BMF zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG im Insolvenzverfahren

Anmerkung zu: BMF-Schreiben v. 03.07.2017

Praxisproblem

Ändert sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Der Vorsteuerabzug ist zu berichtigen, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt wurden, geändert haben.

Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG gilt Abs. 1 dieser Vorschrift sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen.

Uneinbringlich ist ein Entgelt i. S. d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich wird durchsetzen können. Auch ein vom Leistenden bereits vereinnahmtes Entgelt kann aufgrund einer Rückgewähr nachträglich uneinbringlich werden und zu einer Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 UStG führen.

Nach den Grundsätzen der BFH-Urteile v. 15.12.2016, V R 26/16, und v. 29.03.2017, XI R 5/16, führt eine Rückzahlung eines bereits entrichteten Entgelts an den Insolvenzverwalter, welche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und aufgrund einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO erfolgt, zu einer Vorsteuerberichtigung gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs ist zum Zeitpunkt der tatsächlichen Entgeltrückgewähr vorzunehmen und nicht bereits bei Entstehung des (zivilrechtlichen) Anspruchs auf Rückgewähr. Die Berichtigungsansprüche nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG entstehen dann regelmäßig im Rahmen der Masseverwaltung und erhöhen die gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 InsO als Masseverbindlichkeit festzusetzende Umsatzsteuerschuld.

Sachverhalt

Dem BFH-Urteil V R 26/16 lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Über das Vermögen des X wurde am 12.05.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter reichte für die Insolvenzmasse eine Umsatzsteuererklärung ein. Unter der Steuernummer des Insolvenzschuldners reichte der Insolvenzverwalter eine (weitere) Umsatzsteuererklärung ein, in der er nur eine Vorsteuerberichtigung nach § 17 UStG für die nach erfolgreicher Anfechtung von Gläubigern nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückerhaltenen Beträge berücksichtigte.

Das beklagte Finanzamt vertrat abweichend vom Kläger die Auffassung, dass die Umsatzsteuer aus dem rückgängig gemachten Vorsteuerabzug für die eingegangene Zahlung bei der Insolvenzmasse und nicht unter der Steuernummer des Insolvenzschuldners zu berücksichtigen sei. Die Änderung der Bemessungsgrundlage trete erst nachträglich ein, sodass die Berichtigung nicht rückwirkend erfolge und insbesondere nicht die Rückgängigmachung des damaligen Vorsteuerabzugs bedeute. Vielmehr seien die Voraussetzungen der Berichtigung erstmals zum Zeitpunkt der Vereinnahmung der angefochtenen Beträge durch den Insolvenzverwalter erfüllt. Die Anfechtung wirke nur zivilrechtlich zurück und lasse die umsatzsteuerlichen Folgen im Berichtigungszeitraum eintreten.

Der BFH ist der Auffassung, dass mit der Rückgewähr der an die Gläubiger zunächst geleisteten Zahlungen nach erfolgreicher Anfechtung durch den Insolvenzverwalter auch der vom Insolvenzschuldner vorgenommene Vorsteuerabzug rückgängig zu machen ist. Dies folge aus § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG. Der BFH führte weiter aus, dass die Berichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen ist, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Dies ergebe sich unmittelbar aus § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG. Im Streitfall handele es sich um die Rückgewähr von Ansprüchen aufgrund erfolgreicher Anfechtung von Gläubigern nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Folglich kann auch erst zu diesem Zeitpunkt die Änderung der Bemessungsgrundlage eintreten und mithin die vollständige Verwirklichung bzw. der Abschluss des den Umsatzsteueranspruch begründenden Tatbestands des § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG gegeben sein.

Entscheidung

Die Verwaltung hat mit BMF-Schreiben v. 03.07.2017 auf die BFH-Rechtsprechung reagiert und in Abschnitt 17.1 UStAE einen neuen Absatz 17 angefügt, wonach Folgendes gilt: Wird aufgrund einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO ein bereits entrichtetes Entgelt für eine vom Insolvenzschuldner bezogene Leistung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Insolvenzverwalter zurückgezahlt, ist der Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG durch den Insolvenzverwalter zum Zeitpunkt der tatsächlichen Entgeltrückgewähr zu berichtigen. Der Berichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG entsteht dann im Rahmen der Masseverwaltung und stellt folglich nach § 55 Abs. 1 Satz 1 InsO eine Masseverbindlichkeit dar.

Praxishinweis

Wird eine vom Insolvenzschuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleistete Entgeltzahlung für eine bezogene Leistung erfolgreich nach §§ 129 ff. InsO vom Insolvenzverwalter angefochten und das Entgelt zurückgezahlt, ist der Vorsteuerabzug gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs ist aber erst zum Zeitpunkt der tatsächlichen Entgeltrückgewähr an den Insolvenzverwalter vorzunehmen und nicht bereits bei Entstehung des zivilrechtlichen Anspruchs auf Rückgewähr. Denn erst mit der Rückzahlung des Entgelts wird dieses nachträglich uneinbringlich, so dass der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand erst zu diesem Zeitpunkt eintreten kann.

Da sich die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten danach bestimmt, ob der den Anspruch begründende Tatbestand vor oder nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und abgeschlossen ist, entsteht der Anspruch auf Berichtigung des Vorsteuerabzugs infolge der Rückgewähr einer insolvenzrechtlich angefochtenen Entgeltzahlung gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG regelmäßig im Rahmen der Masseverwaltung und erhöht die gem. § 55 Abs. 1 Satz 1 InsO als Masseverbindlichkeit festzusetzende Umsatzsteuerjahresschuld, welche gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen ist.

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