Einführung des MwSt- Digitalpakets Teil 1 zum 01.01.2019

Anmerkung zu: BMF-Schreiben v. 14.12.2018 zur Umsetzung des MwSt-Digitalpakets zum 01.01.2019

Praxisproblem

Durch Art. 9 Nr. 3 und 9 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 (sog. UStAVermG, BGBl. I S. 2338) wurde mit Wirkung vom 01.01.2019 die Regelung zur Bestimmung des Orts von sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, von Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und von auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen (sog. E-Leistungen § 3a Abs. 5 UStG) geändert. Der Leistungsort der E-Leistungen, die

  • von einem Unternehmer, der über eine Ansässigkeit in nur einem Mitgliedstaat verfügt,
  • an Nichtunternehmer erbracht werden, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind,
  • liegt an dem Ort, der sich nach § 3a Abs. 1 UStG bestimmt (Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt oder Betriebsstätte, von der die sonstige Leistung ausgeführt wird),
  • wenn der Gesamtbetrag der Entgelte der bezeichneten sonstigen Leistungen insgesamt 10. 000 Euro im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr nicht überschreitet.

Der leistende Unternehmer kann auf die Anwendung dieser Umsatzschwelle verzichten mit der Folge, dass sich der Leistungsort der bezeichneten Leistungen (weiterhin) stets an dem Ort befindet, an dem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder seinen Sitz hat. Die Verzichtserklärung bindet den Unternehmer mindestens für zwei Kalenderjahre.

Aufgrund der Änderung von § 14 Abs. 7 UStG durch Art. 9 Nr. 5 und 9 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 UStAVermG sind für alle den besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 MwStSystRL unterfallenden Umsätze mit Wirkung vom 01.01.2019 die Vorschriften über die Rechnungsstellung anzuwenden, die im Mitgliedstaat der Identifizierung des Lieferers bzw. Leistungserbringers gelten, der an den besonderen Besteuerungsverfahren teilnimmt. D. h. die Rechnungsstellung richtet sich nicht nach dem Mitgliedstaat, in dem der Umsatz steuerbar ist, sondern nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem sich der leistende Unternehmer für die Anwendung des MOSS entschieden hat.

Aufgrund der Änderung von § 18 Abs. 4c und 4d UStG durch Art, 9 Nr. 6 und 9 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 UStAVermG wird es mit Wirkung vom 01.01.2019 nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmern (Drittlandsunternehmer), die jedoch über eine MwSt-Registrierung in einem EU-Mitgliedstaat verfügen, weil sie z. B. gelegentlich in diesem Mitgliedstaat steuerbare Umsätze tätigen, gestattet, das besondere Besteuerungsverfahren für nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer (MOSS) in Anspruch zu nehmen.

Entscheidung

Die Verwaltung hat mit BMF-Schreiben v. 14.12.2018 in Umsetzung dieses MwSt-Digitalpakets des UStAE an zahlreichen Stellen geändert. Auf folgende Bestimmungen ist insbesondere hinzuweisen:

E-Leistungen und 10.000 EUR-Schwelle

Abschnitt 3a.9a Abs. 1 Nr. 1 UStAE, der Regelungen zum Ort von E-Leistungen an Nichtunternehmer enthält wurde ergänzt. Danach gilt:

a) Ort von E-Leistungen an Nichtunternehmer

Wird die E-Leistung von einem Unternehmer (an einen Nichtunternehmer) erbracht, der in nur einem Mitgliedstaat ansässig ist, bestimmt sich der Leistungsort insoweit nach § 3a Abs. 1 UStG, wenn der Gesamtbetrag der Entgelte der in § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG bezeichneten sonstigen Leistungen an in anderen Mitgliedstaaten ansässige Nichtunternehmer insgesamt 10 000 EUR im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr nicht überschreitet. Sobald dieser Gesamtbetrag im laufenden Kalenderjahr überschritten wird, verlagert sich der Leistungsort an den Ort, wo der Empfänger (Nichtunternehmer) seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthaltsort oder Sitz hat; dies gilt bereits für den Umsatz, der zur Überschreitung des Gesamtbetrags führt.

b) Verzicht auf die Anwendung der 10.000 EUR-Grenze

Die Ortsregelung bei Unterschreitung des Schwellenwerts von 10.000 EUR gilt nicht, wenn der leistende Unternehmer gegenüber dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 und 4 UStG), bzw. solange ein Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO besteht, erklärt, dass er auf die Anwendung von § 3a Abs. 5 Satz 3 UStG (d.h. die Ortsregelung bei Unterschreitung des Schwellenwerts von 10.000 EUR) verzichtet; diese Erklärung gilt vom Beginn des Kalenderjahres an, für das der Unternehmer sie abgegeben hat, und bindet ihn für mindestens zwei Kalenderjahre.

