Zur umsatzsteuerlichen Beurteilung von platzierungsunabhängigen Preisgeldern (Abschnitt 1.1 Abs. 24 und 25 UStAE)

Anmerkung zu: BMF-Schreiben v. 27.05.2019 – Achtung Nichtbeanstandung nur bis 30.06.2019

Praxisproblem

Der BFH hatte mit Urteil v. 30.08.2017, XI R 37/14 unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil v. 10.11.2016, C-432/15, Bastova, entschieden, dass ein „Berufspokerspieler" keine Leistung im Rahmen eines Leistungsaustausches gegen Entgelt erbringt, wenn er an Spielen fremder Veranstalter teilnimmt und ausschließlich im Falle der erfolgreichen Teilnahme Preisgelder oder Spielgewinne erhält. Zwischen der (bloßen) Teilnahme am Pokerspiel und dem im Erfolgsfall erhaltenen Preisgeld oder Gewinn fehle der für einen Leistungsaustausch erforderliche unmittelbare Zusammenhang. Etwas anderes gelte in den Fällen, in denen der Veranstalter für die Teilnahme eine von der Platzierung unabhängige Vergütung zahle. In einem solchen Fall sei die vom Veranstalter geleistete Zahlung die tatsächliche Gegenleistung für die vom Spieler erbrachte Dienstleistung, an dem Pokerspiel teilzunehmen. Mit Urteil v. 02.08.2018, V R 21/16 hatte der BFH bestätigt, dass die Teilnahme an Turnieren zur Erzielung von platzierungsabhängigen Preisgeldern nicht im Rahmen eines Leistungsaustausches erfolge.

Der EuGH hatte in der Sache C-432/15 entschieden, dass die Überlassung eines Pferdes durch seinen Eigentümer, der Unternehmer ist, an den Veranstalter eines Pferderennens zwecks Teilnahme des Pferdes an diesem Rennen keine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung i. S. v. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL darstellt, wenn für sie weder ein Antrittsgeld noch eine andere unmittelbare Vergütung gezahlt wird und nur die Eigentümer der Pferde mit einer erfolgreichen Platzierung in dem Rennen ein – sei es auch ein im Voraus festgelegtes – Preisgeld erhalten. Die Überlassung eines Pferdes stellt dagegen eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung dar, wenn der Veranstalter für sie eine von der Platzierung des Pferdes in dem Rennen unabhängige Vergütung zahlt. Das Preisgeld, das gegebenenfalls mit einem Pferd des Steuerpflichtigen gewonnen wird, kann nach dem Urteil nicht als tatsächliche Gegenleistung für die Überlassung des Pferdes durch seinen Eigentümer an den Veranstalter eines Pferderennens eingestuft werden.

Die BFH- und EuGH-Rechtsprechung hatte weitreichende Konsequenzen. Neben den Fällen, in denen z. B. Preisgelder oder Prämien für Wettbewerbe aller Art ausgelobt werden, stellte sich die generelle Frage, ob die Grundsätze der Rechtsprechung auch dann anzuwenden sind, wenn ungewiss ist, ob der Unternehmer für sein Tätigwerden ein Entgelt erhält.

Entscheidung

Die Verwaltung hat sich mit BMF-Schreiben v. 27.05.2019 umfassend zur der Thematik geäußert und die Rechtsprechung prinzipiell übernommen. Die an die Rechtsprechung angepasste Verwaltungsauffassung gilt für platzierungsabhängige Preisgelder des Veranstalters bei Pferderennen und Pokerturnieren, bei sportlichen Wettbewerben, Schönheitskonkurrenzen, Ausscheidungsspielen, Glücksspielen und Ähnlichem. Sie gilt nicht für Leistungen eines Geldspielautomatenaufstellers oder Spielbankbetreibers, da deren sonstige Leistung in der Zulassung zum Spiel mit Gewinnchance besteht und der Spieleinsatz der Teilnehmer hierfür entgeltliche Gegenleistung ist.

Abschnitt 12.2 Abs. 5 S. 2 UStAE wurde geändert. Danach ist der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG auf Entgelte anzuwenden, die dem Unternehmer platzierungsunabhängig für die Teilnahme an solchen Leistungsprüfungen zufließen (z. B. Antrittsgelder), insbesondere auf Zahlungen, die den Prämien i. S. d. Abschnitts 12.3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 UStAE entsprechen, sowie platzierungsunabhängige Preisgelder.

Zusätzlich wurden in Abschnitt 1.1 UStAE ein klarstellender Absatz zur Nichtsteuerbarkeit von platzierungsabhängigen Preisgeldern sowie in Abgrenzung hierzu ein Absatz zur Leistungserbringung der Veranstalter von Glücksspielen eingefügt. Nach dem neuen Absatz 23 stellt die Teilnahme an einem Wettbewerb (Pferderennen, Pokerturnieren, sportlichen Wettbewerben, Schönheitskonkurrenzen, Ausscheidungsspielen und Ähnlichem) nur dann eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung dar, wenn der Veranstalter für sie eine von der Platzierung unabhängige Vergütung zahlt (z. B. Antrittsgelder oder platzierungsunabhängige Preisgelder). Eine Staffelung der Vergütung ist insoweit unschädlich.

