Neues EuGH-Urteil zur festen Niederlassung im Umsatzsteuerrecht

Praxisproblem

Im Umsatzsteuerrecht ist es im Rahmen der Leistungsbestimmung stets von zentraler Bedeutung, wo eine Leistung ausgeführt wird. Bei sonstigen Leistungen im B2B-Bereich stellt sich dabei immer wieder die Frage, ob diese eigentlich dem Ort zuzurechnen sind, an dem der beteiligte Unternehmer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, oder seiner festen Niederlassung als umsatzsteuerlicher Betriebsstätte. Diese Frage ist besonders bedeutsam, wenn sich der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Land befindet und eine feste Niederlassung in einem anderen unterhalten wird. Eine Antwort zur Ortsbestimmung findet sich im nationalen Umsatzsteuerrecht im § 3a Abs. 2 UStG, der hier eine Unterscheidung danach vornimmt, ob eine sonstige Leistung an den Ort, von dem aus ein Unternehmer sein Unternehmen betreibt oder an dessen Betriebsstätte ausgeführt wird.

In diesem Kontext hat der EuGH in einem neuen Urteil (EuGH Urteil v. 7.4.2022 – C-333/20, Berlin Chemie A. Menarini SRL) nunmehr zur Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen eine feste Niederlassung mit Blick auf Art. 44 Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStR) sowie Art. 11 der Mehrwertsteuerverordnung (MwStVO) bei grenzüberschreitenden Konzernstrukturen begründet wird.

Sachverhalt

Dem EuGH-Urteil lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem eine deutsche AG mittelbar über eine deutsche Tochter-GmbH beherrschend an einer rumänischen Kapitalgesellschaft in Form einer SRL beteiligt war. Die SRL erbrachte an die AG einen Mix aus Marketing-, Regulierungs-, Werbe- und Vertretungsleistungen im Bereich des Vertriebs von Arzneimitteln, wobei die AG der einzige Kunde der SRL war. Die rumänische Gesellschaft stellte ihre Rechnungen ohne rumänische Umsatzsteuer aus, da sie von einem umsatzsteuerlichen Leistungsort in Deutschland als Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der AG ausging.

Die rumänische Finanzverwaltung nahm jedoch an, dass die SRL Dienstleistungen an eine feste Niederlassung der deutschen AG in Rumänien erbracht hatte, die dort auch steuerbar und steuerpflichtig seien. Als Begründung verwies die Finanzverwaltung auf eine für die Begründung einer festen Niederlassung ausreichende technische und personelle Ausstattung, die ihr eben durch die SRL vermittelt worden sei. Die SRL klagte hiergegen mit der Folge, dass im Rahmen des Instanzenganges der Fall nunmehr dem EuGH vorgelegt wurde.

Entscheidung des EuGH

Zentrale Frage des vorlegenden rumänischen Berufungsgerichts war, ob Voraussetzung für eine feste Niederlassung gemäß Art. 44 MwStSysRL und Art. 11 MwSTVO sei, dass die dafür vorausgesetzte technische und personelle Ausstattung dem steuerpflichtigen Unternehmer auch gehören müsse.

Hierzu stellte der EuGH zunächst fest, dass das Vorliegen einer festen Niederlassung einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats nicht allein davon abhängt, dass diese Gesellschaft dort eine Tochtergesellschaft besitzt. Vielmehr seien Voraussetzung für eine feste Niederlassung die in Art. 11 MwStVO genannten materiellen Tatbestandsmerkmale, wonach die Niederlassung einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, dort Dienstleistungen zu empfangen und zu verwenden. Die notwendige Ausstattung, so der EuGH, müsse zwar nicht die eigene sein, der Unternehmer müsse allerdings so befugt sein, über diese wie eine eigene zu verfügen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, habe das vorlegende Gericht zu entscheiden.

Allerdings gibt der EuGH zu beachten, dass im vorliegenden Fall die technischen und personellen Voraussetzungen, die für die AG eine feste Niederlassung begründen könnten, dieselben sind, mit deren Hilfe die rumänische SRL die Dienstleistungen an die deutsche AG erbringt. Als Folge, so der EuGH, kann dieselbe Ausstattung nicht gleichzeitig für die Erbringung und für den Empfang derselben Dienstleistungen verwendet werden.

Fazit

Zunächst einmal ist zu begrüßen, dass der EuGH klargestellt hat, dass nicht jede Tochter- oder Enkelgesellschaft im umsatzsteuerlichen Ausland dort für den Unternehmer eine feste Niederlassung bzw. eine Betriebsstätte begründet. Anderenfalls hätte sich stets die Frage gestellt, inwieweit abhängige Konzerngesellschaften, abgesehen von umsatzsteuerlichen Organschaftsverhältnissen, überhaupt als eigenständige umsatzsteuerliche Unternehmer anzusehen wären und wann und wie diese von dem Handeln einer festen Niederlassung abzugrenzen wären.

So wird es auch weiter nur darauf ankommen, ob die materiellen Voraussetzungen des Art. 11 MwStVO für eine feste Niederlassung erfüllt sind. Dabei müssen laut EuGH nunmehr die notwendigen technischen und personellen Voraussetzungen nicht dem Unternehmer selbst gehören, sondern können ihm auch nur, z.B. aufgrund eines Miet- oder Leasingverhältnisses, zuzurechnen sein.

Aber auch hier hat der EuGH klargestellt, dass eine technische und personelle Ausstattung, die zur Auftragserbringung an einen Unternehmer genutzt wird, nicht gleichzeitig diesem auch eine feste Niederlassung vermitteln kann. Dieser Gedankensprung der rumänischen Finanzverwaltung war dann selbst dem EuGH zu abstrakt.

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