Zur Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG für sportliche Veranstaltungen, die gemeinnützige Sportvereine gegen Mitgliederbeiträge durchführen

Anmerkung zu: BMF-Schreiben v. 04.02.2019

Praxisproblem

Nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG sind sportliche Veranstaltungen, die von gemeinnützigen Vereinen durchgeführt werden steuerfrei, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht. Der Begriff der „sportlichen Veranstaltung“ umfasst alle organisatorischen Maßnahmen, die es aktiven Sportlern erlauben, Sport zu betreiben. Dazu gehören nach Abschn. 4.22.2 Abs. 2 und 3 UStAE nicht nur Sportkurse und Sportlehrgänge, sondern auch das Training und die sportlichen Wettkämpfe, die die Sportvereine durchführen. Hiervon abzugrenzen sind die Leistungen der Sportvereine, die in einer bloßen Nutzungsüberlassung eines Sportplatzes bestehen oder bei denen der Platz für das spezielle Training eines einzelnen Sportlers genutzt wird, weil es sich hierbei nicht um sportliche Veranstaltungen i. S. d. § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG handelt (vgl. Abschn. 4.22.2 Abs. 4 UStAE).

Neben einer sportlichen Veranstaltung setzt die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG voraus, dass das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht. Hierbei handelt es sich nach Abschn. 4.22.2 Abs. 5 Satz 1 UStAE um Entgelte, die gezahlt werden, um an den Veranstaltungen aktiv teilnehmen zu können, wie z. B. Startgelder und Meldegelder. Mitgliederbeiträge sind hier zwar nicht ausdrücklich genannt. Dies ist nach geltender Verwaltungsauffassung auch nicht erforderlich, weil Mitgliederbeiträge unter den in Abschn. 1.4 UStAE genannten Voraussetzungen bereits als nicht umsatzsteuerbar behandelt werden. Es kommt hinzu, dass Abschn. 4.22.2 Abs. 5 UStAE keine abschließende Aufzählung enthält. Maßgebend ist deshalb allein, ob Mitgliederbeiträge die im UStAE dargestellte, aus der BFH-Rechtsprechung übernommene abstrakte Definition des gesetzlichen Begriffs der „Teilnehmergebühr“ erfüllen.

In diesem Zusammenhang ergibt sich die Problematik, dass Sportvereine die Beiträge ihrer Mitglieder unter Berufung auf die EuGH-Rechtsprechung (EuGH, Urt. v. 21.03.2002, C-174/00, Kennemer Golf & Country Club) ausdrücklich als umsatzsteuerbar behandeln. Sie übernehmen damit zugleich die in dieser Rechtsprechung zum Ausdruck kommende Wertung, dass die Beiträge in der Fußballsparte für die aktive Teilnahme der Mitglieder am Fußballtraining und am Spielbetrieb gezahlt werden.

Beispiel:

Ein gemeinnütziger Sportverein investiert in einen Kunstrasen-Fußballplatz, auf dem die Fußballsparte ihren Trainings- und Spielbetrieb durchführt. Für eine verbesserte Finanzierung beruft sich der Verein auf die Rechtsprechung des EuGH, wonach Mitgliederbeiträge abweichend von Abschn. 1.4 UStAE als steuerbares Entgelt für die von ihnen insoweit gegenüber ihren Mitgliedern erbrachten Leistungen anzusehen sind. Auf die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL beruft sich der Vereine hingegen nicht. In der Folge macht der Verein den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung des Kunstrasenplatzes geltend.

Fraglich ist, ob von dem Verein mit Blick auf das nationale Recht, ein konsequentes Verhalten verlangt werden kann. Entsprechend der von ihm vorgenommenen Wertung könnten deshalb die Mitgliederbeiträge als Gebühr für die Teilnahme an den sportlichen Veranstaltungen des Vereins angesehen werden. Damit wären aber die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG erfüllt und der Vorsteuerabzug aus der Investition des Vereins wäre ausgeschlossen. Dies könnte durch das BFH-Urteil v. 20.03.2014, V R 4/13 bestätigt sein. Dort ging es um einen gemeinnützigen Radsportverein, dessen Mitgliederbeiträge aufgrund dessen Berufung auf die EuGH-Rechtsprechung als steuerbar zu behandeln waren. Der BFH hat dazu ausgeführt, dass die Leistungen des Vereins u. a. aus der Durchführung von Wettkämpfen unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG steuerfrei seien, was dem vom Radsportverein geltend gemachten Vorsteuerabzug entgegenstünde. Im Übrigen hat der BFH den Streitfall an das Finanzgericht zurückverwiesen, weil keine Feststellungen dazu getroffen wurden, inwieweit der Verein sportliche Veranstaltungen i. S. d. § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG durchgeführt oder lediglich Sportanlagen zur Nutzung überlassen hatte. Zum selben Ergebnis kommt das FG München (Urt. v. 10.04.2014, 14 K 1495/12). Dieses betrifft einen gemeinnützigen Schützenverein, der ebenfalls die Steuerbarkeit seiner Mitgliederbeiträge geltend gemacht hatte. Dem FG München zufolge waren diese steuerbaren Mitgliederbeiträge Entgelte für die Teilnahme am Schießtraining und an Wettkämpfen und damit steuerfrei nach§ 4 Nr. 22 Buchst. b UStG. Mit der Gewährleistung des organisatorischen Rahmens für das Schießen habe der Schützenverein seinen Mitgliedern nicht lediglich Sportgegenstände oder Sportanlagen zur Verfügung gestellt, sondern er habe vielmehr sportliche Veranstaltungen i. S. d. Norm durchgeführt.

