BREXIT - Deal or no deal?

Die aktuelle Situation aus Sicht des Zollrechts, der Umsatzsteuer und der Exportkontrolle

Durch die gescheiterte Abstimmung über den Brexit-Vertrag ist momentan noch nicht abzusehen, wie der Brexit aussehen wird. Noch nicht einmal das ob scheint festzustehen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheint ein „harter“ Brexit, also ein Brexit ohne Übergangsabkommen, das am ehesten wahrscheinliche Szenario zu sein.

Zollrecht

Sofern das Vereinigte Königreich die Zollunion ohne Übergangsregelung verlassen sollte, würde sich die Lage für alle Im- und Exporte zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich verschlechtern. In allen Fällen müssten Zollanmeldungen abgegeben und Waren gestellt werden. Im Verhältnis zur EU werden für das Vereinigte Königreich die normalen Drittlandszollsätze anwendbar sein. Ferner besteht das Risiko von Zollkontrollen, Zollprüfungen und Zollnachforderungen. Zudem können Sicherheitsleistungen von den Zollbehörden verlangt werden. Darüber hinaus werden auch die Vorschriften über Verbote und Beschränkungen (z. B. Öffentliche Sicherheit, Gesundheitsschutz, Umweltschutz, nationale Kulturgüter, Produktsicherheit) Anwendung finden. Alle zollrechtlichen Bewilligungen, z. B. für den zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (AEO) oder die Zollverfahren, die von britischen Behörden ausgestellt worden sind, sind im Zollgebiet der EU dann nicht mehr gültig. Das kann sich z. B. auch auf verbindliche Zolltarifauskünfte auswirken. Für Im- und Exporteure werden in Zukunft also zusätzliche Kosten und erhebliche Verzögerungen entstehen, weshalb die Lieferketten überdacht werden sollten.

Im Hinblick auf die Anwendung der Freihandelsabkommen werden ab dem Zeitpunkt des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU die bestehenden EU-Freihandelsabkommen (wie etwa das ab dem 01.02.2019 anwendbare Freihandelsabkommen der EU mit Japan) für das Vereinigte Königreich nicht mehr zugänglich sein. In jedem Fall sollten Unternehmen, die Präferenzregeln im Verhältnis zu Drittländern wie der Schweiz nutzen, daher prüfen, welche Anteile an britischen Vormaterialien in ihren Waren enthalten sind, da die Anteile an britischen Vormaterialien gegebenenfalls dazu führen können, dass die Nutzung von Zollpräferenzen nach den entsprechenden Abkommen nicht mehr möglich ist. Die Ursprungseigenschaft der Erzeugnisse von Unternehmen, die britische Vormaterialien nutzen, ist damit gefährdet. Von daher sollten Lieferantenerklärungen überprüft werden, um festzustellen, ob bzw. inwieweit britische Vormaterialien in den betreffenden Waren enthalten sind.

Umsatzsteuer

Unternehmen, die geschäftliche Beziehungen nach Großbritannien unterhalten, werden sich mit den umsatzsteuerrechtlichen Folgen des Brexit auseinandersetzen müssen. Jene Unternehmer sind daher gefordert, ihre betrieblichen Prozesse auf die bevorstehenden Veränderungen so schnell wie möglich anzupassen, um umsatzsteuerliche Verpflichtungen auch in Zukunft korrekt zu erfüllen. Im Falle eines „harten Brexit“ ist aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht jedenfalls klar:

Großbritannien wird künftig nicht mehr zum Gemeinschaftsgebiet gem. § 1 Abs. 2a S. 1 UStG (Art. 5 Abs. 1 MwStSystRL) gehören, sondern gem. § 1 Abs. 2a S. 3 UStG (Art. 5 Abs. 4 MwStSystRL) ein Drittland im umsatzsteuerlichen Sinne sein. Da einige Normen des Umsatzsteuerrechts an die Zugehörigkeit zum Gemeinschaftsgebiet anknüpfen, hat dieser „Statuswechsel" zum Teil gravierende Auswirkungen auf die umsatzsteuerliche Einordnung und Behandlung des grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehrs zwischen Großbritannien und den verbleibenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Exemplarisch für eine mögliche Verkomplizierung ist das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft: Beteiligt sich derzeit ein Unternehmer aus Großbritannien an einem Reihengeschäft und liegen auch die weiteren Voraussetzungen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts vor, findet die Vereinfachungsregelung des § 25b UStG (Art. 42, 141, 197 MwStSystRL) Anwendung. Der Zwischenlieferant wird dann von seinen Erklärungs- und Steuerpflichten im Bestimmungsland Deutschland entbunden. Nach Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ist die Vereinfachung hingegen bei Beteiligung eines britischen Unternehmers nicht mehr anwendbar, falls der britische Unternehmer nicht ausnahmeweise über eine EU-Umsatzsteuernummer verfügt. Der mittlere Unternehmer des Reihengeschäfts muss sich daher bei Beteiligung eines britischen Unternehmers i. d. R. im Bestimmungsland steuerlich registrieren lassen.

