Berichtigung der Bemessungsgrundlage bei Uneinbringlichkeit des Entgelts - Vorabinformation an den Leistungsempfänger über beabsichtigte Berichtigung der USt

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 06.12.2018, C-672/17, Tratave – Tratamento de Águas Residuais do Ave SA

Praxisproblem

Die Pflicht zur Berichtigung der Umsatzsteuer und des Vorsteuerabzugs nach § 17 Abs. 1 UStG besteht auch dann, wenn das Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung uneinbringlich geworden ist (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Uneinbringlichkeit i. S. d. § 17 Abs. 2 UStG liegt insbesondere vor, wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist, wenn den Forderungen die Einrede des Einforderungsverzichts entgegengehalten werden kann oder wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung ganz oder teilweise jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann. Bei dem portugiesischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um einen solchen Fall der Minderung der Bemessungsgrundlage gem. Art. 90 MwStSystRL in Fällen der Nichtzahlung des Entgelts.

Sachverhalt

Unternehmensgegenstand der Klägerin im Ausgangsverfahren war der Betrieb und die Verwaltung von öffentlichen kommunalen Entwässerungs-, Klärungs- und Endverwertungsdiensten für Abwasser. Sie unterlag der Normalbesteuerung mit Verpflichtung zur monatlichen Abgabe von Voranmeldungen. Im Rahmen ihrer Tätigkeit erbrachte die Klägerin Leistungen an öffentliche und private Einrichtungen. Die Klägerin nahm eine Berichtigung der MwSt (für das Steuerjahr 2010) aus nicht beglichenen Umsatzforderungen wegen Insolvenz der Schuldner vor. Die portugiesische Finanzbehörde versagte diese MwSt-Berichtigung u. a. unter Hinweis auf eine nationale MwSt-Regelung, wonach die Steuerberichtigung eine entsprechende Mitteilung an die Leistungsempfänger bzw. Insolvenzverwalter zwecks Berichtigung des ursprünglich vorgenommenen Vorsteuerabzugs voraussetzt. Erst im Jahr 2015 richtete die Klägerin Mitteilungen über die MwSt-Berichtigung an die Schuldner und die entsprechenden Insolvenzverwalter.

Vor diesem Hintergrund wollte das vorlegende Gericht wissen, ob es zulässig ist, dass eine Minderung der Bemessungsgrundlage und Berichtigung der Umsatzsteuer in Fällen der Nichtzahlung erst nach der Mitteilung der Steuerannullierung an den steuerpflichtigen Leistungsempfänger zwecks Berichtigung des ursprünglich vorgenommenen Vorsteuerabzugs vorgenommen werden darf. Weiter wollte das Vorlagegericht wissen, ob eine Steuerberichtigung versagt werden kann, wenn die Mitteilung der Steuerannullierung an den steuerpflichtigen Leistungsempfänger nicht innerhalb der für den Steuerabzug vorgesehenen Frist erfolgt.

Entscheidung

Der EuGH hat unter Bezugnahme auf frühere Rechtsprechung entschieden, dass Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL, der die Fälle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes betrifft, die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Bemessungsgrundlage und mithin den Betrag der vom Unternehmer geschuldeten MwSt immer dann zu vermindern, wenn der Unternehmer nach der Bewirkung eines Umsatzes die gesamte Gegenleistung oder einen Teil davon nicht erhält. Diese Bestimmung sei Ausdruck eines fundamentalen Grundsatzes, nach dem Bemessungsgrundlage die tatsächlich erhaltene Gegenleistung ist und aus dem folgt, dass die Steuerverwaltung als MwSt keinen höheren als den dem Unternehmer gezahlten Betrag erheben darf. Artikel 90 Abs. 2 MwStSystRL erlaubt den Mitgliedstaaten jedoch, im Fall der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung des Preises des Umsatzes von dieser Regel abzuweichen. Außerdem können die Mitgliedstaaten nach Art. 273 MwStSystRL weitere Pflichten vorsehen, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden, wobei diese Möglichkeit insbesondere nicht dazu genutzt werden darf, zusätzlich zu den in Kapitel 3 MwStSystRL genannten Pflichten weitere Pflichten in Bezug auf die Rechnungsstellung festzulegen. Da Art. 90 Abs. 1 und Art. 273 MwStSystRL außer den darin festgelegten Grenzen weder die Bedingungen noch die Pflichten angeben, die die Mitgliedstaaten vorsehen können, räumen sie den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum insbesondere in Bezug auf die Formalitäten ein, die der Unternehmer erfüllen muss, um die Bemessungsgrundlage zu vermindern. Bei diesem Ermessensspielraum ist nach dem Urteil (so auch die frühere Rechtsprechung des EuGH) aber der Grundsatz der Neutralität der MwSt beachtlich.

Mit Blick auf diese Grundsätze stellt der EuGH für die portugiesische Regelung (dass der Unternehmer dem Schuldner im Voraus mitteilen muss, dass er beabsichtigt, die MwSt ganz oder teilweise zu berichtigen) fest, dass damit sowohl Art. 90 Abs. 1 als auch Art. 273 MwStSystRL berührt ist. Diese Regelung, die es ermöglicht, den Schuldner darüber zu informieren, dass er möglicherweise seinen Vorsteuerabzug berichtigen muss, kann nach dem Urteil dazu beitragen, sowohl die genaue Erhebung der MwSt sicherzustellen als auch Steuerhinterziehung und die Gefährdung des Steueraufkommens zu vermeiden. Sie ist nach dem Urteil nicht unverhältnismäßig. Sie bietet dem Mitgliedstaat insbesondere die Möglichkeit, im Rahmen eines Insolvenzverfahrens rechtzeitig tätig zu werden, um MwSt zurückzufordern, die der Schuldner ggf. als Vorsteuer abgezogen hat.

Praxishinweis

Die Berichtigung der Bemessungsgrundlage bei Uneinbringlichkeit der Forderung (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG) ist nach dem deutschem Recht nicht von einer entsprechenden Mitteilung an den vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfänger abhängig. Das Urteil zeigt aber auf, dass Umsatzsteuerausfälle in Insolvenzfällen durch eine dem portugiesischen Recht vergleichbare Regelung bekämpft werden könnten.

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