Kein ermäßigter Steuersatz bei Beherbergungsleistung als einheitliche Reiseleistung

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 19.12.2018, C-552/17, Alpenchalets Resorts GmbH

Praxisproblem

Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des BFH ging es um die Frage, ob eine Leistung, die im Wesentlichen in der Überlassung einer Ferienwohnung besteht und bei der zusätzliche Leistungselemente nur als Neben- zur Hauptleistung anzusehen sind, entsprechend dem EuGH-Urteil Van Ginkel vom 12.11.1992, C-163/91 der Sonderregelung für Reisebüros nach Art. 306 MwStSystRL unterliegt. Für den Fall, dass dies zu bejahen ist, fragte der BFH weiter, ob diese Leistung neben der Sonderregelung für Reisebüros nach Art. 306 MwStSystRL zusätzlich auch der Steuersatzermäßigung für die Beherbergung in Ferienunterkünften im Sinne von Art. 98 Abs. 2 MwStSyStRL iVm mit Anhang III Nummer 12 MwStSystRL unterliegen kann.

Sachverhalt

Die Klägerin vermietete im Streitjahr 2011 im eigenen Namen Häuser im Inland sowie in Österreich und Italien zu Urlaubszwecken an Privatkunden. Sie mietete diese ihrerseits für die Zeiträume der eigenen Vermietung vom jeweiligen Eigentümer an. Die Kundenbetreuung vor Ort erfolgte durch die jeweiligen Eigentümer oder deren Beauftragte. Zu den Leistungen gehörte neben der Bereitstellung der Unterkunft typischerweise auch die Reinigung der Unterkunft sowie gegebenenfalls ein Wäsche- und Semmelservice.

Die Klägerin berechnete die Steuer nach der Margenbesteuerung des § 25 UStG unter Anwendung des Regelsteuersatzes. Später beantragte sie die Änderung der Steuerfestsetzung und die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Das FA lehnte dies ebenso wie das FG ab. Das FG begründete dies damit, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 26 der 6. EG-Richtlinie die Margenbesteuerung für Reiseleistungen anzuwenden sei. Die zusätzliche Anwendung des ermäßigten Steuersatzes komme nicht in Betracht, da die Reiseleistung des § 25 UStG nicht im Katalog der Steuersatzermäßigungen des § 12 Abs. 2 UStG genannt sei.

Der EuGH hatte im Urteil Van Ginkel entschieden, dass Leistungen eines Reiseveranstalters, die nur die Unterkunft und nicht die Beförderung des Reisenden umfassen, nicht vom Anwendungsbereich des Art. 26 der 6. EG-Richtlinie ausgeschlossen sind, da es sonst zu einer komplexen steuerlichen Regelung führen würde, nach der es darauf ankäme, welche Bestandteile die dem Reisenden angebotenen Leistungen umfassten. Gegen die Anwendung der Sonderregelung spreche nicht, dass ein Reiseveranstalter einem Reisenden nur eine Ferienwohnung zur Verfügung stelle. Die vom Reiseveranstalter erbrachte Leistung könne selbst dann mehr als eine Leistung umfassen, wenn nur Unterkunft gewährt werde, da auch dann neben die Vermietung der Wohnung noch Leistungen wie die Unterrichtung und Beratung treten, durch die der Reiseveranstalter für Ferien- und Wohnungsbuchungen eine große Auswahl anbietet.

Der EuGH hatte in der Folgezeit an dieser Rechtsprechung festgehalten. So hatte er im Urteil Minerva-Kulturreisen vom 09.12.2010, C-31/10, präzisiert, dass sich aus dem Urteil Van Ginkel ergibt, „dass der EuGH nicht entschieden habe, dass jede von einem Reisebüro erbrachte Leistung ohne einen Zusammenhang mit einer Reise unter die Sonderregelung des Art. 26 der 6. EG-Richtlinie fällt, sondern, dass die Unterbringungsleistung eines Reisebüros in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt, auch wenn diese Leistung nur die Unterbringung und nicht die Beförderung umfasst.“ Damit ergibt sich aus dem Urteil Van Ginkel auch, „dass eine Leistung, wenn sie nicht mit Reiseleistungen, insbesondere der Beförderung und der Unterbringung, verbunden ist, nicht in den Anwendungsbereich von Art. 26 der 6. EG-Richtlinie fällt“.

