Richtlinienentwurf zur Implementierung eines generellen Reverse-Charge-Verfahrens veröffentlicht

Der Umsatzsteuerbetrug und insbesondere der Umsatzsteuerkarussell-Missbrauch verursachen in den Mitgliedstaaten der EU erhebliche Steuerausfälle – dies zum einen durch das Erschleichen von Steuerbefreiungen, aber vor allem aus der Vornahme eines Vorsteuerabzugs aus Rechnungen, deren darin ausgewiesene Umsatzsteuer vom Rechnungsaussteller nicht an das Finanzamt abgeführt wird/wurde.

Ein bereits lange diskutierter Lösungsansatz wird nun testweise eingeführt. Die EU-Kommission hat am 21.12.2016 einen Richtlinienentwurf zur Implementierung eines generellen Reverse-Charge-Verfahrens (Art. 199c MwStSys-RL-E) veröffentlicht. Mitgliedstaaten können – befristet bis zum Jahr 2022 – unter bestimmten Voraussetzungen ein flächendeckendes Reverse-Charge-Verfahren (generelle Steuerschuldumkehr auf den Leistungsempfänger) für Warenlieferungen oder Dienstleistungen, die einen Schwellenwert von 10.000,- € pro Rechnung übersteigen, einführen. In diesen Fällen schuldet der Leistungsempfänger dann die Umsatzsteuer aufgrund der Steuerschuldverlagerung und kann seine Steuerschuld mit seinem Vorsteuerabzug gegenrechnen. Eine Auszahlung von Vorsteuerabzugsbeträgen ohne Abführung der Umsatzsteuer an den Fiskus wird dadurch vermieden.

Ein Mitgliedstaat, der die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft einführen möchte, muss folgende Bedingungen erfüllen:

a.     Seine Mehrwertsteuerlücke, ausgedrückt als Prozentsatz des Gesamtbetrags der geschuldeten Mehrwertsteuer, liegt mindestens fünf Prozentpunkte über dem Medianwert der gemeinschaftlichen Mehrwertsteuerlücke;

b.     der Anteil des Umsatzsteuer-Karussellbetrugs an seiner gesamten Mehrwertsteuerlücke beläuft sich auf mehr als 25%;

c.     er hat festgestellt, dass andere Gegenmaßnahmen nicht ausreichen, um den Karussellbetrug auf seinem Hoheitsgebiet zu bekämpfen.

Zur Vermeidung der „Abwanderung“ der Betrugsfälle in Nachbarstaaten gibt es ebenfalls eine Regelung.

Ein (Nachbar-)Mitgliedstaat soll zudem ebenfalls ein generelles Reverse-Charge-Verfahren implementieren können, wenn er

a.     eine gemeinsame Grenze mit einem Mitgliedstaat hat, der die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft anwenden darf;

b.     nachweist, dass aufgrund der Genehmigung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft in diesem benachbarten Mitgliedstaat ein ernsthaftes Risiko der Verlagerung von Betrugsfällen auf sein Hoheitsgebiet besteht;

c.     feststellt, dass andere Gegenmaßnahmen nicht ausreichen, um Betrugsfälle auf seinem Hoheitsgebiet zu bekämpfen.

Der Richtlinienentwurf sieht zudem Berichtspflichten der Mitgliedstaaten bezüglich der Wirksamkeit des generellen Reverse-Charge-Verfahrens zuvor. Diese Neuregelungen sollen einigen EU-Ländern ermöglichen, „testweise“ das Reverse-Charge-Verfahren einzuführen. Die EU-Kommission wird die Auswirkungen überwachen und ggf. einschreitend tätig werden. Es besteht die Sorge, dass betrügerische Machenschaften ohne ein derartiges Reverse-Charge-Verfahren in andere EU-Länder „abwandern“.

Für Deutschland ist derzeit keine Einführung eines derartigen flächendeckenden Reverse-Charge-Verfahrens geplant. Testkandidaten sind Österreich und Tschechien. Die Neuregelung findet allerdings viel Beachtung. Sie endet im Jahr 2022. Bis dahin soll über eine generelle Neuregelung oder Beibehaltung entschieden sein. Diese Maßnahme ist Teil des sog. VAT Action Plan der EU-Kommission bis zum Jahr 2025, welcher auch eine Neuregelung der Besteuerung grenzüberschreitender Warenlieferungen vorsieht.

Allen Unternehmen ist anzuraten, sich bei Betätigungen in anderen EU-Staaten über eine Einführung diese Neuerung rechtzeitig zu informieren, um bei Bedarf Prozesse zeitnah umstellen zu können.

Link

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG

Quelle

EUR-Lex

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