Digitalpaket bringt Vereinfachungen bei der Umsatzsteuer im elektronischen Geschäftsverkehr

Anmerkungen zu den Änderungen zum 01.01.2019 durch das sog. Digitalpaket des Europäischen Rates vom 05.12.2017

Unionsrecht

Nach der Richtlinie (EU) 2017/2455 des Europäischen Rates v. 05.12.2017 zur Änderung der RL 2006/112/EG und der RL 2009/132/EG in Bezug auf bestimmte mehrwertsteuerliche Pflichten für die Erbringung von Dienstleistungen und für Fernverkäufe von Gegenständen gelten unionsrechtlich ab 01.01.2019 folgende Neuregelungen:

Bei Unternehmen mit einem Umsatz (ohne MwSt) in anderen Mitgliedstaaten über 10.000 € (Schwellenwert) verlagert sich der Leistungsort bei den in Art. 58 MwStSystRL genannten Dienstleistungen (Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, elektronische Dienstleistungen), die an Nichtunternehmer (Privatpersonen) erbracht werden, in den Mitgliedstaat der Ansässigkeit des Leistungsempfängers (Verbrauchsmitgliedstaat). Die auf diese Umsätze entfallenden umsatzsteuerlichen Pflichten werden über einen sog. One-Stop-Shop (Einzige Anlaufstelle, OSS) abgewickelt. Dies gilt auch nach dem ab 01.01.2019 geltenden System, aber eben nur noch für Umsätze oberhalb der Schwelle von 10.000 €. Ist der nichtunternehmerische Kunde nicht in Deutschland, sondern in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässig/wohnhaft, ist die jeweilige Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer dieses Mitgliedstaates, z. B. auf die elektronische Dienstleistung, abzuführen.

Die Voraussetzungen für die Anwendung dieser neuen Kleinunternehmergrenze für Digitalleistungen sind also:

  • Der leistende Unternehmer ist nur in einem Mitgliedstaat ansässig (nicht: registriert, d. h. er kann in mehreren Mitgliedstaaten für MwSt-Zwecke registriert sein).
  • Die Digitalleistungen werden an Nichtunternehmer erbracht, die in einem anderen Mitgliedstaat als der Ansässigkeit des leistenden Unternehmers ansässig sind.
  • Der Nettobetrag der Digitalleistungen (insgesamt, nicht pro Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und elektronische Dienstleistungen getrennt) überschreitet weder im laufenden Jahr, noch im Vorjahr die Umsatzgrenze von 10.000 €.

Beispiel:

Der in Deutschland ansässige Unternehmer U (nicht auch in anderen Mitgliedstaaten ansässig, z. B. mit einer festen Niederlassung) erbringt im Jahr 2019 Digitalleistungen an Nichtunternehmer in Luxemburg, Belgien, Niederlande und Frankreich. Die Leistungen nach Luxemburg haben eine Entgelthöhe von 1.500 €, nach Belgien 1.000 €, nach den Niederlanden 3.000 € und nach Frankreich 1.500 €. Die Umsätze der Digitalleistungen in 2018 an EU-ausländische Kunden betrugen insgesamt netto 5.000 €. Da die Umsatzgrenze von 10.000 € auch in 2019 nicht überschritten wird, liegt der Ort der Digitalleistungen von U 2019 in Deutschland. Würden die Umsätze in 2019 nach Frankreich z. B. 5.000 € betragen, wäre 2019 die Umsatzgrenze von 10.000 € überschritten (Umsätze insgesamt 1.500 € + 1.000 € + 3.000 € + 5.000 € = 10.500 €) und der Ort aller Digitalleistungen von U läge im jeweiligen Verbrauchsmitgliedstaat, auch wenn die Umsatzgrenze in die einzelnen Mitgliedstaaten die Höhe von 10.000 € jeweils nicht überschreitet.

Wird die Umsatzgrenze in einem Kalenderjahr überschritten, gilt ab diesem Zeitpunkt die Grundregel des Art. 58 Abs. 1 MwStSystRL, d. h. der Verlagerung des Leistungsorts in den Ansässigkeitsstaat des Leistungsempfängers (sog. Verbrauchsmitgliedstaat), vgl. Art. 58 Abs. 3 MwStSystRL.

Beispiel:

Der in Deutschland ansässige Unternehmer U (nicht auch in anderen Mitgliedstaaten ansässig, z. B. mit einer festen Niederlassung) erbringt im Jahr 2019 Digitalleistungen an Nichtunternehmer in Luxemburg, Österreich, Niederlande und Dänemark. Die Leistungen nach Luxemburg haben bis 30.11.2019 eine Entgelthöhe von 3.000 €, nach Österreich bis 30.11.2019 1.000 €, nach den Niederlanden bis 30.11.2019 4.000 € und nach Dänemark bis 30.11.2019 1.000 €. Ab 15.12.2019 erbringt U weitere Leistungen in diesen Staaten mit einer Entgelthöhe von insgesamt 4.000 €. Da U mit diesen Leistungen die Umsatzschwelle von 10.000 € überschreitet, sind alle Leistungen ab 15.12.2019 im jeweiligen Verbrauchsmitgliedstaat erbracht. Dies gilt (unabhängig von der Umsatzhöhe) auch für sämtliche Digitalleistungen in 2020, da in 2019 die Umsatzgrenze bereits überschritten wurde.

