Finanzverwaltung veröffentlicht Entwurf eines BMF-Schreibens zu Fragen der Anwendung der Konsignationslagervereinfachungsregelung

Anmerkung zum BMF-Entwurf eines Einführungsschreibens zur Konsignationslagerregelung (§ 6b UStG)

Praxisproblem

Mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 12.12.2019 (BGBl. I S. 2451) war mit § 6b UStG ab 01.01.2020 eine Vereinfachungsregelung für Lieferungen in Warenlager zu Abrufzwecken im Gemeinschaftsgebiet eingeführt worden (Konsignationslagerregelung für Lager i. S. d. § 6b UStG).

Sachverhalt

§ 6b Abs. 1 UStG regelt, unter welchen Voraussetzungen von der Konsignationslagerregelung auszugehen ist. Ausgangspunkt ist, dass ein Gegenstand aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat transportiert wird (grenzüberschreitendes innergemeinschaftliches Verbringen) mit dem Zweck, dass der Gegenstand erst im Ankunftsmitgliedstaat (nach seinem Transport dorthin) verkauft wird. § 6b Abs. 1 UStG führt in seinen Nrn. 1 bis 4 abschließend und kumulativ die Voraussetzungen auf, die zur Anwendbarkeit der Konsignationslagerregelung führen.

§ 6b Abs. 2 UStG regelt die Rechtsfolge, die sich aus der Konsignationslagerregelung ergibt, in Form einer Fiktion. Wenn die Voraussetzungen nach § 6b Abs. 1 UStG erfüllt sind, wird zum Zeitpunkt der Lieferung des Gegenstands an den Erwerber, sofern diese Lieferung innerhalb der 12-Monatsfrist nach § 6b Abs. 3 UStG bewirkt wird, die Lieferung an den Erwerber einer im Abgangsmitgliedstaat steuerbaren und steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a UStG) gleichgestellt. Überdies wird die Lieferung an den Erwerber einem im Bestimmungsmitgliedstaat steuerbaren innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1a Abs. 1 UStG) gleichgestellt.

§ 6b Abs. 3 UStG regelt den Ausschluss von der Rechtsfolge der Konsignationslagerregelung nach § 6b Abs. 2 UStG in Form einer 12-Monatsfrist. Wird die Lieferung an den Erwerber nicht binnen 12 Monaten nach dem Ende des Warentransports vom Abgangsmitgliedstaat in den Bestimmungsmitgliedstaat bewirkt und ist keine der Voraussetzungen des § 6b Abs. 6 UStG erfüllt, gilt der Warentransport als das einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellte Verbringen (§ 6a Abs. 1 Satz 2 UStG i. V. m. § 3 Abs. 1a UStG) mit den entsprechenden Folgen, die bisher bereits für die Fälle des innergemeinschaftlichen Verbringens gelten.

§ 6b Abs. 4 UStG regelt eine Rückausnahme vom Ausschluss von der Rechtsfolge der Konsignationslagerregelung nach § 6b Abs. 3 UStG. Ein innergemeinschaftliches Verbringen wird danach nicht fingiert, wenn die vom Unternehmer beabsichtigte Lieferung der in den Bestimmungsmitgliedstaat transportierten Ware nicht bewirkt wird und die Ware binnen 12 Monaten nach dem Ende des Warentransports aus dem Bestimmungsmitgliedstaat in den Abgangsmitgliedstaat zurück gelangt und wenn der Unternehmer dieses Zurückgelangen nach Maßgabe des § 22 Abs. 4f UStG gesondert aufzeichnet.

§ 6b Abs. 5 UStG regelt den Fall, dass statt des ursprünglich vorgesehenen Erwerbers ein anderer Unternehmer die in den Bestimmungsmitgliedstaat transportierte Ware kauft.

