BFH zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Übernahme der einem kommunalen Zweckverband obliegenden Trinkwasserversorgung gegen Weiterleitung von Zuschüssen

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 10.08.2016, XI R 41/14

Praxisproblem

Zahlungen der öffentlichen Hand an einen Unternehmer, der Leistungen an Dritte erbringt, gehören – unabhängig von der Bezeichnung als „Zuschuss“ – gem. § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG zum Entgelt für diese Umsätze, wenn der Zuschuss dem Leistungsempfänger zugutekommt, der Zuschuss gerade für die Erbringung einer bestimmten Leistung gezahlt wird und mit der Verpflichtung der den Zuschuss gewährenden Stelle zur Zuschusszahlung das Recht des Zahlungsempfängers (Unternehmers) auf Auszahlung des Zuschusses einhergeht, wenn er einen steuerbaren Umsatz bewirkt hat.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, die in den Jahren 2001/2002 durch Ausgliederung des Wasserversorgungsbetriebs aus dem Vermögen eines Zweckverbands entstanden war. Der Zweckverband hält sämtliche Anteile an der Klägerin. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist „die Gewinnung, Aufbereitung und Weiterverteilung von Wasser sowie alle mit der Wasserversorgung in Zusammenhang stehenden Dienstleistungen und die Ableitung und Behandlung von Abwasser sowie alle mit der Abwasserbeseitigung im Zusammenhang stehenden Dienstleistungen“. Hierfür errichtet, unterhält und betreibt die Klägerin die erforderlichen Anlagen und hält das „Know-how“ vor. Der Zweckverband hat das für die Erfüllung der Trinkwasserversorgung notwendige Anlagevermögen auf die Klägerin übertragen. Im Jahr 2001 schloss der Zweckverband mit der Klägerin einen „Versorgungsvertrag über die öffentliche Wasserversorgung im Verbandsgebiet des Regionalen Zweckverbandes kommunale Wasserversorgung“ (Versorgungsvertrag). Streitig war, ob die Übernahme der dem kommunalen Zweckverband obliegenden Trinkwasserversorgung gegen Weiterleitung von Zuschüssen eine steuerbare Leistung gegen Entgelt darstellt.

Das Sächsische FG hatte in der Vorinstanz entschieden, dass ein Unternehmer dann eine steuerbare Leistung erbringt, wenn er die einem kommunalen Zweckverband nach Landesrecht obliegende Pflicht zur Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser übernimmt und dafür einen vertraglichen Anspruch gegen den Zweckverband auf Weiterleitung von Fördermitteln erlangt, die der Zweckverband erhält. Zwischen dem Zweckverband und der Klägerin liege keine – einen entgeltlichen Leistungsaustausch ausschließende – umsatzsteuerrechtliche Organschaft vor. Der Zweckverband sei bereits kein tauglicher Organträger. Der Wortlaut von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sehe klar vor, dass die Organgesellschaft in ein „Unternehmen des Organträgers“ eingegliedert sein müsse, was die Unternehmereigenschaft des Organträgers voraussetze. Die Klägerin habe nicht dargetan, inwieweit der Zweckverband unternehmerisch tätig werde. Die Leistung an den Zweckverband unterliege auch nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG - und zwar weder als Entgelt eines Dritten für eine Leistung an den Trinkwasserabnehmer noch als Teil der Wasserlieferung  - vergleichbar der Verlegung einer Hausanschlussleitung.

Entscheidung

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen und bestätigt das Urteil des Sächsischen FG vollumfänglich. Danach sind die vom Zweckverband weitergeleiteten Fördermittel Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustausches, die dem Regelsteuersatz unterliegen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt eine Organschaft voraus, dass der Organträger eine eigenständige Unternehmenstätigkeit ausübt; die Eigenschaft als Organträger kann jeder Unternehmer ausfüllen. Angesichts des insoweit klaren und unmissverständlichen Wortlauts des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, dass eine Eingliederung „in das Unternehmen“ des Organträgers erforderlich ist, kommt für den BFH eine vom Wortlaut abweichende richtlinienkonforme Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht in Betracht. Der BFH musste deshalb auch nicht entscheiden, ob er der Auffassung folgen könnte, das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer (eigenen) Unternehmereigenschaft des Organträgers sei unionsrechtlich nur statthaft, wenn dies im nationalen Kontext zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen erforderlich und geeignet sei. Ausgehend davon konnte der Zweckverband nicht Organträger sein; denn nach den Feststellungen des FG ist der Zweckverband kein Unternehmer.

Wenn kein Organschaftsverhältnis vorliegt, so waren die allgemeinen Grundsätze des Leistungsaustauschs zu prüfen. Der BFH erkannte, dass im Entscheidungssachverhalt Leistung und Gegenleistung einander gegenüberstünden. Die streitigen Leistungen waren nach den weiteren Entscheidungsgründen, bei denen der BFH auf seine ständige Rechtsprechung zum Leistungsaustausch verweist, auch außerhalb eines Organschaftsverhältnisses steuerbar. Nichtsteuerbare Zuschüsse lagen nicht vor.

Praxishinweis

Ein steuerbarer Umsatz in Form einer Leistung gegen Entgelt i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegt vor, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Leistung bildet. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein; er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch i.S.d. gemeinsamen Mehrwertsteuersystems führt. Wird einem Unternehmer für seine Tätigkeit (Leistung) ein Geldbetrag gezahlt, ist für die Beantwortung der Frage, ob die Leistung derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, auf die Vereinbarungen des Leistenden mit dem Zahlenden oder den Bewilligungsbescheid abzustellen. Bei Leistungen, zu deren Ausführung sich die Vertragsparteien in einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet haben, liegt der erforderliche Leistungsaustausch grundsätzlich vor. Keine Leistung gegen Entgelt liegt vor, wenn ein „Zuschuss“ lediglich der Förderung des Zahlungsempfängers im allgemeinen Interesse dient und nicht Gegenwert für eine steuerbare Leistung des Zahlungsempfängers an den Geldgeber sein soll. Für die Annahme eines Leistungsaustauschs ohne Bedeutung ist die Bezeichnung der Zuwendung. Ob das Entgelt dem Wert der Leistung entspricht, ist für das Vorliegen eines Leistungsaustauschs ebenfalls unerheblich. Nicht entscheidend ist im Fall von Leistungen im Rahmen der Übernahme einer Aufgabe einer Körperschaft des öffentlichen Rechts auch, ob es sich um eine Pflichtaufgabe oder eine freiwillige Aufgabe der betreffenden Körperschaft handelt. Der BFH hatte in Anwendung dieser Grundsätze u.a. bereits entschieden, dass ein Unternehmer, der die einer Gemeinde nach Landesrecht obliegende Verpflichtung zur Abwasserbeseitigung einschließlich der Errichtung der dafür benötigten Bauwerke übernimmt und dafür einen vertraglichen Anspruch auf ein monatliches Entgelt sowie auf Fördermittel erlangt, die der Gemeinde zustehen, eine steuerbare Leistung an die Gemeinde erbringt.

Das BFH-Urteil entspricht geltender Verwaltungsauffassung. Die Entscheidung verdeutlich wieder einmal, welche Bedeutung die umsatzsteuerliche Beurteilung und Abwicklung bei Schaffung einer wirtschaftlich und aus sonstigen Gründen sinnvollen Struktur hat. Insbesondere wenn eine Partei keine Vorsteuerabzugsberechtigung innehat, wird eine (nachträgliche) Belastung mit Umsatzsteuer zum unerwarteten Kostenfaktor.

Ihre Ansprechpartner