Die neue Ortsregelung des Art. 58 MwStSystRL gilt (auch hinsichtlich der Schwellenwertregelung) ausschließlich für die Digitalleistungen. Hat ein Unternehmer, der solche Umsätze erbringt, auch noch andere Umsätze (z. B. Handelsumsätze), ändert dies nichts an der Schwellenregelung.

Beispiel:

Der in Deutschland ansässige Unternehmer U (nicht auch in anderen Mitgliedstaaten ansässig, z. B. mit einer festen Niederlassung) erbringt im Jahr 2019 Digitalleistungen an Nichtunternehmer in verschiedenen Mitgliedstaaten in Höhe von insgesamt 9.000 €. Daneben betreibt U ein Handelsunternehmen und liefert Waren an Privatabnehmer in verschiedenen Mitgliedstaaten im Wert von insgesamt 40.000 €. Die Handelsumsätze ändern nichts an der Behandlung der Digitalleistungen (steuerbar in 2019 in Deutschland, da die Umsatzschwelle nicht überschritten wird).

Liegt die Umsatzhöhe unterhalb der Umsatzschwelle von 10.000 €, kann der Unternehmer nach Art. 58 Abs. 4 MwStSystRL optieren, auf die Anwendung der Umsatzschwelle zu verzichten, mit der Folge, dass seine Digitalleistungen, unabhängig von der Umsatzhöhe im Verbrauchsmitgliedstaat, steuerbar sind. Diese Option bindet den Unternehmer zwei Jahre.

Um die Belastung der Unternehmen so gering wie möglich zu halten, sind für diese Umsätze ab 01.01.2019 die Vorschriften für die Rechnungsstellung anwendbar, die im Mitgliedstaat der Identifizierung des leistenden Unternehmers gelten, der die Sonderregelung in Anspruch nimmt (vgl. Neuf. v. Art. 219a MwStSystRL). Somit gelten für in anderen Mitgliedstaaten steuerbare Digitalleistungen an dort ansässige Privatabnehmer die Vorschriften der Rechnungsstellung des Mitgliedstaats, in dem der leistende Unternehmer ansässig ist oder (bei Drittlandsunternehmern) des Mitgliedstaates, für den der leistende Unternehmer sich als Anlaufstelle (Erklärung der Umsätze) entschieden hat. Die Rechnungsstellung für Digitalleistungen, die in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar sind, richtet sich also nicht mehr wie bisher nach dem Recht des Verbrauchsmitgliedstaates.

Beispiel:

Der in Deutschland ansässige Unternehmer U erbringt 2019 Digitalleistungen in Österreich an dort ansässige Privatkunden (nicht juristische Personen, die keine Unternehmer sind) mit einem Entgelt von insgesamt 50.000 €. U kann die deutschen Rechnungsstellungsvorschriften beachten, er muss sich nicht nach österreichischem Recht richten. Nach den derzeitigen Maßstäben von § 14 Abs. 2 Nr. 2 UStG besteht bei Leistungen an Nichtunternehmer grds. keine umsatzsteuerliche Rechnungsstellungspflicht. Führt der Unternehmer eine andere als die in § 14 Abs. 2 Nr. 1 UStG genannte Leistung aus, ist er (lediglich) berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an einejuristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen.

Die Richtlinienänderungen müssen noch (zum 01.01.2019) in das deutsche Umsatzsteuerrecht umgesetzt werden.

Mit der ebenfalls am 05.12.2017 erlassenen DVO (EU) 2017/2459 des Rates zur Änderung der MwStSystRL-DVO ist insbesondere eine Änderung der Bestimmungen zur Vermutung bezüglich des Ortes des Dienstleistungsempfängers vorgenommen worden, um den Ort von Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen oder elektronischen Dienstleistungen an Privatkunden zu bestimmen.

Zur Vereinfachung der Anforderungen an den Nachweis des Ortes des Dienstleistungsempfängers durch den leistenden Unternehmer ab 01.01.2019 im Zusammenhang mit der ab 01.01.2019 geänderten Ortsregelung in Art. 58 MwStSystRL für Digitalleistungen wurde Art. 24b MwStSystRL-DVO neu gefasst. Für die Zwecke der Anwendung von Art. 58 MwStSystRL (also der Ortsbestimmung für die vorgenannten Digitalleistungen) gilt danach, dass, wenn einem Privatabnehmer Digitalleistungen

a) über seinen Festnetzanschluss erbracht werden, die Vermutung gilt, dass der Dienstleistungsempfänger an dem Ort, an dem sich der Festnetzanschluss befindet, ansässig ist;

b) über mobile Netze erbracht werden, die Vermutung gilt, dass der Dienstleistungsempfänger in dem Land, das durch den Ländercode der bei Inanspruchnahme der Dienstleistungen verwendeten SIM-Karte bezeichnet wird, ansässig ist;

