BMF zur Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG bei stundenweiser Überlassung von Hotelzimmern

Anmerkung zu: BMF-Schreiben v. 17.01.2017, III C 3 - S 7168/0:002

Praxisproblem

Seit dem 01.01.2010 unterliegen folgende Umsätze dem ermäßigten Steuersatz von 7 %: die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG). Dies gilt nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG).

Leistungen eigener Art, bei denen die Beherbergung nicht charakterbestimmend ist (z.B. Leistungen des Prostitutionsgewerbes), unterliegen auch hinsichtlich ihres Beherbergungsanteils nicht der Steuerermäßigung. In diesen Fällen nutzt der Leistungsempfänger die ihm überlassene Räumlichkeit nicht für Zwecke seiner (eigenen) Beherbergung, sondern für andere, insbesondere berufliche oder gewerbliche Zwecke (die Überlassung von Räumen für gewerbliche oder berufliche Zwecke stellt keine Beherbergungsleistung dar). Damit ist die Steuerermäßigung auch dann ausgeschlossen, wenn im Prostitutionsgewerbe „normale“ Hotelzimmer zur Ausübung der Prostitution gebucht werden.

Sachverhalt

Mit Urteil vom 24.09.2015, V R 30/14 hatte der BFH zur Frage der Umsatzbesteuerung in einem sog. Stundenhotel Stellung genommen. Der BFH sieht die halbstündige oder stundenweise Überlassung von Zimmern in einem Stundenhotel mit nur geringfügigen begleitenden Leistungen (Wechsel von Bettwäsche und Handtüchern, Verkauf von Getränken und Kondomen) als umsatzsteuerfreie Vermietungsleistung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG an. Weil keine „Beherbergung“ – auch keine kurzfristige – i.S.v. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG vorliege, sondern der Schwerpunkt der Leistung in der Erbringung von sexuellen Dienstleistungen bestehe, komme (auch) eine Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz UStG) nicht in Betracht. Ein Verzicht auf die Befreiung nach § 9 Abs. 1 und 2 UStG schied nach Auffassung der BFH schon deshalb aus, weil die Mieter der Hotelzimmer (vorliegend stets der die sexuellen Dienstleitungen in Anspruch nehmende Hotelgast) die Vermietungsleistungen nicht für ihr Unternehmen bezogen haben.

Entscheidung

Das BMF-Schreiben v. 17.01.2017 regelt auf der Basis des BFH-Urteils in Ergänzung zu Abschn. 4.12.9 Abs. 1 UStAE, dass die halbstündige oder stundenweise Überlassung von Zimmern in einem „Stundenhotel“ keine Beherbergung i.S.v. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG und daher steuerfrei ist. Nach Änderung von Abschn. 12.16 Abs. 2 UStAE gilt nunmehr: Sonstige Leistungen eigener Art, bei denen die Überlassung von Räumen nicht charakterbestimmend ist (z.B. Leistungen des Prostitutionsgewerbes), unterliegen auch hinsichtlich dieses Leistungsaspekts nicht der Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG.

Praxishinweis

Das BMF-Schreiben führt in seinem einleitenden Teil aus, dass der BFH die halbstündige oder stundenweise Überlassung von Zimmern in einem Stundenhotel mit nur geringfügigen begleitenden Leistungen (z.B. Wechsel von Bettwäsche und Handtüchern) als umsatzsteuerfreie Vermietungsleistung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG ansieht. Dies könnte den falschen Eindruck erwecken, dass es sich bei den nur geringfügig begleitenden Leistungen um Nebenleistungen zur steuerfreien Grundstücksvermietung handelt, welche ebenfalls als steuerfrei zu beurteilen wären. Der Tatbestand der „Beherbergung“ wurde im vorliegenden Sachverhalt ausdrücklich vom BFH verneint. Nach Abschn. 4.12.1 Abs. 5 UStAE gehören zu den nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreien Leistungen der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken auch die damit in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden üblichen Nebenleistungen. Dies sind Leistungen, die im Vergleich zur Grundstücksvermietung bzw. -verpachtung nebensächlich sind, mit ihr eng zusammenhängen und in ihrem Gefolge üblicherweise vorkommen. Insbesondere der Verkauf von Getränken usw. dürfte in den hier vorliegenden Fällen aber nicht unmittelbar dazu  dienen, die steuerfreie Grundstücksüberlassung optimal nutzen zu können. Die Grundsätze der Einheitlichkeit der Leistung dürften beachtlich sein (vgl. Abschn. 3.10 UStAE). Somit ist jede Leistung als eigenständige Leistung zu betrachten. Ein einheitliches Entgelt ist sachgerecht aufzuteilen.

