Reverse-Charge bei Metallen – ein Überblick über die aktuelle Rechtslage

Zusammenfassung der BMF-Schreiben

Rechtslage bis 30.09.2014

Bis zum 30.09.2014 war bei Lieferungen von Edelmetallen und unedlen Metallen der leistende Unternehmer Steuerschuldner. Lieferte er an einen anderen Unternehmer, stellte er eine Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer aus.

Rechtslage ab 01.10.2014

Mit dem Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014 (BGBl. I, 1266) wurde mit Wirkung vom 01.10.2014 die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf Lieferungen von Edelmetallen und unedlen Metallen, wie z. B. Kupfer in Rohform sowie bestimmte Kupfererzeugnisse, ausgedehnt. Diese Regelung galt für alle Umsätze, ohne eine Bagatellgrenze.

Ziel der Gesetzesänderung war, Umsatzsteuerausfälle zu verhindern, die dadurch eintreten, dass bei diesen Leistungen nicht sichergestellt werden kann, dass diese von den leistenden Unternehmern vollständig im allgemeinen Besteuerungsverfahren erfasst werden bzw. der Fiskus den Steueranspruch beim Leistenden realisieren kann. Steuerausfälle entstehen insbesondere dann, wenn bei Lieferungen von Metallen die Steuer dem Leistungsempfänger in Rechnung gestellt wird, dieser die in Rechnung gestellte Steuer als Vorsteuer abzieht, der leistende Unternehmer aber die in Rechnung gestellte Steuer nicht an das Finanzamt abführt. Ein vollständiger Ausfall ergibt sich, wenn das Finanzamt wegen Zahlungsunfähigkeit des leistenden Unternehmers den Umsatzsteueranspruch nicht mehr durchsetzen kann. Dies wird bei einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers vermieden.

Rechtslage ab 01.01.2015 – 5.000-Euro-Grenze

Nach der Gesetzesänderung zum 01.10.2014 wurden praktische Anwendungsprobleme bekannt. Es hatte sich herausgestellt, dass in dem mit dem Kroatienanpassungsgesetz eingeführten Katalog auch Waren enthalten waren, die nicht nur im zwischenunternehmerischen Bereich gehandelt werden, sondern auch für den Einzelhandel bestimmt sind. Dadurch kam es zu einer – ungewollten und unionsrechtlich problematischen – Ausdehnung des Anwenderkreises und Problemen bei der Feststellung, ob der Abnehmer ein Unternehmer ist. Außerdem gab es Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Erzeugnissen, so dass von den meisten Verbänden eine Verringerung des Anwendungsbereichs gefordert wurde. Diese Probleme konnten sich z.B. ergeben, wenn entsprechende Metalle (z.B. Alufolie, Kupferdraht) u.a. von Einzelhändlern an Abnehmer veräußert wurden, über deren Status als Unternehmer sich der liefernde Unternehmer jedoch nur aufwändig informieren konnte. Zudem sehen viele Kassensysteme keine Möglichkeit der Rechnungslegung ohne gesonderten Umsatzsteuerausweis vor. Barzahlungen wurden somit erschwert.

Um diesen praktischen Problemen zu begegnen, wurden durch Artikel 11 i.V.m. Artikel 16 Abs. 2 des Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften – Zollkodex-Anpassungsgesetz – vom 22.12.2014 (BGBl. I, 2417) § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG und die Anlage 4 des UStG zum 1.1.2015 neu gefasst. Dabei wurde entsprechend der bereits bestehenden Regelung zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers, u.a. für die Lieferung von Mobilfunkgeräten, auch bei Metalllieferungen eine Mindestbetragsgrenze von 5.000 € eingeführt. Abzustellen ist dabei auf alle im Rahmen eines zusammenhängenden wirtschaftlichen Vorgangs gelieferten Gegenstände der genannten Art, um Manipulationen z.B. durch Aufspalten der Rechnungsbeträge zu unterbinden.

Hinweis

Bei der 5.000-Euro-Grenze ist (wie bei der Behandlung der Lieferungen von Mobilfunkgeräten, vgl. Abschn. 13b.7 Abs. 3 UStAE) auf alle im Rahmen eines zusammenhängenden wirtschaftlichen Vorgangs gelieferten Gegenstände abzustellen. Als Anhaltspunkt für einen wirtschaftlichen Vorgang dienen insbesondere die Bestellung, der Auftrag, der Vertrag oder der Rahmen-Vertrag mit konkretem Auftragsvolumen. Lieferungen bilden stets einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang, wenn sie im Rahmen eines einzigen Erfüllungsgeschäfts geführt werden, auch wenn hierüber mehrere Aufträge vorliegen oder mehrere Rechnungen ausgestellt werden.