c) für die ein Decoder oder ein ähnliches Gerät oder eine Programm- oder Satellitenkarte verwendet werden muss und kein Festnetzanschluss verwendet wird, die Vermutung gilt, dass der Dienstleistungsempfänger an dem Ort, an dem sich der Decoder oder das ähnliche Gerät befindet, oder, wenn dieser Ort unbekannt ist, an dem Ort, an den die Programm- oder Satellitenkarte zur Verwendung gesendet wird, ansässig ist;

d) unter anderen als den in den Art. 24a MwStSystRL-DVO und in den vorgenannten Buchstaben a), b) und c) genannten Bedingungen erbracht werden, die Vermutung gilt, dass der Dienstleistungsempfänger an dem Ort ansässig ist, der vom Leistungserbringer unter Verwendung von zwei einander nicht widersprechenden Beweismitteln gem. Art. 24f MwStSystRL-DVO als solcher bestimmt wird.

Die Verordnung ist in jedem EU-Mitgliedstaat unmittelbar geltendes Recht und muss nicht gesondert in das deutsche Recht transformiert werden.

Nationales Recht

Nach § 3a Abs. 5 UStG in der seit dem 01. 01.2015 geltenden Fassung befindet sich der Leistungsort bei Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen, die an Nichtunternehmer erbracht werden, stets an dem Ort, an dem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder seinen Sitz hat. Die Änderung von Art.l 58 MwStSystRL durch die Richtlinie (EU) 2017/2455 hat das Ziel, dass Kleinstunternehmen mit Sitz in nur einem EU-Mitgliedstaat, die solche Dienstleistungen an Nichtunternehmer in anderen Mitgliedstaaten erbringen, von der Erfüllung mehrwertsteuerlicher Pflichten in anderen Mitgliedstaaten entlastet werden. Daher wurde ein unionsweit geltender Schwellenwert in Höhe von 10.000 € eingeführt, bis zu dem diese Dienstleistungen weiterhin der Mehrwertsteuer im Mitgliedstaat der Ansässigkeit des leistenden Unternehmers unterliegen.

Bisher liegt noch kein Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinienänderungen vor. Es ist denkbar, dass die neue Ortsregelung in Art. 58 MwStSystRL dahingehend umgesetzt wird, dass in § 3a Abs. 5 UStG ergänzt wird, dass der geltende Satz 1 (Ortsbestimmung nach dem Sitzort des privaten Leistungsempfängers) nicht anzuwenden ist, wenn der leistende Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte oder in Ermangelung eines Sitzes, einer Geschäftsleitung oder einer Betriebsstätte, seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in nur einem Mitgliedstaat hat und der Gesamtbetrag der Entgelte der in der sonstigen Leistungen nach § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG (die dort genannten Digitalleistungen) an die in § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG bezeichneten Empfänger (Privatabnehmer) mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt oder Sitz in anderen Mitgliedstaaten, den Betrag von 10.000 € im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr nicht überschreitet. Der leistende Unternehmer wird dem Finanzamt erklären können, dass er auf die Anwendung dieser Schwellenregelung verzichtet. Die Erklärung würde den Unternehmer mindestens für zwei Kalenderjahre binden.

Diese Änderung würde dazu führen, dass bei Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und bei auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen, die von einem im Inland ansässigen Unternehmer, der über keine (weitere) Ansässigkeit im übrigen Gemeinschaftsgebiet oder im Drittlandsgebiet verfügt, an Nichtunternehmer erbracht werden, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, der Leistungsort an dem Ort liegt, der sich nach § 3a Absatz 1 UStG bestimmt (Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt oder Betriebsstätte, von der die sonstige Leistung ausgeführt wird), wenn der Gesamtbetrag der Entgelte der bezeichneten sonstigen Leistungen den Betrag von 10.000 € im laufenden Kalenderjahr nicht überschreitet und im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten hat. Der leistende Unternehmer kann auf die Anwendung dieser Umsatzschwelle verzichten mit der Folge, dass sich der Leistungsort der bezeichneten Leistungen (weiterhin) stets an dem Ort befindet, an dem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder seinen Sitz hat. Die Verzichtserklärung würde den Unternehmer mindestens für zwei Kalenderjahre binden.

Hinsichtlich der geänderten Rechnungsstellungsvorschriften ist denkbar, dass in § 14 Abs. 7 UStG eine Ergänzung dahingehend vorgenommen wird, dass abweichend von § 14 Abs. 1 bis 6 UStG gilt: Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 MwStSystRL teil, gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt. Damit würden für alle den Sonderregelungen unterfallenden Umsätze in allen Mitgliedstaaten einheitlich die Vorschriften über die Rechnungsstellung anwendbar sein, die im Mitgliedstaat der Identifizierung des Lieferers bzw. Leistungserbringers gelten, der die Sonderregelungen in Anspruch nimmt.

Die nationalen Gesetzesänderungen dürften dann auf Umsätze anwendbar sein, die nach dem 31.12.2018 ausgeführt werden.

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