Die Verzichtserklärung ist an keine besondere Form gebunden; sie gilt auch als abgegeben, wenn der leistende Unternehmer die Voraussetzungen nach § 3a Abs. 5 Satz 3 UStG erfüllt, d.h. seine Umsätze die 10.000 EUR-Grenze nicht überschreiten, jedoch weiterhin die Regelung nach § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG anwendet.
Nach Ablauf der Zweijahresfrist kann der Unternehmer die Verzichtserklärung mit Wirkung zu einem vom Unternehmer festgelegten Zeitpunkt widerrufen; der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kalenderjahres, für das er gelten soll, bzw. solange ein Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO besteht, zu erklären.

c) Vermutung über den Ansässigkeitsort des privaten Leistungsempfängers

Abschnitt 3a.9a Abs. 5 UStAE regelt bisher die Vermutung über den Ansässigkeitsort des privaten Leistungsempfängers entsprechend zweier vom leistenden Unternehmer vorzulegenden Beweismitteln, wenn nicht die Fiktionen über den Leistungsort nach Abschnitt 3a.9a Abs. 3 UStAE (physische Anwesenheit des Leistungsempfängers in Telefonzellen, Internetcafes u. a.) oder nach Abschnitt 3a.9a Abs. 4 UStAE (Festnetzanschluss, SIM-Karte) zur Anwendung kommen.

Diese Regelung wurde dahingehend ergänzt, dass unbeschadet dessen bei Verwendung eines Beweismittels nach Abschn. 3a.9a Abs.  6 Satz 2 Nr. 1 bis 5 UStAE (Rechnungsanschrift des Kunden, IP-Adresse, Bankangaben usw.), das von einer an der E-Leistung beteiligten Person erbracht wurde, bei der es sich weder um den leistenden Unternehmer noch um den Leistungsempfänger handelt, die Vermutung gilt, dass der Leistungsempfänger an dem Ort ansässig ist, den der leistende Unternehmer auf Grundlage dieses Beweismittels bestimmt; vorausgesetzt, dass der Gesamtbetrag der Entgelte der E-Leistungen, die ein leistender Unternehmer von seinem Sitz oder seiner Betriebsstätte in einem Mitgliedstaat erbringt, insgesamt 100 000 EUR im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr nicht überschreitet (vgl. Art. 24b Abs. 2 MwStVO).

Sobald dieser Betrag in einem Kalenderjahr überschritten wird, gilt die vorbeschriebene Vermutung solange nicht mehr, bis die entsprechenden Bedingungen wieder erfüllt sind (vgl. Art. 24b Abs. 3 MwStVO).

d) Recht der Rechnungsstellung

Abschnitt 14.1 Abs. 6 UStAE, der bisher regelt, welches Recht bei der Rechnungsstellung zur Anwendung kommt (deutsches Recht oder Recht eines anderen Mitgliedstaates), wurde wie folgt ergänzt:

Ist der Unternehmer im Ausland (d. h. übriges Unionsgebiet oder Drittland) ansässig und macht er von dem Besteuerungsverfahren nach § 18 Abs. 4d UStG (im Inland steuerbare E-Leistungen von Drittlandsunternehmern, die über einen MOSS in einem anderen Mitgliedstaat erklärt werden, vgl. Abschn. 18.7a Abs. 7) bzw. nach § 18 Abs. 4e UStG (im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer, der im Inland steuerbare E-Leistungen erbringt und diese über den MOSS eines anderen Mitgliedstaates erklärt, vgl. Abschn. 18.7b UStAE) Gebrauch, dessen Inanspruchnahme er in einem anderen Mitgliedstaat angezeigt hat, gelten nach § 14 Abs. 7 Satz 3 UStG für die in diesen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von § 14 Abs. 1 bis 6 UStG für die Rechnungserteilung die Vorschriften des anderen Mitgliedstaates. Für im Drittlandsgebiet ansässige Unternehmer und für im Inland ansässige Unternehmer, die von dem Besteuerungsverfahren nach § 18 Abs. 4c UStG (vgl. Abschn. 18.7a UStAE) bzw. nach § 18h UStG (Besteuerungsverfahren für im Inland ansässige Unternehmer, die E-Leistungen im übrigen Gemeinschaftsgebiet erbringen, vgl. Abschn. 18h.1 UStAE) Gebrauch machen, dessen Inanspruchnahme sie beim BZSt angezeigt haben, gelten die Vorschriften zur Rechnungserteilung nach § 14 Abs. 1 bis 6 UStG (d. h. nach deutschem Recht und nicht nach dem Recht des Mitgliedstaates der Steuerbarkeit des Umsatzes).