§ 6b Abs. 6 UStG regelt den Fall, dass eine der Voraussetzungen gem. § 6b Abs. 1 UStG (die in den Bestimmungsmitgliedstaat transportierte Ware soll an einen bestimmten Erwerber verkauft werden) oder des § 6b Abs. 5 UStG (ein anderer als der ursprünglich vorgesehene Erwerber soll die Ware kaufen) binnen eines Zeitraums von 12 Monaten nach Ende des Warentransports wegfällt. Am Tag dieses Ereignisses gilt der ursprüngliche Warentransport wiederum als das einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellte Verbringen (gleiche Rechtsfolge wie nach § 6b Abs. 3 UStG). Solche Fälle können z. B. vorliegen, wenn die Ware binnen 12 Monaten an einen Dritten, der nicht mit dem ursprünglich vorgesehenen Erwerber identisch ist, verkauft wird und auch kein Fall des Erwerberwechsels nach § 6b Abs. 5 UStG vorliegt. Auslöser der Rechtsfolge eines innergemeinschaftlichen Verbringens kann aber z. B. auch sein, dass der Unternehmer binnen 12 Monaten nach Ende des Warentransports im Bestimmungsmitgliedstaat ansässig wird. Weiter regelt § 6b Abs. 6 UStG den Fall, dass die Ware vor ihrer Lieferung oder bei der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat als den Abgangsmitgliedstaat oder in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet wird. Auch für diesen Fall wird der ursprüngliche Warentransport in den Bestimmungsmitgliedstaat einem innergemeinschaftlichen Verbringen gleichgestellt. Schließlich regelt die Vorschrift noch die Fälle der Zerstörung, des Verlustes oder des Diebstahls der Ware nach ihrer Ankunft im Bestimmungsmitgliedstaat. Hier wird der ursprüngliche Warentransport einem innergemeinschaftlichen Verbringen gleichgestellt, das an dem Tag bewirkt gilt, an dem die Zerstörung, der Verlust oder der Diebstahl festgestellt wird

Entscheidung

Der Entwurf eines BMF-Einführungsschreibens zu der Konsignationslagerregelung, der an die Verbände zur Anhörung geleitet worden (und damit öffentlich) ist, zeigt insbesondere, wie § 6b UStG aus Sicht der Verwaltung auszulegen ist. Er enthält einige Passagen, die aus Sicht der Wirtschaft durchaus als praxisnah bewertet werden können.

Praxishinweis

Auf folgende Regelungen des BMF-Entwurfs sei besonders hingewiesen:

Anwendbarkeit der Konsignationslagerregelung ist eine Frage des Sachverhalts

Unter der Bedingung, dass der Abnehmer bereits bei Beginn der  Versendung (aus einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen) feststeht, kann eine Versendungslieferung (d. h. unmittelbare innergemeinschaftliche Lieferung auch dann vorliegen, wenn der Liefergegenstand nach dem Beginn der Versendung für kurze Zeit in einem Auslieferungs- oder Konsignationslager, welches nicht in den Anwendungsbereich der  Konsignationslagerregelung nach § 6b UStG fällt, gelagert wird (vgl. BFH-Urt. v. 20.10.2016, V R 31/15, und v. 16.11.2016, V R 1/16).

Der umsatzsteuerliche Begriff des Lagers

Lager i. S. d. § 6b UStG sind Warenlager, in welche der liefernde Unternehmer oder ein von ihm beauftragter Dritter Gegenstände aus dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaates (Abgangsmitgliedstaat) in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates (Bestimmungsmitgliedstaat) in einen zum Verbleib gedachten Bestand und zur Entnahme nach eigenem Ermessen durch einen dem liefernden Unternehmer bekannten Erwerber befördert oder versendet. Ein Lager i. S. d. § 6b UStG kann z. B. ein Konsignationslager oder ein Auslieferungslager sein. Ein Lager, in welches die Gegenstände der Lieferung gelangen, muss nicht zwingend ein Lager im Sinne eines Gebäudes sein. Eine Zwischenlagerung der Gegenstände in einem Lager i. S. d. § 6b UStG kann an jedem räumlich und physisch bestimmbaren Ort erfolgen, für den eine existente Anschrift und ein vorhandener Inhaber gegeben ist und für den die eingelagerten Gegenstände der Art und Menge nach bestimmbar sind. Die Angaben müssen mit den Aufzeichnungen nach § 22 Abs. 4f UStG übereinstimmen. Hierzu zählen sowohl ortsfeste Behälterlager für körperliche Gegenstände in flüssigem oder gasförmigem Aggregatzustand, z. B. ortsfeste Tanklager (oberirdisch oder unterirdisch), als auch jeder andere räumlich und physisch bestimmbare Ort mit einer eindeutigen Adresse (z. B. Eisenbahnwaggons, Container, Trailer oder Binnenschiffe), wenn hinreichend nachgewiesen wird, dass es sich um ein Lager i. S. d. § 6b UStG handelt. Für eine leichte und eindeutige Nachprüfbarkeit muss daher für jeden Zeitpunkt bis zur Entnahme mit hinreichender Sicherheit leicht und einwandfrei aus den Aufzeichnungen i. S. d. § 22 Abs. 4f UStG erkennbar sein, wo sich die Gegenstände bis zum Zeitpunkt der Entnahme durch den Erwerber befinden.