Entscheidung

Mit BMF-Schreiben v. 04.02.2019 ist klargestellt worden, dass die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG grds. in Betracht kommen kann, wenn ein Verein sich unmittelbar auf die MwStSystRL beruft und die anfallenden Mitgliederbeiträge in der Folge abweichend von Abschn. 1.4 UStAE als steuerbares Entgelt für die gegenüber den Mitgliedern erbrachten Leistungen behandelt. Nach Maßgabe der weiteren Voraussetzungen gilt insbesondere für sportliche Veranstaltungen, dass eine über eine reine Benutzung der Sportanlagen hinausgehende Nutzung, z. B. im Rahmen des Trainingsbetriebes (vgl. Abschn. 4. 22. 2 Abs. 2 Satz 4 UStAE) oder bei Wettkämpfen mit anderen Vereinen, einer Teilnahme an einer sportlichen Veranstaltung gleich kommt und es sich bei den insoweit entrichteten Mitgliederbeiträgen um Teilnehmergebühren i. S. d. nationalen Befreiungsvorschrift handelt.

Praxishinweis

Die Anwendung von § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG zieht in der Folge systembedingt einen Ausschluss des Vorsteuerabzugs (z. B. aus Investitionen) nach sich. Dem steht nach Auffassung der Verwaltung nicht entgegen, dass nach Auffassung des BFH weder § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG das Unionsrecht (Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL) hinreichend umsetzt, noch der Begriff der „sportliche(n) Veranstaltung“ i. S.d. MwStSystRL auslegbar ist. Dies ist insoweit nachvollziehbar, als nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL die Entgelte, die eine Vereinigung ohne Gewinnstreben von ihren Mitgliedern für die Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen erhält, steuerfrei sind mit der Folge des Vorsteuerausschlusses.

Nach Auffassung der Verwaltung muss eine unmittelbare Berufung auf das Unionsrecht nicht dahingehend verstanden werden, dass damit die Anwendung der (aller) übrigen Vorschriften des nationalen Rechts unbeachtlich wäre. Die Anwendung von Befreiungen komme auch bei Berufung auf die MwStSystRL in Betracht, soweit die Befreiungen in nationales Recht umgesetzt sind. Insbesondere bewirke die Berufung oder wahlweise Nicht-Berufung auf die Steuerbarkeit keinen Automatismus hinsichtlich der Anwendung bzw. Nichtanwendung von z. B. § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG.

Soweit nun die in Abschnitt 4.22.2. Abs. 2 Satz UStAE genannten Teilnehmerbeiträge auch anteilig in gezahlten Mitgliederbeiträgen enthalten sein sollen, stellt dies für die Betroffenen eine von der bisherigen Verwaltungspraxis abweichende ungünstigere Verwaltungsauffassung dar. Die Anwendung des § 4 Nr. 22 b UStG auf Teile der Mitgliederbeiträge kann in der Praxis zu weiteren neuen Anwendungsproblemen führen und die schon jetzt schwierige Umsatzbesteuerung gemeinnütziger Sportvereine weiter erschweren. So kann fraglich sein, was unter dem Begriff „Mitgliederbeitrag“ überhaupt zu verstehen ist. Ggf. ist eine Unterscheidung zwischen einer aktiven und einer passiven Mitgliedschaft erforderlich, weil passive Mitglieder bei gleichem Beitrag an keinen Veranstaltungen teilnehmen. Fraglich ist auch, ob eine unmittelbare Berufung auf die MwStSystRL hinsichtlich der Steuerbarkeit von Mitgliederbeiträgen bedeutet, dass zu Lasten des Vereins generell alle Befreiungen nach Unionsrecht (hier etwa Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSytsRL) anzuwenden sind oder ob die weiteren umsatzsteuerlichen Konsequenzen bei der Annahme der Steuerbarkeit von Mitgliedsbeiträgen sich ausschließlich aus dem nationalen UStG ergeben.Die Behandlung von Mitgliedsbeiträgen ist in Deutschland bereits seit vielen Jahren in der Diskussion. Viele Urteile des EuGH und BFH geben Anlass die Besteuerung in Deutschland neu zu regeln. Derzeit ist es für die betroffenen Vereine und Vereinigungen wichtig, sich im Labyrinth der Entscheidungen auszukennen und eine handhabbare Lösung für die Besteuerung zu finden. Ansonsten wird die Umsatzsteuer für die Verantwortlichen zur „sportlichen“ Herausforderung der kommenden Jahre.

 

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