Praxishinweis

Die Grundsätze der Neuregelungen sind auf nach dem 31.12.2018 ausgeführte Umsätze bzw. auf Besteuerungszeiträume anzuwenden, die nach dem 31.12.2018 enden.

Zur Umsatzbesteuerung von E-Leistungen ist allgemein zu beachten:

a) Leistungsort

Der Leistungsort bei E-Leistungen an Nichtunternehmer (B2C) liegt grds in dem Staat, in dem der Leistungsempfänger ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Damit erfolgt die Umsatzbesteuerung dieser Leistungen nicht in dem Staat, in dem der leistende Unternehmer ansässig ist, sondern am Verbrauchsort. Etwas anderes gilt ab 01.01.2019, wenn die Umsatzgrenze von 10.000 EUR nicht überschritten wird und der Unternehmer auch nicht auf die Anwendung der Umsatzgrenze verzichtet.

b) Verfahrensrecht

Als Folge hiervon müssen sich Unternehmer entweder in den Mitgliedstaaten, in denen sie die genannten Leistungen ausführen, umsatzsteuerlich erfassen lassen und dort ihren Melde- und Erklärungspflichten nachkommen oder die Vereinfachungsmöglichkeit durch die Sonderregelung Mini-One-Stop-Shop (MOSS-Verfahren) in Anspruch nehmen.

c) Zuständigkeit

Die Zuständigkeit für im Ausland ansässige Unternehmer bestimmt sich grds. Entsprechend der Verordnung über die örtliche Zuständigkeit für die Umsatzsteuer im Ausland ansässiger Unternehmer (Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung – UstZustV).

d) MOSS-Verfahren für Drittlandsunternehmer

Ein nicht im Gemeinschaftsgebiet der EU ansässiger Unternehmer, der als Steuerschuldner ausschließlich Umsätze nach § 3a Absatz 5 UstG im Gemeinschaftsgebiet erbringt und in keinem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasst ist, kann sich in nur einem EU-Mitgliedstaat erfassen lassen und dort alle derartigen in der EU ausgeführten Umsätze erklären und die Steuer entrichten (§ 18 Abs. 4c und 4d UstG). Sofern der Unternehmer sich in Deutschland für das MOSS-Verfahren erfassen lässt, hat er gem. § 18 Absatz 4c UStG, in Abweichung von den Absätzen 1 bis 4 des § 18 UStG, für jeden Besteuerungszeitraum i. S. d. § 16 Absatz 1a Satz 1 UStG (Kalendervierteljahr) eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz bis zum 20. Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums elektronisch zu übermitteln, in der er die Steuer selbst zu berechnen hat. Ab 01.01.2019 reicht es für die Anwendung des MOSS-Verfahrens aus, wenn der Unternehmer, der Umsätze nach § 3a Absatz 5 UStG im Gemeinschaftsgebiet erbringt, im Gemeinschaftsgebiet weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung hat.

Abweichend von § 1 Abs. 2 UStZustV fällt die Zuständigkeit in diesem Fall in den Bereich des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt), gem. § 1 Absatz 2a UStZustV.

Die Steuererklärung ist dem BZSt elektronisch zu übermitteln (§ 18 Abs. 4c Satz 1 UStG).

e) B2B-Umsätze

Ist der Leistungsempfänger ein Unternehmer, befindet sich der Ort der sonstigen Leistung gem. § 3a Abs. 2 UStG im Land des Leistungsempfängers. In dieser Situation ist jedoch der Leistungsempfänger Schuldner der Umsatzsteuer, sodass zwingend das Reverse-Charge-Verfahren anzuwenden ist, gem. § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG. In der Rechnung darf keine Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen sein; stattdessen ist in der Rechnung die Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ aufzunehmen (vgl. § 14a Abs. 5 UStG).

Ihre Ansprechpartner