BAG zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim Mitarbeiterscreening

Anmerkung zu: BAG, Urt. v. 19.12.2017, 1 ABR 32/16

Praxisproblem

Exportkontrollrechtliche Vorschriften der Europäischen Union untersagen es den Wirtschaftsbeteiligten, „Gelder und wirtschaftliche Ressourcen“ an bestimmte natürliche oder juristische Personen zur Verfügung zu stellen (sog. Bereitstellungsverbot). Die auf diese Weise sanktionierten Personen werden namentlich in den Anhängen zu den Sanktionsverordnungen (Sanktionslisten) aufgeführt und über weitere Merkmale wie bspw. den Wohnort, das Geburtsdatum oder die Nationalität individualisiert. Neben den sog. Terrorismusverordnungen VO (EG) Nr. 2580/2001, VO (EG) Nr. 881/2002, VO (EU) Nr. 753/2011 enthalten auch die länderbezogenen Embargoverordnungen in aller Regel solche personenbezogenen Sanktionen.

Um Verstöße gegen die Bereitstellungsverbote effektiv und mit vertretbarem Aufwand zu vermeiden, führen Unternehmen automatisierte Sanktionslistenprüfungen durch. Dazu bedienen sie sich unterschiedlicher Softwarelösungen, die anhand einzuspeisender Daten einen Abgleich mit den jeweils aktuellen Sanktionslisten durchführen. Etwaige „Treffer“, d. h. (Teil-) Übereinstimmungen der eingegebenen Daten mit den Merkmalen auf den Sanktionslisten werden einer manuellen Prüfung unterzogen, um festzustellen, ob eine tatsächliche Identitätsübereinstimmung vorliegt.

Die Bereitstellungsverbote sind weit gefasst und unterscheiden nicht danach, in welcher Beziehung der Rechtsunterworfene zur sanktionierten Person steht. Daher müssen die Wirtschaftsbeteiligten diese Verbote nicht nur bezogen auf ihre Lieferanten und Kunden beachten, sondern auch bezogen auf ihre eigenen Angestellten. Letzteren werden monatlich „Gelder“ in Form von Gehältern zur Verfügung gestellt. Daher müssen die Arbeitgeber ausschließen, dass einer ihrer Arbeitnehmer mit einem Bereitstellungsverbot belegt ist. Die dazu durchgeführten Abgleiche der Mitarbeiterstammdaten mit den Einträgen auf den Sanktionslisten (sog. Mitarbeiterscreening) werfen neben datenschutzrechtlichen auch kollektivarbeitsrechtliche Fragen auf. So war bisher etwa umstritten, ob dem Betriebsrat bei Ein- und Durchführung von Mitarbeiterscreenings ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zusteht.

Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht in dem nun veröffentlichten Urt. v. 19.12.2017 beantwortet. Danach hat der Betriebsrat kein Recht, bei den unternehmensinternen Mitarbeiterscreenings mitzubestimmen.

Sachverhalt

Ein für zwei Betriebe gebildeter Gesamtbetriebsrat beantragte beim Arbeitsgericht Magdeburg die Feststellung, dass ihm ein Mitbestimmungsrecht nach dem Betriebsverfassungsgesetz zustehe. Er führte aus, es handele sich bei dem automatisierten Mitarbeiterscreening um eine Einrichtung, die dazu bestimmt sei, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, weshalb dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei „Einführung und Anwendung“ zustehe (vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) (ergänzender Hinweis: Gesetzliche oder tarifliche Regelungen bestanden nicht). Diesem Antrag gab das Arbeitsgericht Magdeburg nicht statt (Urt. v. 28.08.2013, 7 BV 14/13). Gegen den abweisenden Beschluss legte der Antragsteller Beschwerde zum Landesarbeitsgericht Sachsen ein. Dieses wies – unter Zulassung der Revision – die Beschwerde ab (Urt. v. 20.01.2016, 4 TaBV 29/13). Schließlich blieb der Betriebsrat auch mit seiner vor dem BAG eingelegten Revision erfolglos.

