Änderungen bei den ermäßigten Steuersätzen im Unionsrecht

Anmerkung zu der Richtlinie 2022/542 v. 5.4.2022

Praxisproblem

Nach Art. 96 MwStSystRL wenden die EU-Mitgliedstaaten bei der Umsatzsteuer einen
Normalsteuersatz an, der nach Art. 97 MwStSystRL mindestens 15 % betragen muss. Außerdem können die Mitgliedstaaten einen oder zwei ermäßigte Steuersätze zu mindestens 5 % anwenden, jedoch nur auf die in Anhang III MwStSystRL aufgeführten Umsätze (Art. 98 MwStSystRL). Eine vollständige unionsrechtliche Harmonisierung der Steuersätze innerhalb der EU ist bisher nicht erreicht worden.

Sachverhalt

Die EU-Kommission hatte dem Rat am 18.1.2018 Vorschläge zur Modernisierung der ermäßigten MwSt-Sätze insgesamt mit einer nahezu vollständigen Freigabe ermäßigter Sätze für die EU-Mitgliedstaaten unterbreitet. Auf Basis dieses Vorschlags hat der Rat am 5.4.2022 die RL (EU) 2022/542 (ABl. EU 2022 Nr. L 107/1) verabschiedet.

Entscheidung

Die Kernpunkte der neuen Steuersatzbestimmungen stellen sich wie folgt dar:

Art. 98 MwStSystRL hat jetzt folgende Fassung (soweit hier wesentlich):

„(1) Die Mitgliedstaaten können höchstens zwei ermäßigte Steuersätze anwenden.
Die ermäßigten Steuersätze werden als Prozentsatz der Bemessungsgrundlage festgesetzt, der mindestens 5 % betragen muss und nur auf die in Anhang III aufgeführten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen angewendet werden darf.
Die Mitgliedstaaten können die ermäßigten Sätze bei höchstens 24 Nummern des in Anhang III enthaltenen Verzeichnisses der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen anwenden.
(2) Die Mitgliedstaaten können zusätzlich zu den zwei ermäßigten Steuersätzen gemäß Absatz 1 dieses Artikels auf unter höchstens sieben Nummern des Anhangs III fallende Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen einen ermäßigten Steuersatz anwenden, der unter dem Mindestsatz von 5 % liegt, oder eine Steuerbefreiung mit Recht auf Vorsteuerabzug gewähren.
Der ermäßigte Satz, der unter dem Mindestsatz von 5 % liegt, und die Steuerbefreiung mit Recht auf Vorsteuerabzug darf nur bei den folgenden Nummern des Anhangs III angewandt werden:
a) den Nummern 1 bis 6 und 10c;
b) jeder weiteren Nummer des Anhangs III, die unter die in Artikel 105a Absatz 1 vorgesehenen Möglichkeiten fällt.
….
(3) Die in den Absätzen 1 und 2 genannten ermäßigten Steuersätze und Steuerbefreiungen sind nicht anwendbar auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen mit Ausnahme der unter Anhang III Nummern 6, 7, 8 und 13 fallenden Dienstleistungen.
(4) Zur Anwendung der in dieser Richtlinie vorgesehenen ermäßigten Steuersätze und Steuerbefreiungen können die Mitgliedstaaten die Kategorien anhand der Kombinierten Nomenklatur und/oder der statistischen Güterklassifikation in Verbindung mit den Wirtschaftszweigen genau abgrenzen.“

Dazu wurden weiter im Anhang III MwStSystRL (Liste der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Leistungen) die Nummern 3, 4, 5, 6, 7, 8, 10, 10a, 11, 13, 15, 18, 19 und 21 neu gefasst.

Ferner wurden die Nummern 10c sowie 11a im Anhang III MwStSystRL ein- und die Nummern 22 bis 29 neu hinzugefügt; die Nummer 14 (Überlassung von Sportanlagen – jetzt in Nr. 13 zu finden) wurde gestrichen.

Praxishinweis

Dem Kommissionsvorschlag einer nahezu vollständigen Freigabe ermäßigter Sätze hat der Rat sich nicht angeschlossen. Die Neuregelungen sind, soweit verpflichtend, von den EU-Mitgliedstaaten zum 1.1.2025 in nationales Recht umzusetzen. Inwieweit der deutsche Gesetzgeber von den Kannbestimmungen betreffend die ermäßigten Steuersätze Gebrauch macht (z.B. Kinderbekleidung oder Fahrradhandel), bleibt abzuwarten.

Neben den Regelungen zu den Steuersätzen wurden auch bestimmte Vorschriften über den Ort von Dienstleistungen geändert. So findet nach dem neuen Art. 53 Abs. 2 MwStSystRL (Ort der Dienstleistung betreffend Eintrittsberechtigungen für kulturelle u.a. Veranstaltungen B2B) diese Ortsbestimmung im Fall der virtuellen Teilnahme an den Veranstaltungen keine Anwendung. In diesem Fall gilt dann die Grundregel nach Art. 44 MwStSystRL (§ 3a Abs. 2 UStG, Leistungsort, wo der Leistungsempfänger ansässig ist). Nach dem neuen Art. 54 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL (Ort der Dienstleistung bei kulturellen u.a. Veranstaltungen B2C) gilt: „Betreffen die Dienstleistungen und die damit zusammenhängenden Dienstleistungen Tätigkeiten, die per Streaming übertragen oder auf andere Weise virtuell verfügbar gemacht werden, so gilt als Ort der Dienstleistung jedoch der Ort, an dem der Nichtsteuerpflichtige ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat.“

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