Zu der Möglichkeit der Fahrzeug-Stellplatzvermietung an Wohnungsmieter als (steuerfreie) Nebenleistung zur Wohnungsvermietung

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 10.12.2020, V R 41/19

Praxisproblem

§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG regelt abschließend vier Ausnahmen von der Steuerbefreiung für Vermietungs-/Verpachtungsumsätze:

  • Vermietung von Wohn und Schlafräumen, die zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereitgehalten werden
  • Vermietung von Abstellplätzen für Fahrzeuge
  • Kurzfristige Vermietung von Campingplätzen
  • Die Vermietung und Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtung), auch wenn sie wesentliche Bestandteile des Grundstücks sind.

Bei der Vermietung oder Verpachtung z. B. von Betriebsvorrichtungen zusammen mit Grundstückenstellt sich die Frage, ob umsatzsteuerrechtlich von einer einheitlichen Leistung oder von mehreren selbständigen Leistungen auszugehen ist, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist. Die ältere Rechtsprechung und die Finanzverwaltung haben aus § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG zunächst ein strenges Aufteilungsgebot abgeleitet. Nach dem strengen Aufteilungsgebot könnten Betriebsvorrichtungen auch nicht unter dem Gesichtspunkt der umsatzsteuerrechtlichen Nebenleistung an der Steuerfreiheit der Grundstücksvermietung teilhaben (BFH v. 28.05. 1998, V R 19/96, BStBl II 2010, 307). Aufgrund des EuGH-Urteils vom 18.01.2018, C-463/16, Stadion Amsterdam CV, zweifeln Literatur und die finanzgerichtliche Rechtsprechung, ob das Aufteilungsgebot in § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG (Vermietung von Grundstücken steuerfrei, Vermietung von Betriebsvorrichtungen steuerpflichtig) mit dem Unionsrecht in Einklang steht.

Der BFH hatte in der Revisionssache V R 41/19 über den Fall der Errichtung eines Gebäudekomplexes zu entscheiden, in dessen Verbindungsteil 15 Tiefgaragenstellplätze errichtet wurden. Aufgrund der geplanten kurzfristigen Beherbergung und der Tätigung von steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen machte der Unternehmer die während der Bauphase in Rechnung gestellten Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer geltend. Aufgrund einer geänderten Nutzungskonzeption wurden Teile des Gebäudes umsatzsteuerfrei zu Wohnzwecken vermietet. Entsprechend dieser eingetretenen Nutzungsänderung nahm das FA für die mit den zu Wohnzwecken in Verbindung stehenden Vermietungen von 10 Tiefgaragenstellplätzen eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG vor. Im Rahmen seines Einspruches und der Klage vor dem FG Thüringen machte der Steuerpflichtige/Kläger geltend, dass bei der Vermietung von Wohnraum und der gesonderten Vermietung von Stellplätzen zwei selbständige Leistungen vorliegen würden und hierbei die Vermietung der Tiefgaragenstellplätze an die Wohnungsmieter steuerpflichtig nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG wäre. Von daher wäre eine umsatzsteuerrechtlich relevante Nutzungsänderung nicht eingetreten und ein Vorsteuerabzug möglich.

Das FG Thüringen gab mit Urteil v. 27.06.2019, 3 K 246/19 dem Kläger Recht und bejahte die gesonderte Umsatzsteuerpflicht der Vermietung der Tiefgaragenstellplätze. Für das Gericht war nicht zwingend entscheidend, dass unterschiedliche Mietverträge mit gesondertem Entgelt und unterschiedlichen Kündigungsfristen vorlagen, vielmehr war für das Gericht maßgeblich, dass es „keinen zwingenden wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Wohnungsvermietung einerseits und der Vermietung der Stellplätze andererseits“ gab und dass es „für die Vermietung von Wohnungen und für die Vermietung von Stellflächen jeweils einen eigenständigen Markt gibt“.

Entscheidung

Der BFH hat entschieden, die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen ist wie die Vermietung von Grundstücken für Wohnzwecke steuerfrei, wenn sie im Rahmen eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs mit dieser eng verbunden ist, da die Mietflächen Teil eines Gebäudekomplexes sind und von ein und demselben Vermieter an ein und denselben Mieter vermietet werden. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob andere (externe) Mieter von Stellplätzen Zugang zu diesen hatten, ohne das Mietwohngebäude betreten zu müssen. Es kommt dabei auch nicht darauf an, dass die Wohnungsnutzung auch ohne Stellplatzanmietung möglich ist. Ein "Gebäudekomplex" i. S. d. EuGH-Urteils v. 13.07.1989, "Henriksen", C-173/88, liegt auch dann vor, wenn es sich um ein Vorder- und Hinterhaus mit einem "Zwischenkomplex" handelt. Schließlich spricht es nach dem BFH-Urteil nicht gegen das Vorliegen einer Nebenleistung zu einer Hauptleistung, dass Neben- und Hauptleistung auf unterschiedlichen Märkten erbracht werden können. Die Parkplatzsituation im jeweiligen Mietgebiet ist dabei ebenso unerheblich wie das Interesse an einer bloßen Parkplatzanmietung oder -vermietung.

Praxishinweis

Der BFH hat bestätigt, dass auch für die Ausnahmetatbestände der Steuerbefreiung bei Grundstücken der Grundsatz von Haupt- und Nebenleistung anwendbar sein kann. Bereits mit Urteil v. 29.03.2017, XI R 20/15, BFH/NV 2017, 1195, hatte der BFH entschieden, dass die Rückausnahme  nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG richtlinienkonform einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von zum Verkauf bestimmten Fahrzeugen jedenfalls dann nicht von der Steuerbefreiung ausgenommen ist, wenn sie mit der steuerfreien Vermietung von für einen anderen Gebrauch bestimmten Grundstücksflächen (z. B. u. a. Stellplatz für als Verkaufseinrichtung genutzten (Büro-)Container) eng verbunden ist, sodass beide Vermietungen einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang darstellen.

Was für Fahrzeugstellplätze gilt, muss auch z. B. für Betriebsvorrichtungen gelten, deren Vermietung mit einer Grundstücksvermietung einhergeht, wobei die Frage, ob die Vermietung einer Betriebsvorrichtung Nebenleistung oder Hauptleistung ist, nach den Umständen des Einzelfalls entschieden werden muss. Das vom BFH in seiner Entscheidung v. 28.05.1998, V R 19/96, noch als streng aufgefasste Aufteilungsgebot des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG, das danach keine Einbeziehung der Überlassung von Betriebsvorrichtungen in die Steuerbefreiung der Grundstücksvermietung unter dem Gesichtspunkt der unselbstständigen Nebenleistung zulassen soll, scheint überholt. Außerdem beruht die Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistungen auf einem allgemeinen Grundsatz des Umsatzsteuerrechts, der auch durch eine Regelung wie § 3 Nr. 12 Satz 2 UStG nicht eingeschränkt werden kann. Das uneingeschränkte Aufteilungsgebot bei der Vermietung von Grundstücken und Betriebsvorrichtungen scheint auch durch das EuGH-Urteil v. 18.01.2018, C-463/16, Stadion Amsterdam CV, fraglich geworden zu sein.

Link

BFH, Urt. v. 10.12.2020, V R 41/19

Quelle

Bundesfinanzhof

Ihre Ansprechpartner