Entscheidung

Damit dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zustehe – so der Erste Senat des BAG – müsse es sich bei dem automatisierten Mitarbeiterscreening zunächst um eine technische Überwachungseinrichtung handeln. Eine „Überwachung“ i. S. d. Norm setzte voraus, dass Informationen auf technische Weise erhoben und (zumindest vorübergehend) gespeichert würden. Diese Anforderung erfülle das Mitarbeiterscreening nicht, sodass bereits das Merkmal „Überwachungstechnik“ nicht erfüllt sei. Beim Abgleich mit den Sanktionslisten erfolge keine Erhebung und/oder Speicherung von (neuen) Informationen. Vielmehr würden bereits vorhandene Informationen (in aller Regel die Mitarbeiterstammdaten) mit anderen Informationen (die Merkmale der Sanktionslisteneinträge) abgeglichen. Auf diese Weise entstehe eine neue Information, die etwas darüber aussage, ob (und wenn ja inwieweit) eine Übereinstimmung der eingegebenen Informationen mit den Referenzinformationen der Sanktionslisten vorliege.

Der Senat führt weiter aus, dass ein Mitbestimmungsrecht nur dann bestehe, wenn der Arbeitgeber die Erfassung des Verhaltens (insb. die Leistung) der Arbeitnehmer bezwecke. Dies sei beim Sanktionslistenscreening jedoch nicht der Fall. Der Abgleich der Daten treffe keine Aussage über das tatsächliche Verhalten eines Arbeitnehmers. Nach Sinn und Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG greife deshalb das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht. Dieses diene nur dem Schutz der Arbeitnehmer davor, „zum Objekt einer Überwachungstechnik“ gemacht zu werden. Derartige „Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts“ drohten jedoch nicht beim Mitarbeiterscreening, da dieses – wie ausgeführt – weder eine Überwachungstechnik sei, noch den Zweck verfolge, Verhaltens- und Leistungsdaten zu erfassen.

Praxishinweis

Mit der Entscheidung des BAG ist nun höchstrichterlich entschieden, dass Betriebsräten bei der Einführung von Mitarbeiterscreenings kein Mitbestimmungsrecht zusteht. Der Arbeitgeber bzw. die Unternehmensführung kann ohne Beteiligung des Betriebsrats entscheiden, wie das Screening technisch umgesetzt wird (Wahl des Softwareanbieters), in welchen Abständen Screenings erfolgen, mit welcher Übereinstimmungsgenauigkeit die Überprüfung erfolgt und welche manuellen Folgemaßnahmen bei „Treffern“ ergriffen werden. Es ist nur folgerichtig, dass diese Entscheidungen allein dem Arbeitgeber obliegen. Schließlich ist er es, dem bei Verstößen aufgrund von Organisationsverschulden neben dem Reputationsschaden auch die straf- bzw. bußgeldrechtlichen Konsequenzen drohen.

In einem nächsten Schritt stellt sich die Frage, ob der Betriebsrat (wenn ihm schon kein Mitbestimmungsrecht zusteht) jedenfalls ein Recht hat, über Mitarbeiterscreenings unterrichtet zu werden, § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG. Diese Frage wurde vom BAG zwar in Bezug auf das Mitarbeiterscreening noch nicht entschieden, jedoch zeichnet die Rechtsprechung des BAG ein deutliches Bild. Ein Unterrichtungsanspruch aus § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG besteht immer dann, wenn „die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist“ (BAG Beschluss vom 17.9.2013, 1 ABR 26/12). Da dem Betriebsrat jedoch bereits nicht die Aufgabe zusteht, über die Durchführung des Mitarbeiterscreenings mitzubestimmen, hat er auch kein nachgelagertes Recht darauf, über Mitarbeiterscreenings unterrichtet zu werden.

Ihre Ansprechpartner