht angenommen werden, dass der Urheber dadurch, dass er in den Genuss des Folgerechts kommt, in irgendeiner Weise – sei es auch nur mittelbar – am Weiterverkauf beteiligt wäre, insbesondere indem er dieses Geschäft duldet. Der Urheber des Originals eines Kunstwerks, das weiterverkauft wird, hat nach dem Urteil gem. Art. 1 Abs. 1 der RL 2001/84 Anspruch auf eine Beteiligung am Verkaufspreis aus der Weiterveräußerung dieses Werks, die grundsätzlich vom Verkäufer zu zahlen ist. Da jedoch das Folgerecht des Urhebers, aus dem sich die Pflicht des Verkäufers ergibt, ihm die dafür vorgesehene Vergütung zu zahlen, auf dem Willen des Unionsgesetzgebers beruht, ist nach dem EuGH-Urteil davon auszugehen, dass es nicht im Rahmen eines jedweden Rechtsverhältnisses zwischen dem Urheber und dem Verkäufer Anwendung findet. Der Gesetzgeber habe den Urhebern keineswegs die Möglichkeit geben wollen, sich an den Umsätzen des Weiterverkaufs ihrer Werke zu beteiligen, sondern ihnen lediglich einen Anspruch auf Beteiligung an den wirtschaftlichen Ergebnissen der Weiterverkäufe nach deren Abschluss verschaffen wollen.

Der EuGH hat auch die Argumentation Österreichs zurückgewiesen, dass die Leistung, die der Urheber eines von der RL 2001/84 erfassten Originals eines Kunstwerks im Rahmen des Folgerechts erbringe, mit Leistungen vergleichbar sei, die andere Kunstschaffende bei der Aufführung ihrer Werke erbrächten. Da diese Leistungen der MwSt unterlägen, müsse dies auch für die Leistung gelten, die der Urheber des Originals eines Kunstwerks im Rahmen des Folgerechts erbringe. Hierzu führt der EuGH aus, dass Werke der bildenden Kunst nur ein einziges Mal bestehen, und die mit ihnen verbundenen Nutzungs- und Verwertungsrechte sind mit ihrem erstmaligen Inverkehrbringen erschöpft sind. Andere Werkstücke würden dagegen wiederholt zur Verfügung gestellt, und das ihren Urhebern dafür zustehende Entgelt vergüte eine Leistung, die in der wiederholten Zurverfügungstellung bestehe. Die Vergütung aus dem Folgerecht sei somit nicht mit dem Entgelt für die Ausübung der fortbestehenden Nutzungs- und Verwertungsrechte an diesen anderen Werken vergleichbar.

Praxishinweis

Das deutsche Recht ist von dem EuGH-Urteil in der entschiedenen Sache dahingehend betroffen, dass es die derzeitige Verwaltungsauffassung bestätigt. Abschnitt 1.1 Abs. 21 UStAE regelt, dass in den Fällen des Folgerechts beim Weiterverkauf des Originals eines Werks der bildenden Künste (vgl. § 26 UrhG) zwischen dem Anspruchsberechtigten (Urheber bzw. Rechtsnachfolger) und dem Zahlungsverpflichteten (Veräußerer) auf Grund mangelnder vertraglicher Beziehungen kein Leistungsaustauschverhältnis besteht. Die Folgerechtsvergütung ist also bisher im deutschen Recht nicht als steuerbares Leistungsentgelt behandelt worden. Das Folgerecht zählt nicht zu den urheberrechtlichen Nutzungs- und Verwertungsrechten (vgl. Abschnitt 12.7 Abs. 16 UStAE).

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