Jordanien als erster Partner der neuen Präferenzursprungsregeln im Pan-Europa-Mittelmeer-Raum

Die EU plant, die Freihandelsabkommen mit 20 Handelspartnern in der Region zu aktualisieren und die darin enthaltenen Ursprungsregeln zu modernisieren. Ziel sind flexiblere und unternehmensfreundlichere Ursprungsregeln. Das Zieldatum für die Annahme dieser Änderungen und ihr Inkrafttreten mit möglichst vielen Vertragsparteien ist der01.09.2021.

Mit Beschluss Nr. 1/2021 (ABl. EU 2021 Nr. L 164) ist Jordanien das erste Land, das sich zur Anwendung der modernisierten Ursprungsregeln mit der EU ab 01.09.2021 bekannt hat.

Die modernisierten Ursprungsregeln wurden bereits am 30.12.2019 im Amtsblatt der Europäischen Union L 339 veröffentlicht. Durch diese Vorschläge werden die bilateralen Abkommen der EU mit folgenden Ländern berührt: Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz, Färöer, Türkei, Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, palästinensische Gebiete‚ Georgien, Republik Moldau, Ukraine, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro, Serbien und Kosovo.

Die wichtigsten eingeführten Verbesserungen sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.

Sicherlich der wichtigste Punkt ist, dass die Regeln der Verarbeitungsliste flexibler und damit einfacher zu erfüllen werden. Kumulative Anforderungen werden teilweise abgeschafft, der Anteil an Vormaterialien ohne Ursprung, die verwendet werden dürfen, wird höher. Die bislang sehr strengen Regeln im Textilbereich werden zumindest ein wenig gelockert (bestimmte Veredelungsvorgänge verleihen den Ursprung). Alternativregeln für Chemikalien sollen die Ursprungsbegründung erleichtern (chemische Reaktionen verleihen den Ursprung).

Die Präferenzkalkulation, d. h. die Ermittlung von Ab-Werk-Preisen und Werten von Vormaterialien ohne Ursprung darf unter bestimmten Voraussetzungen auf Basis von Durchschnittswerten erfolgen, was bisher ein „no-go“ war.

Die Allgemeine Toleranz, aber auch Toleranzen im Textilsektor für Waren, die die Ursprungsregeln nicht erfüllen müssen, werden von 10 % auf 15 % erhöht.

Im Bereich der Kumulierung wird die sog. „volle Kumulierung“ für die meisten Produkte eingeführt, d. h. es können sogar noch nicht ursprungsbegründende Be- oder Verarbeitungen von Partnerländern bei der eigenen Produktion berücksichtigt werden.

Das sog. „Draw-Back-Verbot“ wird für die meisten Produkte abgeschafft, d. h. künftig wird die Produktion in der aktiven Veredelung bei gleichzeitiger Ausstellung von Präferenznachweisen in größerem Umfang möglich.

Die „Direktbeförderungsregel“ wird durch eine flexiblere und modernere „Nicht-Veränderungs-Regel“ ersetzt. Nachweise müssen nun nur noch in Zweifelsfällen vorgelegt werden.

Die EUR-MED wird abgeschafft. Der Präferenzursprung ist mittels EUR.1 oder Ursprungserklärung nachzuweisen. Es ist die Möglichkeit implementiert, vom Prinzip des ermächtigten Ausführers abzuweichen. Seitens der EU könnte dies zumindest im Warenverkehr mit einzelnen Ländern die Einführung des registrierten Ausführers bedeuten.

Da keine Einigung zwischen allen Abkommenspartnern erzielt werden konnte (es scheiterte wohl an der Zustimmung von Algerien, Marokko und Tunesien), sollen die revidierten Regeln zunächst als Alternative zu denen des bisherigen Regionalen Übereinkommens über Pan-Europa-Mittelmeer-Präferenzursprungsregeln (ABL (EU) Nr. L 54/2013) gelten.

Das bisherige Regionale Übereinkommen bleibt somit anwendbar, solange die überarbeitete Fassung nicht einstimmig angenommen wurde. Während dieser Übergangsphase kommt es somit zu einer parallelen Anwendbarkeit des „alten“ Regionalen Übereinkommens und der modernisierten Ursprungsregeln. Die Unternehmen können somit entscheiden, mit welchen Regeln sie kalkulieren möchten. Allerdings wird in den Nachweisdokumenten auch vermerkt werden müssen, welche Ursprungsregeln angewandt wurden, denn insbes. für den Bereich der Kumulierung kann ausschließlich mit den „alten“ oder den „neuen“ Regeln gearbeitet werden, es entstehen somit zwei unterschiedliche Kumulierungszonen.

Wenngleich durch die moderneren und toleranteren Ursprungsregeln eine Vereinfachung für die Wirtschaft angedacht ist, wird dies wohl durch diesen zumindest übergangsweisen höherenadministrativen Aufwand in Frage gestellt. Nichtsdestotrotz lohnt es sich für Unternehmen, sich möglichst frühzeitig mit den neuen Regeln vertraut zu machen, die Anwendbarkeit mit den verschiedenen Handelspartnern zu beobachten und ggf. bereits Schritte zur innerbetrieblichen Umsetzung in die Wege zu leiten.

Link

Amtsblatt der Europäischen Union L 164/1 v. 10.05.2021

Quelle

EUR-Lex

 

 

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