FG Münster zur Frage, ob eine nach § 14 c UStG geschuldete Steuer nach Rechnungsberichtigung rückwirkend entfällt

Anmerkung zu: FG Münster, Urt. v. 25.09.2014, 5 K 1766/14

Praxisproblem

Weist der leistende Unternehmer in einer Rechnung Umsatzsteuer offen aus, obwohl z.B. der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist, schuldet der leistende Unternehmer diese Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG (vgl. BFH v. 19.11.2014, V R 41/13). Berichtigt in Fällen des § 14c Abs. 1 UStG der Rechnungsaussteller den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 UStG entsprechend anzuwenden (§ 14c Abs. 1 Satz 2 UStG). Eine Rechnung kann nach § 14 Abs. 6 Nr. 5 UStG i. V. m. § 31 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b UStDV berichtigt werden, wenn Angaben in der Rechnung unzutreffend sind. Zur Berichtigung müssen die fehlenden oder unzutreffenden Angaben durch ein Dokument, das spezifisch und eindeutig auf die Rechnung bezogen ist, übermittelt werden; es gelten die gleichen Anforderungen an Form und Inhalt wie in § 14 des Gesetzes (§ 31 Abs. 5 Satz 2 und 3 UStDV). Die Berichtigung des Steuerbetrags muss durch den Leistenden gegenüber dem Leistungsempfänger erfolgen. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass dem Leistungsempfänger eine hinreichend bestimmte, schriftliche Berichtigung der Rechnung zugeht. Die Rückgabe der ursprünglichen Rechnung ist nicht erforderlich. Auch muss keine zivilrechtlich richtige Rechnung erteilt, sondern nur der Steuerbetrag berichtigt werden. Die Berichtigung muss danach nicht alle Angaben des § 14 Abs. 4 UStG enthalten. Fraglich ist, ob der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des EuGH einer Rechnungsberichtigung beim Vorsteuerabzug unter bestimmten Voraussetzungen Rückwirkung zukommen kann, in den Fällen des § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG zu der gleichen Beurteilung führt, so dass eine Rechnung im Sinne § 14c mit Rückwirkung berichtigt werden kann.

Sachverhalt

Eine GbR erbrachte in den Streitjahren 1992 - 2000 Rechtsanwaltsleistungen an russische Aussiedler. Die GbR behandelte einen Teil der Mandate, bei denen im Inland wohnende Kontaktpersonen der ausländischen Übersiedlungswilligen Honorarzahlungen an die GbR geleistet hatten, als umsatzsteuerpflichtig. In den Rechnungen der GbR an die Aussiedler war ein Bruttohonorar inkl.  USt ausgewiesen. In den Jahren 2009 und 2010 berichtigte der Kläger die Rechnungen an die Aussiedler und wies die USt nicht mehr offen aus. Das FA nahm daraufhin für 2009 und 2010 Umsatzsteuererstattungen an den Kläger vor. Der Kläger beantragte die rückwirkende Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 1992 - 2000. Er meinte, nach der neueren EuGH-Rechtsprechung vom 15.07.2010, C-368/09, Pannon Gep Centrum, wirkten die Rechnungsberichtigungen zurück. Aus Vereinfachungsgründen könne eine Berichtigung der Steuerfestsetzungen für diese Jahre aber unterbleiben. Allerdings sei trotzdem eine Verzinsung zu seinen Gunsten vorzunehmen.

Entscheidung

Das FG hat u. a. entschieden, eine Änderung gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO kommt nicht in Betracht. Die Berichtigung einer inhaltlich falschen Rechnung sei kein „rückwirkendes Ereignis“ im Sinne dieser Vorschrift. Der Begriff „Ereignis“ i. S. v. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO umfasse alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge. Die nach dem Steuertatbestand rechtserhebliche Sachverhaltsänderung müsse sich steuerlich in der Vergangenheit auswirken und zwar dergestalt, dass anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts nunmehr der veränderte Sachverhalt der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Dabei bestimme sich allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht, ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt. Für den Fall der Rechnungsberichtigung sei ausdrücklich geregelt, dass keine Rückwirkung eintritt. Gemäß § 17 Abs. 1 UStG, der gem. § 14 Abs. 2 bzw. § 14c Abs. 1 UStG entsprechend anwendbar ist, müsse der Unternehmer den geschuldeten Steuerbetrag in dem Besteuerungszeitraum berichtigen, in dem die Rechnungsberichtigung vorgenommen wurde. Eine rückwirkende Berichtigung unzutreffend ausgewiesener Steuer widerspreche dem Regelungszweck des § 17 Abs. 1 UStG. § 17 UStG und sei eine abschließende Spezialregelung, die eine steuerliche Rückwirkung der dort erfassten Ereignisse gemäß § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO ausschließt. Eine Rechnungsberichtigung habe somit keine Rückwirkung auf den Besteuerungszeitraum der Rechnungserteilung.

Praxishinweis

Im Gegensatz zur geltenden nationalen Rechtslage, die einer ordnungsgemäßen Rechnung eine materiell-rechtliche Funktion für die Ausübung des Vorsteuerabzugs zukommen lässt, sieht der EuGH spätestens seit seinem Urteil v. 15.09.2016, C-518/14, Senatex, im Besitz einer Rechnung i. S. d. Art. 226 MwStSystRL eine (lediglich) formelle Voraussetzung für das Recht auf Vorsteuerabzug. Damit ist die bisherige BFH-Rechtsprechung, wonach eine nach den §§ 14 und 14a UStG ausgestellte Rechnung als materiell-rechtliche Voraussetzung für den Vorsteuerabzug angesehen wurde, insoweit überholt. In engem Zusammenhang mit der „Senatex“-Entscheidung des EuGH steht das EuGH-Urteil v. 15.09.2016, C-516/14, Barlis. Danach kann die Finanzverwaltung das Recht auf Vorsteuerabzug nicht allein deshalb verweigern, weil eine Rechnung nicht die in Art. 226 Nr. 6 und 7 MwStSystRL aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, wenn die Verwaltung über sämtliche Daten verfügt, um zu prüfen, ob die materiellen Vorsteuerabzugsvoraussetzungen erfüllt sind.

Der BFH ist inzwischen der Rechtsprechung des EuGH gefolgt, wonach eine fehlerhafte Rechnung mit Blick auf den Vorsteuerabzug grds. rückwirkend berichtigt werden kann und eine Verzinsung zu Lasten des Unternehmers, der aus einer fehlerhaften Rechnung den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat, nicht mehr in Betracht kommen kann (vgl. BFH, Urt. v. 20.10.2016, V R 54/14, V R 26/15 bzw. V R 64/14). Der BFH hat inzwischen aber auch die Rechtsprechung des FG Münster bestätigt, dass in den Fällen von Rechnungen mit unzutreffendem Steuerausweis nach § 14c UStG, eine rückwirkende Rechnungsberichtigung nicht möglich ist. Wie sich aus der Verweisung in § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG auf § 17 Abs. 1 UStG ergibt, wirkt die Rechnungsberichtigung erst für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung ohne Rückwirkung auf den Besteuerungszeitraum der Rechnungserteilung. Jede andere Auslegung ist nach Auffassung des BFH mit dem Normzweck des § 14c UStG und des Art. 203 MwStSystRL, einer Gefährdung des Steueraufkommens durch einen unzutreffenden Steuerausweis in Rechnungen entgegenzuwirken, nicht zu vereinbaren (vgl. BFH, Urt. v. 12.10.2016, XI R 43/14).

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