Voller Umsatzsteuersatz auf Hochschuleinnahmen aus einem Betrieb gewerblicher Art im Bereich der Auftragsforschung

Anmerkung zu: FG Münster, Urt. v. 13.03.2018, 5 K 3156/16 U

Praxisproblem

Gestritten wird um die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG i. V. m. §§ 52 Abs. 1, 68 Nr. 9 AO auf Umsätze im Zusammenhang mit einem Betrieb gewerblicher Art im Bereich der Auftragsforschung, welcher von einer Hochschule unterhalten wird.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Hochschule des Landes Nordrhein-Westfalen in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Zugleich handelt es sich bei ihr gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 2 Abs. 1 Hochschulgesetz NRW um eine Landeseinrichtung.Sie schloss am 15.02.2001 mit dem Auftraggeber Y einen Werkvertrag, in welchem sie sich zur Durchführung und Erstellung einer wissenschaftlichen Studie im Zeitraum vom 15.02.2001 bis 31.03.2004 verpflichtete. Im Oktober 2006 erstattete die Klägerin den Abschlussbericht für diese Studie. Y erklärte am 28.11.2006 dessen Abnahme.
Für die Durchführung und Erstellung der wissenschaftlichen Studie stellte die Klägerin dem Y im Zeitraum März 2001 bis November 2004 eine Vielzahl von Rechnungen, anfänglich mit ausgewiesener Umsatzsteuer i. H. v. 16 %, später i. H. v. 7 %. Die Rechnungen wurden jeweils zeitnah bezahlt, wobei die letzten Zahlungen im Jahr 2005 bei der Klägerin eingingen. Am 23.12.2002 errichtete die Klägerin einen Betrieb gewerblicher Art, welcher seinem Verfassungszweck nach auf die Verfolgung gemeinnütziger Zwecke im Sinne der Abgabenordnung gerichtet war.

Das beklagte Finanzamt versagte den Gemeinnützigkeitsstatus im Jahr 2006 indes. Daraufhin forderte die Klägerin ihren Auftraggeber auf, die Differenz zwischen den in Rechnung gestellten 7 % Umsatzsteuer und dem regulären Umsatzsteuersatz von 16 % nachzuzahlen. Dem kam Y allerdings nicht nach.

In den Folgejahren stritten die Beteiligten um den anzuwendenden Steuersatz auf die Umsätze aus dem Betrieb gewerblicher Art sowie um die Frage, in welchem bzw. welchen Jahr bzw. Jahren die Umsatzsteuer anzusetzen sei. Das Finanzamt vertrat dabei die Auffassung, der reguläre Steuersatz i. H. v. 16 % müsse Anwendung finden. Es war ferner der Ansicht, die zusätzliche Umsatzsteuer könne im Jahr 2006 angesetzt werden. Hiergegen wandte sich die Klägerin zunächst im außergerichtlichen Verfahren und nach dessen Erfolglosigkeit im gerichtlichen Verfahren. Das FG Münster urteilte sodann, die Umsatzbesteuerung habe zum regulären Steuersatz zu erfolgen und die zusätzliche Umsatzsteuer müsse entsprechend der Vereinnahmung der Entgelte in den Jahren 2003 bis 2005 in diesen Jahren angesetzt werden (FG Münster, Urt. v. 10.04.2014, 5 K 2409/10 U).
Im Nachgang zum Urteil des FG Münster erließ das Finanzamt entsprechende (Änderungs-)Bescheide für die Jahre 2003 bis 2005 und befürwortete darin weiterhin die Umsatzbesteuerung zum Regelsatz. Das diesbezügliche außergerichtliche Vorgehen der Klägerin hatte keinen Erfolg, weshalb sie Klage beim FG Münster erhob.

Entscheidung

Das FG Münster hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2005 seien rechtmäßig. Das Gericht befürwortete die Anwendung des Regelsteuersatzes, weil es sich bei dem Betrieb gewerblicher Art der Klägerin nicht um eine als gemeinnützig anzuerkennende Körperschaft im Sinne der §§ 51 ff. AO handele. Weder § 68 Nr. 9 AO noch § 65 AO könnten zur Qualifikation als steuerbegünstigter Zweckbetrieb herangezogen werden.
Hinsichtlich § 68 Nr. 9 AO kam es darauf an, ob das dortige Finanzierungserfordernis – überwiegende Finanzierung des Trägers der Wissenschafts- oder Forschungseinrichtung aus Zuwendungen der öffentlicher Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung – auf Ebene des Betriebs gewerblicher Art selbst oder auf Ebene seines Trägers bestehen muss. Die Frage stellte sich, weil Betriebe gewerblicher Art zivilrechtlich keine eigenständigen Rechtssubjekte sind. Das FG Münster stellte auf die Ebene des Betriebs gewerblicher Art ab und begründete dies systematisch mit den §§ 51 ff. AO. Ohnehin führe auch die diesbezügliche Gegenansicht nicht zur Einordnung als Zweckbetrieb gemäß § 68 Nr. 9 AO, denn die Hochschule als Trägerin des Betriebs gewerblicher Art sei zum einen selbst Teil der öffentlichen Hand und werde zum anderen durch Zuschüsse, nicht durch Zuwendungen finanziert (§ 5 Abs. 2 S. 1 Hochschulgesetz NRW); einen Finanzierung durch Dritte sei nicht ersichtlich.

Eine Einordnung des Betriebs gewerblicher Art im Bereich der Auftragsforschung als Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 9 AO stünde zudem im Widerspruch zu den Steuerbefreiungen gem. § 5 Nr. 23 KStG und § 3 Nr. 30 GewStG, der es in diesem Falle nicht bedurft hätte.  Gleichfalls stünde eine derartige Einordnung in Konflikt mit den Vorgaben der MwStSystRL, wonach nicht alle gemeinnützigen Einrichtungen begünstigt werden können, sondern nur solche, die auch für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit tätig sind. Die Klägerin erfülle diese Voraussetzungen mit ihrem insofern maßgeblichen unternehmerischen Bereich nicht. Es sei auch unerheblich, dass private gemeinnützige Forschungseinrichtungen im Bereich der Auftragsforschung gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG i. V. m. § 68 Nr. 9 AO ermäßigt besteuert werden, denn diese Steuerermäßigung sei unionsrechtswidrig, was dazu führe, dass kein Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitet werden könne, denn einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gebe es nicht.

Für eine Qualifikation als Zweckbetrieb nach § 65 AO mangele es am Vortrag der Klägerin.

Praxishinweis

Bei der Betrachtung des Finanzierungserfordernisses des § 68 Nr. 9 AO zur Beurteilung der Gemeinnützigkeit muss nach der Entscheidung auf die Ebene des Betriebs gewerblicher Art abgestellt werden. Die Revision zur hiesigen Entscheidung ist beim BFH unter dem Aktenzeichen V R 16/18 anhängig. Es wird sich zeigen, ob die Argumentation des FG Münster dort Bestand hat. Bis zum Ergehen der Revisionsentscheidung empfiehlt sich in vergleichbaren Sachverhalten indes eine Orientierung an den vorliegenden Urteilsgründen.

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