BMF zur Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 26 UStG für ehrenamtliche Tätigkeiten

Anmerkung zum BMF-Schreiben v. 08.06.2017, III C 3 - S 7185/09/10001-06

Praxisproblem

Mit Urteil v. 17.12.2015, V R 45/14 hatte der BFH entschieden, dass die Tätigkeit als Vorstands- und Ausschussmitglied eines Sparkassenverbandes nicht vom Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit i.S.v. § 4 Nr. 26 UStG umfasst wird. Beide Alternativen – sowohl Buchstabe a als auch Buchstabe b – des § 4 Nr. 26 UStG setzten das Vorliegen einer ehrenamtlichen Tätigkeit voraus. Als ehrenamtlich seien nach ständiger Rechtsprechung jene Tätigkeiten anzusehen, die in einem anderen Gesetz als dem UStG ausdrücklich als solche genannt werden, die man im allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicherweise als ehrenamtlich bezeichnet oder die vom materiellen Begriff der Ehrenamtlichkeit umfasst werden. Die Satzung des Sparkassenverbandes sei kein Gesetz im Sinne der Rechtsprechung zu § 4 Nr. 26 UStG.

Der von der Rechtsprechung zur Definition und Auslegung der ehrenamtlichen Tätigkeit des § 4 Nr. 26 UStG verwendete Gesetzesbegriff sei enger als der des § 4 AO. Diese richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Nr. 26 UStG sei durch das Unionsrecht geboten und insoweit sei die zu weit gefasste Regelung des nationalen Rechts einschränkend auszulegen.

Entscheidung

Aufgrund dieser BFH-Rechtsprechung hat die Verwaltung mit BMF-Schreiben v. 08.06.2017 ihre Auffassung zum Anwendungsbereich der Steuerbefreiung für ehrenamtliche Tätigkeit konkretisiert. Danach ist eine Tätigkeit, die in einem anderen Gesetz oder im allgemeinen Sprachgebrauch als ehrenamtlich bezeichnet wird, nicht zwangsläufig nach § 4 Nr. 26 UStG umsatzsteuerfrei. Ein Automatismus, der jegliche weitere Prüfung mit Bezug zum rechtlichen Kern des Begriffs „Ehrenamt“ von vornherein ausschließt, entspricht nach der Verwaltungsauffassung nicht dem Sinn und Zweck der Umsatzsteuerbefreiung. Eine weitergehende Überprüfung anhand der Kriterien des materiellen Begriffs der Ehrenamtlichkeit ist aber dann, wenn die Tätigkeit des Unternehmers für den Hoheitsbereich einer jPöR (vgl. Abschn. 4.26.1 Abs. 2 Satz 1 UStAE) in einem formellen oder materiellen Gesetz ausdrücklich als ehrenamtlich bezeichnet ist, nur ausnahmsweise in den Fällen erforderlich, in denen die Anwendung des Begriffs der Ehrenamtlichkeit auf die Tätigkeit mit der gebotenen engen Auslegung dieses Begriffs ausnahmsweise nicht mehr vereinbar ist, insbesondere wenn sie in einem Umfang ausgeführt wird, bei dem die Annahme einer beruflichen Ausübung nicht mehr ausgeschlossen werden kann.

Abschnitt 4.26.1 Abs. 1 UStAE wurde mit dem BMF-Schreiben im Wesentlichen neu gefasst. Die Annahme der Ehrenamtlichkeit kraft gesetzlicher Regelung erfordert danach die Benennung in einem materiellen oder formellen Gesetz. Eine Ehrenamtlichkeit kraft gesetzlicher Regelung ist allerdings nicht anzunehmen, wenn es sich um eine Bestimmung in einer im Bereich der Selbstverwaltung erlassenen Satzung handelt. Die Tätigkeit im Aufsichtsrat einer Volksbank wird im allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicherweise nicht als ehrenamtlich bezeichnet. Ergibt sich die Bezeichnung „ehrenamtlich“ weder aus einem Gesetz noch lässt sich ein diesbezüglicher Sprachgebrauch ermitteln, bedarf es einer Bestimmung des materiellen Begriffsinhalts. Im öffentlich-rechtlichen Bereich ist darunter die unentgeltliche Mitwirkung natürlicher Personen bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu verstehen, die auf Grund behördlicher Bestellung außerhalb eines haupt- oder nebenamtlichen Dienstverhältnisses stattfindet und für die lediglich eine Entschädigung besonderer Art gezahlt wird. Bei einer Tätigkeit für den nicht-öffentlichen Bereich kommt es nach dem materiellen Begriffsinhalt auf das Fehlen eines eigennützigen Erwerbsstrebens, die fehlende Hauptberuflichkeit und den Einsatz für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung an. Danach kann sowohl die Tätigkeit eines Ratsmitgliedes im Aufsichtsrat einer kommunalen Eigengesellschaft als auch die Tätigkeit in Gremien der berufsständischen Kammern und Verbände eine ehrenamtliche Tätigkeit i.S.v. § 4 Nr. 26 UStG sein.