Nachträgliche Entgeltminderungen bleiben für die Beurteilung der Betragsgrenze von 5.000 € unberücksichtigt. Dies gilt auch für nachträgliche Teilrückabwicklungen. Ist aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen nicht absehbar oder erkennbar, ob die Betragsgrenze von 5.000 € für Lieferungen erreicht oder überschritten wird, wird es von der Verwaltung nicht beanstandet (vgl. Abschn. 13b.7 Abs. 3 UStAE für Lieferungen von Mobilfunkgeräten), wenn die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers angewendet wird, sofern beide Vertragspartner übereinstimmend vom Vorliegen der Voraussetzungen zur Anwendung von § 13b UStG ausgegangen sind und dadurch keine Steuerausfälle entstehen. Dies gilt als erfüllt, wenn der Umsatz vom Leistungsempfänger in zutreffender Höhe versteuert wird. Dies gilt auch dann, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Betragsgrenze von 5.000 € nicht überschritten wird.

Es steht dem Unternehmer kein Wahlrecht zu, auch bei einer Lieferung unterhalb von 5.000 € das Reverse-Charge-Verfahren anzuwenden, auch wenn z.B. das eingesetzte EDV-Programm eine Differenzierung nach dem Wert nicht zulässt. Die Anwendung der 5 000-Euro-Grenze bei Umsätzen nach dem 31.12.2014 steht mangels einer entsprechenden Regelung nicht zur Disposition der Parteien, d.h. auf die Beachtung der 5.000-Euro-Grenze kann nicht verzichtet werden, wenn die Vertragspartner einvernehmlich – entsprechend der Art des Liefergegenstands gem. Anlage 4 i.d.F. ab 01.01.2015 – von der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers ausgehen, der Wert des Umsatzes jedoch unter 5.000 € liegt und daran zu keinem Zeitpunkt Zweifel bestehen.

Rechtslage ab 01.01.2015 – Wegfall bestimmter Metalle/Gegenstände aus dem RC-Verfahren

Aus Vereinfachungsgründen sind seit dem 01.01.2015 bestimmte Metalle/Gegenstände von der Reverse-Charge-Regelung ausgenommen. So sind Selen und Gold sowie Draht, Stangen, Bänder, Folien, Bleche und andere flachgewalzte Erzeugnisse und Profile aus unedlen Metallen (einschließlich Kupfer) ab 01.01.2015 nicht mehr in der Anlage 4 des UStG enthalten. Selen ist lediglich ein Halbmetall. Bei Draht, Bändern, Folien, Blechen und anderen flachgewalzten Erzeugnissen sowie Profilen aus Metallen wurde den Abgrenzungsschwierigkeiten in der Praxis Rechnung getragen. Außerdem sind diese Gegenstände, wie z.B. Kupferdraht, neben dem gewerblichen Einsatz auch oftmals für den Endverbrauch geeignet. Bei der Abgrenzung nach dem Zolltarif kann nicht unterschieden werden, ob die genannten Gegenstände für den Endverbrauch geeignet oder aufgemacht sind. Unionsrechtlich ist nach Artikel 199a Abs. 1 Buchstabe j der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie 2006/112/EG eine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers aber nur für Gegenstände zulässig, die an Unternehmer geliefert werden.

Durch die im Rahmen des Zollkodex-Anpassungsgesetzes vorgenommenen Änderungen wurde erreicht, dass die Regelung nur für Lieferungen von Rohmetallen und Metallhalberzeugnissen gilt und der Einzelhandel weitgehend ausgenommen wird.

Bei Metalllieferungen, bei denen durch die Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers mit Wirkung vom 01.01.2015 wieder der leistende Unternehmer Steuerschuldner wird, wurde im Ergebnis der bis zum 30.09.2014 geltende Rechtszustand wieder hergestellt. Das gilt auch hinsichtlich des Abzugs der für Lieferungen derartiger Metalle nunmehr wieder vom leistenden Unternehmer in Rechnung zu stellenden Umsatzsteuer als Vorsteuer durch den Leistungsempfänger.

Nichtbeanstandungsregelung für Umsätze vom 01.10.2014 bis 31.12.2014

Nach dem BMF-Schreiben vom 22.01.2015 (BStBl I, 123) gilt folgende Nichtbeanstandungsregelung: Bei Lieferungen von Edelmetallen (mit Ausnahme der Lieferungen von Gold, soweit sie bereits vor dem 01.10.2014 unter § 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG fielen), unedlen Metallen, Selen und Cermets, die nach dem 30.09.2014 und vor dem 01.07.2015 ausgeführt werden, ist es beim leistenden Unternehmer und beim Leistungsempfänger nicht zu beanstanden, wenn die Vertragspartner einvernehmlich noch von der Steuerschuldnerschaft des leistenden Unternehmers nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgegangen sind. Voraussetzung hierfür ist, dass der Umsatz vom leistenden Unternehmer in zutreffender Höhe versteuert wird.

