Aktuelles zum ermäßigten Umsatzsteuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG:

Neues BMF-Schreiben zur Nichtanwendung des Holzhackschnitzel-Urteils (BFH vom 21.04.2022)

Praxisproblem und BFH Urteil V R 2/22 vom 21.04.2022:

Die Abgrenzung des ermäßigten Steuersatzes von 7 Prozent nach § 12 Abs. 2 UStG vom Regelsteuersatz zu 19 Prozent (§ 12 Abs. 1 UStG), und neuerdings ab dem 01.01.2023 auch von 0 Prozent auf Leistungen im Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen, sorgt immer wieder für Streit der Steuerpflichtigen mit der Finanzverwaltung und beschäftigt daher regelmäßig  auch die Finanzgerichte. Grundsätzlich orientiert sich Deutschland bei der Anwendung und Abgrenzung des ermäßigten Steuersatzes von 7 Prozent auf Gegenstände, die unter § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. mit Anlage 2 zum UStG fallen, am gemeinsamen Zolltarif der EU in der Kombinierten Nomenklatur (KN). Dieser Rückgriff auf die Zolltarifpositionen der KN für die Bestimmung der Gegenstände, auf die der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG Anwendung finden soll, wird den Mitgliedstaaten durch die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) der EU in Art. 98 Abs. 4 UStG (bis zum 05.04.2022 Abs. 3 UStG) ausdrücklich gestattet.

Dass der Rückgriff auf die Zolltarifpositionen der KN allerdings auch nicht immer für eine rechtlich unstrittige Abgrenzung der Steuersätze sorgt, wurde durch das BFH-Urteil V R 2/22 vom 21.04.2022 deutlich. In dem Verfahren war in erster Linie strittig, ob auf Grundlage des Unionsrechts die Lieferung gewisser Holzhackschnitzel ebenfalls dem ermäßigten Steuersatz unterliegt, wie er sich für Brennholz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V. mit Nr. 48 Buchst. a zur Anlage 2 zum UStG ergibt. Nach vorheriger Vorlage beim EuGH hierzu (EuGH-Urteil C-515/20 v. 03.02.2022) entschied der BFH, dass ein Mitgliedstaat, der auf der Grundlage der MwStSystRL einen ermäßigten Steuersatz für Lieferungen von Brennholz schafft, dessen Anwendungsbereich auf bestimmte Kategorien von Lieferungen von Brennholz begrenzen kann, allerdings nur, sofern der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird. Daher, so der BFH zum dort streitrelevanten Sachverhalt, unterlägen Holzhackschnitzel nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. mit Nr. 48 Buchst. a der Anlage 2 zum UStG der Steuersatzermäßigung von 7 Prozent, wenn sie bei richtlinienkonformer Auslegung Brennholz i. S. des Warenbeschreibung der Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a zum UStG seien. Zudem, und das war die eigentliche Quintessenz aus dem Urteil, stehe das Fehlen der hierfür erforderlichen zolltariflichen Voraussetzung dem nicht entgegen, wenn die Holzhackschnitzel und das die zolltarifliche Voraussetzung erfüllende Brennholz austauschbar seien.

Mit dem Urteil des BFH vom 21.04.2022, mit dem der BFH die bestehende Verknüpfung der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Lieferungen von Gegenständen gemäß Anlage 2 zum UStG mit der Zolltarifierung relativiert und die Begünstigung wie im Urteil ausgeführt, von der Sicht eines fiktiven Durchschnittsverbrauchers abhängig gemacht hat, wurde letztendlich einer potentiellen Ausweitung der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes Tür und Tor geöffnet. Die deutsche Finanzverwaltung musste befürchten, dass sich in Zukunft viele Steuerpflichtige auf die BFH-Rechtsprechung berufen würden, um die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf eigentlich nicht durch die Zolltarifpositionen der Anlage 2 begünstigte Gegenstände zu erreichen. Dieser Befürchtung ist das Bundesfinanzministerium jetzt entgegengetreten und hat hierzu am 04.04.2023 einen entsprechenden Nichtanwendungserlass in Form eines BMF-Schreibens veröffentlicht.   

BFM-Schreiben vom 04.04.2023

Mit Schreiben vom 04.04.2023 („Umsatzsteuersatz auf die Lieferungen von Holzhackschnitzeln“, GZ: III C 2 – S 7221/19/10002:004) hat die Finanzverwaltung nunmehr klargestellt, dass das BFH-Urteil vom 21.04.2022 und seine Grundsätze ausschließlich auf die Lieferung von Holzhackschnitzeln anzuwenden ist. Auf andere nicht in der Anlage 2 zu § 12 UStG enthaltene Waren sind die Urteilsgrundsätze nicht anzuwenden. Dabei stellt die Finanzverwaltung weiter klar, dass die im UStG vorgesehene Verweisung auf den Zolltarif weiterhin ein unionsrechtlich zulässig und grundsätzlich auch geeignetes Abgrenzungskriterium für Zwecke der Bestimmung der Steuersätze darstellt.  

Zudem verweist das Bundesfinanzministerium in seinem Schreiben darauf, dass die Regelungen des BMF-Scheibens in allen offenen Fällen anzuwenden sind.

Fazit:

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Finanzverwaltung durch ihr Schreiben vom 04.04.2023 das BFH-Urteil vom 21.04.2022 und seine Grundsätze mit einem Nichtanwendungserlass belegt hat. Damit kann auch das örtlich zuständige Finanzamt einer Argumentation des Steuerpflichtigen, der einen originär nicht zolltariflich begünstigten Gegenstand nach den BFH-Grundsätzen in eine begünstigte Position der Anlage UStG einordnen möchte, durch die verwaltungsintern bindenden Vorgaben aus dem BMF-Schreiben nicht mehr folgen.

Somit bleibt dem Steuerpflichtigen in entsprechenden Fällen nur die Möglichkeit, eine Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz in einem Finanzgerichtsprozess, unter Berufung auf das EuGH-Urteil C-515/20 und BFH-Urteil V R 2/22, kostspielig und langwierig durchzufechten. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass die Finanzverwaltung hier den Geist wieder zurück in die Flasche zwingen kann, sondern es ist davon auszugehen, dass immer mehr Steuerpflichtige dann den Klageweg beschreiten werden.

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