Praxishinweis

Dass die Bezeichnung einer Tätigkeit als Ehrenamt in einem materiellen Gesetz für die Annahme einer Befreiung nicht genügt, hatte sich bereits aus den BFH-Urteilen v. 20.08.2009, V R 32/08 und v. 14.05.2008, XI R 70/07 ergeben. Das BFH-Urteil . 17.12.2015, V R 45/14 ist daher vom Ergebnis – Versagung der Steuerbefreiung auch bei einem Vorstandsmitglied einer Sparkasse – nicht überraschend. Bereits aufgrund der genannten früheren Urteile des BFH hatte die Verwaltung die Auffassung vertreten, dass die Ehrenamtlichkeit kraft gesetzlicher Regelung nicht anzunehmen ist, wenn es sich um eine Bestimmung in einer im Bereich der Selbstverwaltung erlassenen Satzung handelt.

Darüber hinaus ist, wie der BFH  ausführt, eine enge Auslegung des § 4 Nr. 26 UStG bereits durch das Unionsrecht geboten. Denn einerseits beruht die Steuerbefreiung für ehrenamtliche Tätigkeiten lediglich auf einer Protokollerklärung zu Art. 4 der 6. EG-Richtlinie, deren Anwendungsbereich und Reichweite mit Blick auf den im nationalen Recht umsatzsteuerlich befreiten Bereich nicht unumstritten ist. Andererseits sind Steuerbefreiungen stets eng auszulegen, weil sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt.

Der Prüfungsumfang zum Ehrenamtlichkeitsbegriff muss regelmäßig sicherstellen, dass eine als ehrenamtlich bezeichnete Tätigkeit tatsächlich entsprechend wahrgenommen wird. Die Steuerverwaltung hat dies zu prüfen, da gem. § 3 Abs. 1 AO die Besteuerung bei Erfüllung des Tatbestands zu erfolgen hat. Das für den ehrenamtlich tätigen Steuerpflichtigen zuständige Finanzamt wird regelmäßig grundsätzlich davon ausgehen, dass eine in einem Gesetz oder einer Verordnung als ehrenamtlich bezeichnete Tätigkeit für eine jPöR auch ehrenamtlich ausgeübt wird. Dies sollte im Rahmen der Aufsicht durch die zuständigen Aufsichtsbehörden über die jPöR sichergestellt sein und dürfte daher im Regelfall keiner weiteren Überprüfung durch das Finanzamt bedürfen. Dies schließt aber nicht aus, dass im Einzelfall eine Tätigkeit in einem zeitlichen Umfang wahrgenommen und entlohnt wird, die mit dem Begriff „Ehrenamtlichkeit“ nicht mehr in Einklang gebracht werden kann, weil alle Indikatoren auf eine hauptberufliche Betätigung hindeuten.

Für den Bereich der Ehrenamtlichkeit der Tätigkeit der Präsidenten und Vorstände der Steuerberaterkammern hat die nun klargestellte Verwaltungsauffassung zur Folge, dass auch eine etwaige Anpassung des StBerG, die einer Ungleichbehandlung gegenüber anderen Berufsgruppen, die die Ehrenamtlichkeit ihrer Organe in entsprechenden (formellen) Berufsgesetzen geregelt haben, entgegen wirken würde, keine prüfungsfreie Anwendung des § 4 Nr. 26 UStG rechtfertigt. Hinzu kommt, dass die Verwaltungsauffassung auch für diejenigen Berufsgruppen mit (zukünftigen) Auswirkungen verbunden sein wird, die auf Grund der Nennung der Ehrenamtlichkeit in einem formellen Gesetz und der Annahme einer daraus resultierenden Steuerbefreiung, von einer weitergehenden Prüfung bislang abgesehen und die Tätigkeit stets unter der Maßgabe von § 4 Nr. 26 UStG (bislang) steuerfrei gestellt haben.

Offenbar mit Rücksicht auf diese Aspekte enthält das BMF-Schreiben eine Übergangsregelung. Für bis zum 31.12.2018 für juristische Persönen des öffentlichen Recht (jPöR9 ausgeführte Umsätze wird es von der Verwaltung nicht beanstandet, wenn sich der ehrenamtlich Tätige zur Begründung der Umsatzsteuerfreiheit der Umsätze auf die Benennung der Ehrenamtlichkeit in einer, auch im Rahmen der Satzungsautonomie erstellten, öffentlich-rechtlichen Satzung beruft, es sei denn, die Anwendung des Begriffs der Ehrenamtlichkeit auf seine Tätigkeit ist mit der gebotenen engen Auslegung des Begriffs der Ehrenamtlichkeit ausnahmsweise nicht mehr vereinbar, insbesondere dann, wenn sie in einem Umfang ausgeführt wird, bei dem die Annahme einer beruflichen Ausübung nicht mehr ausgeschlossen werden kann.

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