Nichtbeanstandungsregelung für Umsätze ab dem 01.01.2015 und bis zum 30.06.2015

Bei der Umsatzsteuer ist es systemimmanent, dass bei Eingangsumsätzen, für die der leistende Unternehmer dem Leistungsempfänger Steuer in Rechnung stellt, letzterer den Vorsteuerabzug – je nach Zahlungsziel – ggf. erst nach Zahlung an den Vertragspartner vornehmen kann. Gleichzeitig hat der Unternehmer – ebenfalls je nach Zahlungsziel – den Vorteil, dass er die vom Leistungsempfänger gezahlte Umsatzsteuer ggf. erst nach Zahlungseingang an das Finanzamt abführen muss. Soweit Unternehmer aufgrund der kurzfristigen Änderung Schwierigkeiten bei der Umstellung auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers haben, wurde durch das BMF-Schreiben v. 22.01.2015 (BStBl. I, 123) eine weitere Nichtbeanstandungsregelung erlassen. Danach ist es bei Lieferungen von Edelmetallen, unedlen Metallen, Selen und Cermets, die nach dem 31.12.2014 und vor dem 01.07.2015 ausgeführt werden, beim leistenden Unternehmer und beim Leistungsempfänger nicht zu beanstanden, wenn die Vertragspartner einvernehmlich die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers anwenden, obwohl unter Berücksichtigung des § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG und der Anlage 4 des UStG in der seit dem 01.01.2015 geltenden Fassung der leistende Unternehmer Steuerschuldner wäre.

Anlage 4 zum UStG: Liste der Gegenstände i.S.d. § 13b Absatz 2 Nummer 11

(Stand 01.01.2015; die gestrichenen Passagen stammen aus dem Stand zum 01.01.2014 und sind in der Anlage 4 ab 01.01.2015 nicht mehr enthalten; die fett markierten Passagen geben wieder, was im Vergleich zur Fassung zum 01.10.2014 in der Fassung zum 01.01.2015 neu hinzu gekommen ist)

 

Auswirkungen auf die Rechnungstellung

Bei der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers stellt der leistende Unternehmer nur das Netto-Entgelt in Rechnung und weist in der Rechnung auf die Steuerschuld des Leistungsempfängers hin. Der Leistungsempfänger berechnet die Steuer auf den Netto-Betrag, meldet sie in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung und/oder -Jahreserklärung an und kann diese Steuer ggf. als Vorsteuer abziehen. Nebenleistungen (z.B. Transportkosten) teilen dabei regelmäßig das Schicksal der Hauptleistung (vgl. Abschn. 3.10. Abs. 5 UStAE).

Liefert der Unternehmer gleichzeitig Güter, für die er Steuerschuldner ist, und Güter, für die sein Leistungsempfänger die Steuer schuldet, ist die Umsatzsteuer in der Rechnung nur in der Höhe offen auszuweisen, in der sie auf die Güter, für die der leistende Unternehmer Steuerschuldner ist, entfällt. Im Übrigen ist auf die „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ hinzuweisen. Insofern kommt es zur positionsweisen Splittung der Rechnung. Es ist aber selbstverständlich und bereits heute zulässig, dass ein Unternehmer über gleichzeitige Lieferungen von Gütern, für die er Steuerschuldner ist, und von Gütern, für die sein Leistungsempfänger die Steuer schuldet, in mehreren Rechnungen abrechnen darf.

Geplante erneute Änderung von Nr. 3 der Anlage 4

Nach dem am 20.2.2015 veröffentlichten Referentenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Jahressteuergesetz 2016) soll Nr. 3 der Anlage 4 (zu § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG) wie folgt gefasst werden (Inkrafttreten am Tag nach der Verkündung des Änderungsgesetzes):

 

Bei den unter Nr. 3 der Anlage 4 genannten Roherzeugnissen aus Roheisen, Spiegeleisen, Eisen oder Stahl enthält die ab 01.01.2015 geltende Fassung nach der Gesetzesbegründung eine Ungenauigkeit hinsichtlich der unter die Regelung fallenden Gegenstände: Nach der gesetzlichen Regelung fallen zwar nach der Benennung der Zolltarifpositionen u. a. Gegenstände der Zolltarifpositionen 7206, 7207, 7218 und 7224 unter den Anwendungsbereich, diese sind aber nicht oder nicht ausreichend bezeichnet. Diese Ungenauigkeit soll durch die redaktionelle Gesetzesänderung beseitigt werden. Die Änderung soll inhaltlich keine Auswirkungen für die Betroffenen haben. Ohne diese Korrekturen käme es zu Anwendungsproblemen. Eine Abgrenzung wäre für die Betroffenen kaum möglich, zumal der Gesetzestext auch keine entsprechenden Kriterien dafür enthält.