Liefernder Unternehmer darf nicht im Lagerstaat ansässig sein

Die Konsignationslagerregelung des § 6b UStG kommt nicht in Betracht, wenn der Unternehmer im Bestimmungsmitgliedstaat ansässig ist, d. h. wenn er dort seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte oder in Ermangelung eines Sitzes, einer Geschäftsleitung oder einer Betriebsstätte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies gilt unabhängig davon, ob eine der vorgenannten Ansässigkeitsformen am Liefergeschehen beteiligt ist. Auch ein im Eigentum des Unternehmers befindliches Lager oder ein durch den Unternehmer angemietetes oder gepachtetes Lager, welches mit eigenen Mitteln (z. B. mit eigenem Personal), aus dem Bestimmungsmitgliedstaat betrieben wird, begründet eine solche Ansässigkeit. Eine alleinige Registrierung (USt-IdNr.) für mehrwertsteuerliche Zwecke im Bestimmungsmitgliedstaat begründet noch keine Ansässigkeit.

Konsignationslagervereinbarung mit dem Erwerber der Waren

Die vertragliche Vereinbarung mit dem liefernden Unternehmer bekannten späteren Erwerber muss die Verschaffung der Verfügungsmacht zu einem späteren Zeitpunkt als dem der Beendigung der Beförderung oder Versendung der Ware in das Lager vorsehen. Ausreichend ist ein (Rahmen-)Vertrag, der die Modalitäten bestimmt, unter denen der Erwerber zur Entnahme der im Bestand des Lagers befindlichen Waren berechtigt, aber nicht verpflichtet, ist.

Steht aber der Abnehmer bei Beginn der Beförderung oder Versendung des Liefergegenstandes fest, weil er diesen bereits verbindlich bestellt oder bezahlt hat, gelten nicht die Konsignationslagerregelung, sondern die Regelungen in Abschn. 1a.2 Abs. 6 Satz 6 bzw. Abschn. 3.12 Abs. 3 Satz 8 sowie Abs. 7 Satz 1 UStAE. Für ein Lager i. S. d. § 6b UStG können auch Vereinbarungen mit mehreren bekannten Erwerbern geschlossen werden. Sind entsprechende Vereinbarungen mit mehreren Erwerbern geschlossen, muss für jeden Erwerber entsprechend den Aufzeichnungen nach § 22 Abs. 4f und 4g UStG sichergestellt sein, dass die Gegenstände dem jeweiligen Erwerber eindeutig und klar zugeordnet werden können.

Beförderung der Ware in den Lagerstaat

Die Beförderung oder Versendung in den Bestimmungsmitgliedstaat muss durch den (später liefernden) Unternehmer oder durch einen von ihm beauftragten Dritten erfolgen. Übernimmt der spätere Erwerber den Transport, darf dies für die Anwendung der Konsignationslagerregelung nur ausdrücklich im Namen und für Rechnung des liefernden Unternehmers erfolgen, und ohne dass dem späteren Erwerber bereits die Verfügungsmacht verschafft wird. Hiervon kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn entsprechende handelsübliche Lieferklauseln (z.B. Incoterms®) verwendet werden. Damit sind Fälle, in denen der spätere Erwerber die Waren EXW oder FCA ins Lager abholen möchte, kritisch.

Eine Kombination der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG (Einfuhr mit anschließender steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferung – sog. 42er Verfahren) mit einer Beförderung/Versendung in ein Lager i. S. d. § 6b UStG ist nicht möglich, da es hier an einer unmittelbar ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung fehlt (der Transport der Ware in das Lager ist ja eben kein innergemeinschaftliches Verbringen, das einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellt wäre).

Erwerber (=Abnehmer) der Lieferung

Erwerber einer Lieferung nach § 6b Abs. 1 UStG kann nur sein, wer im Zeitpunkt des Abschlusses der Konsignationslager-Vereinbarung nach § 6b Abs. 1 Nr. 1 UStG Unternehmer ist und die Gegenstände für sein Unternehmen erwerben will. Auch ein Kommissionär kann als berechtigter Erwerber fungieren. Eine Ansässigkeit des Erwerbers im Lagerstaat ist nicht Voraussetzung.

Der dem liefernden Unternehmer bekannte und zur Entnahme der Gegenständeaus dem Lager berechtigte Erwerber muss zum Zwecke der Inanspruchnahme der Konsignationslagerregelung die ihm vom Bestimmungsmitgliedstaat (Lagerstaat) erteilte USt-IdNr. verwenden. Die Verwendung einer anderen als vom Bestimmungsmitgliedstaat erteilten USt-IdNr. schließt die Anwendung des § 6b UStG jedoch aus.