Des Weiteren sei das innergemeinschaftliche Verbringen erwähnt. Wird ein Gegenstand eines Unternehmens aus Deutschland nach Großbritannien oder umgekehrt durch einen Unternehmer zu seiner eigenen, nicht nur vorübergehenden, Verfügung verbracht, ist das Verbringen gem. § 3 Abs. 1a UStG (Art. 17 MwStSystRL) einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt. Nach dem Brexit ist derselbe Sachverhalt dagegen nicht mehr unter § 3 Abs. 1a UStG subsumierbar. Ein entsprechendes Verbringen zur eigenen Verfügung gilt somit nicht mehr als Lieferung gegen Entgelt, sondern ist umsatzsteuerrechtlich gar nicht mehr erfasst und mithin auch nicht steuerbar. Vielmehr stellt sich in einem solchen Fall künftig auf der Eingangsseite die Frage nach einer Einfuhrabfertigung und damit umsatzsteuerlich gesehen nach der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer.

Diese beiden Beispiele zeigen mustergültig, dass ein „harter Brexit“ zur Folge hätte, dass jede Geschäftsaktivität aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht auf den Prüfstand gestellt werden müsste. Eine Auseinandersetzung der Unternehmen mit diesen Herausforderungen ist unter Compliance-Gesichtspunkten unumgänglich.

Exportkontrolle

Unter der Prämisse, dass es zu keiner weiteren Einigung und einer etwaigen Übergangsphase kommen wird, würde sich dies auch wesentlich auf den Umgang mit exportkontrollierten Gütern auswirken.

Insbesondere im Bereich der sog. Dual-use-Güter (i. S. d. Anhangs I EG-Dual-use-VO) würde es zu einschneidenden Änderungen kommen. Zum einen unterliegen die in Anhang I EG-Dual-use-VO erfassten Dual-use-Güter im Wesentlichen bei der Ausfuhr aus dem Zollgebiet der Union einer Genehmigungspflicht. Im Falle eines harten Brexits würden derartige Güter künftig bei der Lieferung aus einem der 27 verbleibenden EU-Mitgliedstaaten in das Vereinigte Königreich einer Ausfuhrgenehmigungspflicht unterliegen. Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die exportkontrollrechtlichen Ausfuhrgenehmigungspflichten nicht nur die Ausfuhr von Waren, sondern auch Software und Technologie betreffen. Damit entstehen nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs gleichfalls Genehmigungsbeschränkungen im Zusammenhang mit dem (elektronischen) Technologie- und Softwaretransfer, die es zu beachten gilt.

Weiterhin zu berücksichtigen ist, dass ein unkontrollierter Austritt Großbritanniens aus der EU sich auch auf bestehende Genehmigungen auswirken würde. Für von Anhang I EG-Dual-use-VO erfasste Güter gilt das sog. Niederlassungsprinzip, sodass Genehmigungsanträge für Dual-use-Güter, unabhängig von dem Ort ihrer Belegenheit stets durch den Ausführer in dem Mitgliedstaat seiner Ansässigkeit zu stellen sind. Dementsprechend konnten bislang britische Behörden den dort ansässigen Ausführern eine Ausfuhr auch für solche Fälle genehmigen, in denen die Dual-use-Güter in einem anderen Mitgliedstaat belegen waren. Dies ist nach dem Austritt nicht mehr möglich. Gleichzeitig verlieren bereits bestehende Genehmigungen, die vor dem Austritt durch britische Behörden ausgestellt wurden und welche die Güterausfuhr aus einem der übrigen EU-Mitgliedstaaten erlaubten, mit dem Austritt ihre Gültigkeit. Spiegelbildlich verlieren Genehmigungen, die einem deutschen Ausführer durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) erteilt wurden und welche sich auf Ausfuhren aus Großbritannien erstrecken, nach dem Austritt ebenfalls ihre Gültigkeit.

Auch außerhalb des Bereichs der Dual-use-Güter wirkt sich ein ungeordneter Brexit aus. So ist bspw. zu beachten, dass die zahlreichen bestehenden EU-Embargoverordnungen im Vereinigten Königreich nicht länger anwendbar wären. Inwieweit der britische Gesetzgeber  zukünftig seine Sanktionspolitik ausgestalten wird, ist derzeit nicht absehbar. Dort wo Sanktionen auf Entscheidungen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen beruhen, ist – den völkerrechtlichen Verpflichtungen entsprechend – auch zukünftig eine Umsetzung durch das Vereinigte Königreich zu erwarten, in der konkreten Ausgestaltung jedoch unklar.

Mit Blick auf die Rüstungsgüterlieferung in das Vereinigte Königreich, sind die zu erwartenden Änderungen weniger weitreichend. Bereits jetzt ist die (innergemeinschaftliche) Lieferung genehmigungspflichtig (§ 11 Abs. 1 AWV). Daran ändert sich im Ergebnis nichts, nur dass sich die Genehmigungspflicht zukünftig aus § 8 Abs. 1 Nr. 1 AWV ergibt. Es darf erwartet werden, dass Genehmigungen, die vor dem Austritt als Verbringungsgenehmigungen erteilt wurden, nach dem Austritt in Ausfuhrgenehmigungen umgedeutet werden. Derzeit laufen dazu entsprechende Abstimmungen im BAFA bzw. BMWi. Für die Aufnahme eines Staates (Vereinigtes Königreich) in den Anwendungsbereich der bestehenden Allgemeingenehmigungen gibt es keinen Automatismus. Wie derartige Vereinfachungen in Zukunft auch für Geschäfte mit dem Vereinigten Königreich genutzt werden können, bleibt abzuwarten.

Diese wenigen und bei weitem nicht abschließenden Beispiele zeigen auf, welchen umfangreichen und hohen administrativen Aufwand bedeutenden Änderungen durch einen harten Brexit hervorgerufen werden würden.

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