FG Düsseldorf zur Zahlung von Erstattungszinsen für Zollbeträge

Anmerkung zu: FG Düsseldorf, Urt. v. 03.05.2017, 4 K 3268/14 Z

Praxisproblem

Sofern Zollbeträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist die Erstattung dieser Beträge im Rahmen des seit dem 01.05.2016 geltenden Zollrecht gem. Art. 117 des Unionszollkodex UZK (bzw. für den Zeitraum davor gem. Art. 236 des EG-Zollkodex ZK) vorgesehen. Problematisch ist aber in diesem Zusammenhang, ob der Zollschuldner Zinsen auf die von ihm geleisteten Zahlungen erhält und ab welchem Zeitpunkt die Zahlung dieser Zinsen erfolgt.

Für das vor dem 01.05.2016 geltende Zollrecht verweist Art. 241 S. 2, Anstrich 2 ZK als Ausnahme zu dem in Art. 241 S. 1 ZK geregelten Grundsatz, dass keine Erstattungszinsen zu zahlen sind, auf das nationale Recht. In Deutschland ist in in § 236 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) für Erstattungsbeträge geregelt, dass die Verzinsung erst ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, also ab Erhebung der finanzgerichtlichen Klage (§ 66 der Finanzgerichtsordnung FGO), erfolgen soll. Für den Zeitraum davor, also ab Zahlung der Zollbeträge, ist vom Gesetz her eine Erstattung von Zinsen nicht ausdrücklich vorgesehen.

Entscheidung

Mit dem Urteil „Wortmann“ (EuGH, Urt. v. 18.01.2017, C-365/15) hatte der EuGH zu dieser Fragestellung Klarheit geschaffen. Das klagende Unternehmen, die Wortmann KG Internationale Schuhproduktionen, hatte Antidumpingzölle auf Basis einer Antidumpingverordnung entrichtet, die später für rechtswidrig erklärt wurde. Der EuGH war der Auffassung, dass die Regelung des Art. 241 S. 1 ZK aF. in der gegebenen Fallkonstellation nicht anwendbar sei. Im Fall der Erstattung einer von einem EU-Mitgliedstaat rechtswidrig erhobenen Abgabe dürfe dem Abgabenpflichtigen eine angemessene Entschädigung für die Einbußen, die er durch die zu Unrecht gezahlte Abgabe erlitten hat, nicht vorenthalten werden. Von einer solchen Vorenthaltung ist dann schon auszugehen, wenn die einzelstaatliche Zinsregelung eine Berechnung nicht schon ab dem Tag der zu Unrecht erfolgten Zahlung vorsieht.

Der EuGH entschied hierzu Folgendes: „Werden Einfuhrabgaben, zu denen auch Antidumpingzölle gehören, deshalb erstattet, weil sie unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben wurden, was zu Prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, besteht eine unionsrechtliche Pflicht der Mitgliedstaa-ten, Rechtsuchenden, die einen Anspruch auf die Erstattung der entrichteten Beträge haben, diese ab dem Zeitpunkt ihrer Entrichtung zu verzinsen.“ Eine ausführliche Darstellung des Urteils „Wortmann“ ist bereits in der Januar-Ausgabe des AWB-Newsletters enthalten.

Mit seinem Urteil vom 03.05.2017, 4 K 3268/14 Z brachte das FG Düsseldorf das Verfahren nunmehr in der ersten Instanz zum Abschluss.

Im weiteren Verfahren führte das beklagte Hauptzollamt insbesondere aus, dass das EuGH-Urteil „Wortmann“ keine konkrete Anspruchsgrundlage für die Klägerin begründe. Zudem sei davon auszugehen, dass Wortmann die Antidumpingzölle bereits auf seine Kunden abgewälzt habe, sodass die Erstattung von Zinsen insoweit zu einer ungerechtfertigten Bereicherung von Wortmann führen würde. Eine direkte Anwendbarkeit der AO und des Zinssatzes gem. § 238 AO (Jahreszinssatz von 6 %) komme nicht in Betracht, da eine Verzinsung von Eigenmitteln der EU aufgrund des EuGH-Urteils infolge der Nichtigkeit von Legislativunrecht der EU zu beurteilen sei. Die Zinshöhe sei weder mit dem Binnenmarkt noch mit dem Willen des Unionsgesetzgebers vereinbar. Auch wenn Art. 112 UZK nicht anwendbar sei, sei eine hilfsweise Heranziehung der dort genannten Zinssätze eher anzunehmen.

Das FG Düsseldorf stimmte diesen Ausführungen nicht zu. Entgegen der Rechtsauffassung des beklagten Hauptzollamts bestehe eine Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Zinsanspruch, nämlich in Form der unionsrechtlichen Pflicht der Mitgliedstaaten, Einfuhrabgabenbeträge, zu denen auch entrichtete Antidumpingzölle gehören, ab dem Zeitpunkt ihrer Entrichtung zu verzinsen, wenn die Abgaben deshalb zu erstatten waren, weil sie unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben worden waren.

Auch habe Wortmann einen Zinsschaden erlitten, der in den Einbußen aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Geldbeträgen infolge der Erhebung von Antidumpingzoll bestehe.

Die Höhe des Zinsanspruchs sei nach § 238 AO zu ermitteln, da es in Ermangelung einer EU-Regelung der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten zukomme, die Bedingungen für die Zahlung solcher Zinsen, insbesondere den Zinssatz und die Berechnungsmethode für die Zinsen festzulegen. Gem. § 1 Abs. 3 AO i.V.m. § 3 Abs. 4 AO seien die Vorschriften der Abgabenordnung auch auf steuerliche Nebenleistungen, zu denen Zinsen gehören, entsprechend anwendbar, da Einfuhrabgaben gem. Art. 4 Nr. 10 ZK als Steuern im Sinne der AO zu betrachten seien. Dies gelte auch hier, da sich das Unionsrecht keine andere Regelung vorbehalten habe. Eine Anwendung des Art. 112 UZK scheide nicht nur wegen des Inkrafttretens des Art. 112 UZK erst zum 01.05.2016, sondern auch deshalb aus, weil der hier zu beurteilende Zinsanspruch der Klägerin nichts mit Zahlungserleichterungen zu tun habe, die die Zollbehörden nach Art. 112 UZK Zollschuldnern gewähren könnten.

Praxishinweis

Unternehmen, die Erstattungsansprüche nach Maßgabe des ZK-Rechts geltend machen wollen, sollten aufgrund der EuGH-Entscheidung „Wortmann“ und auf Basis des dazu ergangenen Urteils des FG Düsseldorf nun prüfen, ob nicht vorsorglich entsprechende Zinsanträge gestellt werden sollten, zumal das FG Düsseldorf ausdrücklich den für Unternehmen günstigen Zinssatz des § 238 AO bestätigt hat. Interessant für die Zukunft wird bleiben, was aus der „Wortmann“-Entscheidung für die Anwendung des UZK gefolgert werden kann. Art. 116 Abs. 6 UAbs. 1 UZK sieht nämlich vor, dass im Fall der Erstattung von den betreffenden Zollbehörden keine Zinsen zu zahlen sind. Den bisherigen Verweis auf das nationale Recht gibt es nicht mehr. Zum Teil wird bereits vertreten, dass Art. 116 Abs. 6 UZK europarechtswidrig sein könnte.

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