 

Wechsel des Erwerbers

Wird der berechtigte Erwerber durch einen anderen Erwerber innerhalb von 12 Monaten ersetzt muss die vertragliche Vereinbarung für die Substitution bereits am Tag des Wirksamwerdens des Erlöschens der bisherigen (mit dem ursprünglich vorgesehenen Erwerber geschlossenen) wirksam abgeschlossen sein. Es ist auch möglich, dass der neue Erwerber nur über einen Teil der sich im Lager befindlichen Gegenstände eine Vereinbarung abschließt. Auch hier gelten die Regelungen der klaren und eindeutigen Identifizierbarkeit der Gegenstände. Durch den Wechsel eines Erwerbers wird die 12-Monatsfrist nicht verlängert. Die Frist beginnt im Zeitpunkt der ersten Ankunft der Waren im Lager (Einlagerung) im anderen Mitgliedstaat, in den sie versendet oder befördert wurden. Eine im Rahmen der Substitution erfolgende Beförderung durch den Unternehmer an einen anderen Lagerort im Bestimmungsmitgliedstaat bleibt unschädlich und verlängert nicht die 12-Monatsfrist nach § 6b Abs. 3 UStG.

Beispiel 1:

Der deutsche Zulieferer A befördert im Rahmen einer Lagerabrufvereinbarung mit Unternehmer B (berechtigter Erwerber) ab Februar 2001 Motorenteile in ein Lager in Frankreich. Im September desselben Jahres ändern Zulieferer A und Unternehmer B ihre Vereinbarung für den Teil der Motorenteile, die von Unternehmer B noch nicht entnommen wurden. Diese Motorenteile verbleiben im Lager. Gleichzeitig schließt Zulieferer A mit Unternehmer C (weiterer berechtigter Erwerber) eine Vereinbarung über die noch im Lager befindlichen Motorenteile ab. C entnimmt diese Motorenteile im November und Dezember 2001

Im Februar 2001 hat A die Beförderung der Motorenteile aufzuzeichnen und in der ZM die verwendete USt-IdNr. des Unternehmers B anzugeben. Auch der Lagerhalter muss im Februar 2001 die Ankunft der Waren im Bestand registrieren. Für die entnommenen Motorenteile durch Unternehmer B gilt jeweils im Zeitpunkt der Entnahme für A die Annahme einer innergemeinschaftlichen Lieferung und für B die eines innergemeinschaftlichen Erwerbes (§ 6b Abs. 2 UStG). Ab dem Zeitpunkt der Änderung der Vereinbarung im September 2001 tritt die Rechtsfolge des § 6b Abs. 2 UStG für A und B nicht mehr ein. Die Ersetzung des B durch C nach § 6b Abs. 5 UStG ist von A nach § 22 Abs. 4f UStG aufzuzeichnen und in der ZM anzugeben. C hat seine ihm vom Bestimmungsmitgliedstaat (Frankreich) erteilte USt-IdNr. gegenüber A zu verwenden. Bei Entnahme der Motorenteile durch C im November und Dezember 2001 tritt die Rechtsfolge des § 6b Abs. 2 UStG ein.

Beispiel 2:

Sachverhalt wie in Beispiel 1, jedoch erfolgt die neue Vereinbarung mit Unternehmer C erst im Oktober 2001.

Die Vereinbarung mit C im Oktober 2001 stellt somit für die bereits im Lager befindlichen Motorenteile keine wirksame Ersetzung im Sinne des § 6b Abs. 5 UStG dar, da die vertragliche Vereinbarung mit dem neuen Erwerber C nicht bereits am Tag des Wirksamwerdens des Erlöschens der bisherigen Vereinbarung mit B abgeschlossen war. Die Beförderung oder Versendung durch A in sein Lager gilt am Tag des Wegfalls der Voraussetzungen nach § 6b Abs. 1 UStG im September 2001 als ein einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestelltes Verbringen nach § 6b Abs. 6 i. V. m. § 6a Abs. 2 und § 3 Abs. 1a Satz 1 UStG. A unterliegt somit einer Registrierungspflicht im Bestimmungsmitgliedstaat (Frankreich).