Unter Berücksichtigung dieser EuGH-Rechtsprechung hatte der BFH Zweifel, ob die Rechtsprechung des EuGH tatsächlich weiterhin dahingehend verstanden werden soll, dass die bloße Vermietung einer Ferienwohnung, bei der „weitere Leistungen“ wie die Unterrichtung und Beratung hinsichtlich einer großen Auswahl an Ferienwohnungen hinzutritt, die Anwendung der Sonderregelung für Reisebüros hinreichend rechtfertigt. Der BFH meinte, dass auch beachtlich ist, dass es sich bei derartigen Leistungen nur um eine Produktberatung durch den leistenden Unternehmer handelt. So sei es ebenso zum Beispiel beim Verkauf und der Lieferung eines Personenkraftwagens (nach einer Auswahl aus einem größeren Angebot) oder bei der Beratung im Rahmen einer Kreditvermittlung. Dabei handele es sich jeweils nur um eine Nebenleistung, die nur ergänzend zur Hauptleistung hinzutrete.

Der EuGH habe noch nicht entschieden, ob diese neuere Rechtsprechung zu Haupt- und Nebenleistung die Annahme rechtfertigt, dass zusätzliche Leistungen, die nur als Nebenleistung zur Überlassung von Ferienwohnungen hinzutreten, ausreichen, um die Anwendung der Sonderregelung für Reisebüros zu rechtfertigen. Der BFH ging dabei davon aus, dass der Sonderregelung für Reisebüros ein zu großer Anwendungsbereich zukommt, wenn es sich bei der weiteren Leistung, die die Anwendung der Sonderregelung rechtfertigen soll, um eine bloße Nebenleistung handelt. Auch hierdurch komme es zu einer komplexen Regelung.
Die Überlassung einer Ferienwohnung unterliegt für sich betrachtet der Steuersatzermäßigung. Der BFH hatte keine Zweifel, dass es sich unionsrechtlich um eine „Beherbergung in Ferienunterkünften“ i. S. v. Anhang III Nummer 12 MwStSystRL handelt. Der EuGH habe sich aber noch nie mit der Frage beschäftigt, ob auf eine Leistung, die der Sonderregelung für Reisebüros unterliegt, der ermäßigte Steuersatz anzuwenden sein kann.

Der BFH hielt die Anwendung einer Steuersatzermäßigung auf die der Sonderregelung für Reisebüros unterliegenden Umsätze für möglich, aber auch für zweifelhaft. Für eine kombinierte Anwendung von Sonderregelung und Steuersatzermäßigung spreche, für den jeweiligen Umsatz eines Reisebüros zu prüfen, ob nach dem Leistungsgegenstand dieses Umsatzes zugleich auch die Voraussetzungen einer Steuersatzermäßigung erfüllt sind. Unterliegt eine Vermietung im Inland dem ermäßigten Steuersatz mit vollständigem Vorsteuerabzug, müsse dies aus Gründen der Gleichbehandlung auch für die Margenbesteuerung ohne Vorsteuerabzug gelten.

Gegen eine kombinierte Anwendung von Sonderregelung und Steuersatzermäßigung spreche aber, dass die "Umsätze von Reisebüros" i. S. v. Art. 306 MwStSystRL als solche zu betrachten und bereits in dieser Eigenschaft von der Steuersatzermäßigung ausgeschlossen sind, da sie als solche nicht eigens im Anhang III zur Richtlinie aufgeführt sind. Denn die Anwendung der Pauschalregelung verfolge ja auch einen Vereinfachungszweck, der in einer Zusammenfassung der einzelnen Leistungsbestandteile zu einer Leistung besteht. Diesem Vereinfachungszweck könne es zuwiderlaufen, im Zusammenhang mit der Anwendung des Steuersatzes die einzelnen Leistungsbestandteile wieder herauszulösen und gegebenenfalls getrennt zu behandeln.

Entscheidung

Der EuGH hat zunächst seine frühere Rechtsprechung wiederholt, dass die Sonderregelung für Reisebüros gem. Art. 306 MwStSystRL nur anwendbar ist, wenn der Reiseveranstalter zur Veranstaltung der Reise Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen anderer Unternehmer in Anspruch nimmt (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urt. v. 25.10.2012, C-557/11, Kozak). Der BFH habe keine Angaben dazu gemacht, ob es sich bei den Eigentümern oder Betreibern der an die Klägerin vermieteten Ferienwohnungen um Unternehmer handelt. Die weiteren Entscheidungsgrundsätze erfolgten somit nur unter der Annahme der Unternehmereigenschaft der Vermieter.