Platzierungsabhängige Preisgelder des Veranstalters stellen kein Entgelt für die Teilnahme an einem Wettbewerb dar, da sie nicht für die Teilnahme gezahlt werden, sondern für die Erzielung eines bestimmten Wettbewerbsergebnisses. Nach dem neuen Absatz 25 besteht die sonstige Leistung der Veranstalter von Glücksspielen (Automatenaufsteller, Spielbankbetreiber etc.) in der Zulassung zum Spiel gegen Gewinnchance; der Einsatz der Spieler steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Durchführung des Spiels und ist daher entgeltliche Gegenleistung für die Teilnahme.

Des Weiteren erfolgte in Abschnitt 12.3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 UStAE eine Klarstellung dahingehend, dass Züchterprämien regelmäßig kein Entgelt im Rahmen eines Leistungsaus¬tausches darstellen.

Die Fälle der Zahlung eines platzierungsabhängigen Preisgeldes sind von solchen Fällen zu unterscheiden, in denen jeder Teilnehmer eines Wettbewerbs eine Zahlung seitens des Veranstalters erhält und nur die Höhe der Zahlung ungewiss ist. Die Ungewissheit beseitigt den Leistungsaustausch in diesen Fällen nicht, da die vom Veranstalter geleistete Zahlung die tatsächliche Gegenleistung für die Teilnahme am Wettbewerb und nicht für das Erreichen einer bestimmten Platzierung ist. Im Gegensatz zu der Erzielung eines bestimmten Wettbewerbsergebnisses stellt die Teilnahme einen verbrauchsfähigen Vorteil dar.

Praxishinweis

Die Grundsätze der neuen Verwaltungsauffassung sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch - auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs - nicht beanstandet, wenn die Betei¬ligten bei der Zahlung platzierungsabhängiger Preisgelder für die Teilnahme an einem vor dem 01.07.2019 stattfindenden Wettbewerb bzw. einer vor dem 01.07.2019 durchgeführten Tierleistungsprüfung einvernehmlich von einem steuerpflichtigen Entgelt ausgehen.

Die neuen Grundsätze dürften z. B. auch für im Rahmen eines Architekturwettbewerbs ausgelobte Preisgelder gelten, wenn nur der Gewinner des Wettbewerbs, dessen Entwurf umgesetzt wird, das Preisgeld erhält.

Die EuGH- und BFH-Rechtsprechung hat bisher keine Aussage zu Konstellationen getroffen, in denen zwar ein platzierungsabhängiges Preisgeld gezahlt wird, jedoch jeder Teilnehmer ein solches erhält und mithin nur die Höhe des Preisgeldes ungewiss ist. Das Preisgeld dürfte dann eher mit einem Antrittsgeld vergleichbar und daher steuerbar sein. So sieht es auch die Verwaltung. In dem Fall, dass (lediglich) die Höhe des Preisgeldes ungewiss ist, liegt ein Leistungsaustausch zwischen dem Teilnehmer an dem Wettbewerb (z. B. Pferderennen) und dem Veranstalter vor. Denn der Rennveranstalter hat sich gegenüber jedem Teilnehmer zur Zahlung eines Preisgeldes verpflichtet und dessen Höhe im Voraus jeweils festgesetzt und bekannt gemacht. Damit ist die Zahlung eines Preisgeldes nicht ungewiss. Die Leistung des Veranstalters an den jeweiligen Spieler stellt damit ein Teilnahmeentgelt dar. Die Ungewissheit der Höhe des Entgelts hat dann allein Auswirkungen auf die Bemessungsgrundlage des Umsatzes jedes Teilnehmers.

Die BFH- und EuGH-Rechtsprechung, die von der Verwaltung nunmehr umgesetzt wird, kann wohl nicht auf alle Arten von Leistungen, die gegen Zahlung einer erfolgsabhängigen Vergütung erbracht werden, übertragen werden. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die MwStSystRL Bestimmungen zu Vermittlungsleistungen enthält, deren Gegenleistung typischerweise erfolgsabhängig ist (vgl. hierzu auch Nr. 39 der Schlussanträge des Generalanwalt vom 14.06.2016, C-432/15, Baštová; ebenso zu Vermittlern: EuGH, Urt. v. 13.12.2001, C-235/00, CSC Financial­Services; EuGH, Urt. v. 15.9.2016, C-518/14, Senatex; zu Devisenhändlern: EuGH, Urt. v. 22.10.2015, C-264/14, Hedqvist; zu Auktionatoren: EuGH, Urt. v. 9.2.2006, C-305/03, Kommission/UK oder zu Handelsvertretern: BFH, Urt. v. 27.1.2011, V R 7/09). Im Regelfall wird auch eine erfolgsabhängige Vergütung als Gegenleistung für eine steuerbare Leistung (z. B. Vermittlung, Verkaufsförderung,

Versteigerung, Währungsumtausch o. Ä.) gezahlt. Die Ungewissheit der Zahlung des Entgelts beseitigt den unmittelbaren Zusammenhang somit nicht ausnahmslos. Folglich ist bei der Prüfung, ob bei erfolgsabhängigen Vergütungen ein Leistungsaustausch vorliegt, künftig danach zu differenzieren, ob die Zahlung für einen (ungewissen) Erfolg oder aufgrund einer tatsächlich erbrachten Leistung gezahlt wird.

Aufgrund der Reichweite der betroffenen Anwendungsfälle sowie der kurzen Nichtbeanstandungsfrist bis zum 30.6.2019 ist allen Betroffenen anzuraten unmittelbar zu handeln. Das USt-Team der AWB steht Ihnen gern dabei beratend zur Seite.

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