Aus dem BMF-Schreiben geht nicht unmittelbar hervor, dass es sich in dem vom BFH entschiedenen Fall nicht um Verträge besonderer Art handelt, bei der eine andersartige Leistung erbracht wird (vgl. Rn. 15 des BFH-Urteils V R 30/14), welche steuerpflichtig ist und dem Regelsteuersatz unterliegt.

Mit seinem Urteil v. 24.09.2015, V R 30/14 stellt der BFH zur Feststellung der Steuerfreiheit der streitgegenständlichen Leistungen darauf ab, dass es bei diesen am Merkmal der „Beherbergung“ fehle. Dies ist bei Würdigung des Schwerpunkts des bei der Überlassung von Zimmern in einem „Stundenhotel“ gewollten Leistungsinhalts unmittelbar zutreffend. Denn es geht hier nicht um die Aufnahme eines Gastes, sondern um die bloße und anonyme Zurverfügungstellung des Zimmers. Damit fehlt es an der Voraussetzung für die Ausnahme von der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG. Die Bedeutung dieser Aussage geht aber auch über den entschiedenen Fall hinaus, weil der BFH seine bereits im Urteil v. 22.08.2013, V R 18/12, BStBl. II 2013, 1058 vertretende Auffassung bestätigt hat, wonach „das von § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG und § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG wortlautidentisch verwendete Tatbestandsmerkmal der ‘Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält‘ einheitlich auszulegen“ ist. Der BFH hat zwar in dieser Entscheidung den Begriff der Beherbergung letztlich nur in Bezug auf die Anwendung der Steuerermäßigung verneint. Durch das Urteil V R 30/14 dürfte aber nunmehr der Gleichlauf des Beherbergungsbegriffs bei § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG und § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG eindeutig klargestellt sein, wonach Wohnraumüberlassungen, die das Merkmal der Beherbergung nicht erfüllen, nach BFH-Auffassung auch dann steuerfrei sind, wenn sie kurzfristig erfolgen. Aus den beiden BFH-Urteilen folgt damit folgende Abgrenzung:

  • Wohnraumvermietungen über sechs Monate sind weiterhin steuerfrei.
  • Wohnraumvermietungen unter sechs Monaten sind ebenfalls steuerfrei, wenn sie nicht zusätzlich eine Beherbergung darstellen, also z.B. die Zimmerüberlassung an die Kunden einer Prostituierten wie im BFH-Urteil V R 30/14.
  • Nur Wohnraumvermietungen unter sechs Monaten, die zugleich eine Beherbergung darstellen, sind steuerpflichtig und zwar zum ermäßigten Steuersatz (z.B. Hotelzimmer).
  • Nur wenn die Wohnraumüberlassung bei der Würdigung des gesamten Leistungsinhalts nicht charakterbestimmend, sondern von einer anders gearteten Dienstleistung auszugehen ist, auf die § 4 Nr. 12 UStG schon dem Grunde nach nicht anwendbar ist, ist noch eine Steuerpflicht zum vollen Steuersatz anzunehmen, z.B. bei der Überlassung möblierter Zimmer an Prostituierte, wenn zusätzliche Leistungen der Gesamtleistung ein anderes Gepräge geben als einer Vermietung (vgl. BFH, Urt. v. 17.12.2014, XI R 16/11, BStBl. II 2015, 427).

Diese Dogmatik kann rechtliche Auswirkungen auf zahlreiche Praxisfälle haben. Denn bei kurzfristigen Wohnraumvermietungen muss danach generell bereits im Rahmen der Abgrenzung der Voraussetzungen der Steuerpflicht dieser Umsätze auch auf das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der Beherbergung geachtet werden und nicht nur auf die Sechsmonatsfrist. Davon potentiell betroffen sind z.B. Ferienwohnungen, Fremdenzimmer, sog. Businesswohnungen oder die Zurverfügungstellung von Zimmern für Erntehelfer oder Asylbewerber. So wäre nach der BFH-Rechtsprechung bei einer jeweils nur wochenweise vermieteten möblierten Ferienwohnung anders als bislang eine Steuerfreiheit der Vermietungsumsätze ohne Optionsmöglichkeit anzunehmen, sofern sie – was häufig der Fall ist – keine die Leistung prägenden Beherbergungselemente enthält. Dies hätte auch Folgen für den Vorsteuerabzug.

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