Sodann bestätigt der EuGH seine bisherige Rechtsprechung, dass die bloße Bereitstellung einer Unterkunft durch den Reiseveranstalter unter die Margenregelung fallen kann. Um den Wünschen der Kundschaft zu entsprechen, böten Reiseveranstalter ganz verschiedene Urlaubs- und Reiseformen an, die es dem Reisenden erlauben, nach seinen Vorstellungen Beförderungs-, Unterkunfts- und sonstige Leistungen zu kombinieren, die die Veranstalter erbringen können. Würden vom Anwendungsbereich von Art. 306 der MwStSystRL Leistungen eines Reiseveranstalters allein deswegen ausgeschlossen, weil sie nur die Unterkunft umfassen, führte das zu einer komplexen steuerlichen Regelung, in der die anwendbaren Vorschriften davon abhingen, welche Bestandteile die dem Reisenden angebotenen Leistungen umfassten. Eine solche Steuerregelung widerspräche den Zielen der MwStSystRL. Somit ist die bloße Überlassung einer von anderen Unternehmern angemieteten Ferienwohnung durch einen Reiseveranstalter oder eine solche Überlassung einer Ferienwohnung mit zusätzlichen, als Nebenleistungen einzustufenden Leistungselementen unabhängig von dem Stellenwert dieser zusätzlichen Leistungen jeweils eine einheitliche Leistung, die der Margenbesteuerung von Reiseleistungen unterliegt.

Die zweite Frage des BFH nach einer etwaigen Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes für die Überlassung einer Ferienwohnung als Beherbergungsleistung hat der EuGH verneint. Bereits nach dem Wortlaut von Art. 307 MwStSystRL gelten die zur Durchführung der Reise vom Reiseveranstalter unter den Voraussetzungen von Art. 306 MwStSystRL bewirkten Umsätze als eine einheitliche Dienstleistung. Da die in der Beherbergung in Ferienunterkünften bestehende Leistung unter die Margenregelung fällt, folgt ihre steuerliche Behandlung daher nicht den für die Beherbergung in Ferienunterkünften geltenden Regeln, sondern richtet sich nach der Differenzbesteuerung für die einheitliche Dienstleistung des Reiseveranstalters. Auch ist, so der EuGH, nach Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL der ermäßigte Steuersatz nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III MwStSystRL genannten Kategorien anwendbar. Die einheitliche Dienstleistung des Reiseveranstalters im Sinne von Art. 307 MwStSystRL ist dort aber nicht aufgeführt.

Praxishinweis

Wäre die erste Vorlagefrage des BFH verneint worden, was nicht geschehen ist, hätte die Klägerin nur die Vermietung von Ferienwohnungen, die im Inland gelegen sind, nicht aber auch die Vermietung von Ferienwohnungen, die im Ausland gelegen sind, im Inland zu versteuern gehabt. Die Vermietung der im Inland gelegenen Ferienwohnungen hätte zudem dem ermäßigten Steuersatz unterlegen, wobei die Klägerin aus der Anmietung zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen wäre. Dies ist nach dem Urteil nicht der Fall. Die Vermietung einer Ferienwohnung als Reiseleistung wird am Sitzort des leistenden Unternehmers erbracht. Sie unterliegt auch nicht dem ermäßigten Steuersatz, weil es sich nicht um eine Beherbergungsleistung, sondern um eine Reiseleistung handelt, die als einheitliche Leistung anzusehen ist und dem Normalsteuersatz unterliegt.

Da der EuGH die Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes ausgeschlossen hat, kann bei der Vermietung von Ferienwohnungen nicht in die eigentliche Vermietungsleistung und weitere Leistungen wie z. B. Frühstück (weil dieses bei Beherbergungsleistungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG vom Anwendungsbereich der Steuersatzermäßigung ausgeschlossen ist) aufgeteilt werden. Die Leistungen unterliegen als einheitliche Dienstleistung ohne Ausnahme dem Normalsteuersatz.

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