Verbleiben der Ware im Bestimmungsmitgliedstaat

Die Konsignationslagerregelung setzt ein Verbleiben des Liefergegenstandes im Bestimmungsmitgliedstaat vom Zeitpunkt der Einlagerung bis zur Entnahme durch den Erwerber voraus. Eine der Entnahme des Liefergegenstandes aus dem Lager nachfolgende Lieferung des Erwerbers über die Grenzen des Bestimmungsmitgliedstaates hinaus, ist unschädlich. Die Beförderung oder Versendung in ein anderes im Bestimmungsmitgliedstaat gelegenes Lager vor Entnahme aus dem ursprünglichen Lager durch den Erwerber führt ebenfalls nicht zum Ausschluss dieser Regelung. Die Beförderung oder Versendung in ein Lager in einem anderen als dem vereinbarten Mitgliedstaat setzt eine Rücklieferung (§ 6b Abs. 4 UStG) voraus. Erfolgt der Verzicht auf die Rücklieferung und werden die Gegenstände unmittelbar in einen weiteren EU-Mitgliedstaat oder ins Drittlandsgebiet befördert oder versendet, tritt die Rechtsfolge nach § 6b Abs. 6 UStG ein.

12-Monatsfrist

Die Konsignationslagerregelung setzt eine Entnahme des Gegenstandes aus dem Lager durch den berechtigten Erwerber binnen eines Zeitraums von 12 Monaten voraus (12-Monatsfrist nach § 6b Abs. 3 UStG). Der Zeitraum von 12 Monaten beginnt am Tag nach Beendigung des Warentransportes im Bestimmungsmitgliedstaat (Einlagerung im Lager). Für die Berechnung der Frist gelten die Grundsätze der Art. 2 und 3 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 vom 03.06.1971. Der (liefernde) Unternehmer hat die Einhaltung der Frist durch Angabe des Tags der Einlagerung und des Tags der Entnahme (Lieferung i. S. d. § 6b Abs. 2 UStG) nachzuweisen. Der Inhalt und der Umfang der Aufzeichnungspflichten ergibt sich aus § 22 Abs. 4f UStG.

FIFO-Verfahren möglich

Aus Vereinfachungsgründen wird es für Waren besonderer Form (Flüssigkeiten, Gase, Schüttgüter) nicht beanstandet, wenn für Zwecke der Fristberechnung das Verfahren FIFO „First in - First out“ angewendet wird. Dieses Verfahren kann auch für andere identische und eindeutig identifizierbare Waren, die nicht als Massengüter anzusehen sind, zur Anwendung kommen. Für identische Waren verschiedener liefernder Unternehmen in einem Lager ist das Verfahren auf den Bestand eines jeden liefernden Unternehmers gesondert anzuwenden.

Wird die Lagerfrist nach § 6b Abs. 3 UStG überschritten und liegt keine der Voraussetzungen des § 6b Abs. 6 UStG vor, ist für die Waren am Tag nach Ablauf der 12-Monatsfrist ein einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestelltes Verbringen i. S. d. § 6a Abs. 2 i. V. m. § 3 Abs. 1a UStG anzunehmen. Hieraus ergibt sich für den liefernden Unternehmer die Pflicht zur Registrierung in dem Mitgliedstaat, in dem sich das Lager befindet. Dies gilt auch dann, wenn das im Bestimmungsmitgliedstaat einem innergemeinschaftlichen Erwerb gleichgestellte Verbringen steuerbefreit wäre. Bemessungsgrundlage für das der innergemeinschaftlichen Lieferung und dem innergemeinschaftlichen Erwerb gleichgestellte Verbringen ist der Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises die Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes und ohne USt (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG).

Rückausnahme durch Rücklieferung (§ 6b Abs. 4 UStG)

Nach § 6b Abs. 4 UStG gilt § 6b Abs. 3 UStG in den Fällen nicht, in denen der Unternehmer die beabsichtigte Lieferung nicht bewirkt hat und der Gegenstand binnen 12 Monaten nach Einlagerung im Lager im Bestimmungsmitgliedstaat in den Abgangsmitgliedstaat zurückbefördert bzw. -versendet wird und der Beginn der Rückbeförderung bzw. -versendung (Rücklieferung) nach § 22 Abs. 4f Nr. 14 UStG aufgezeichnet worden ist.

Ausschluss der Konsignationslagerregelung (§ 6b Abs. 6 UStG) 

Die Fiktion nach § 6b Abs. 2 UStG findet nach ihrem Sinn und Zweck nur auf diejenigen Lieferungen Anwendung, für die die Voraussetzungen nach § 6b Abs. 1 und 5 UStG innerhalb von 12 Monaten nach Ende der Beförderung oder Versendung in den Bestimmungsmitgliedsstaat vorliegen. Die Anwendung der Regelung ist gegenstandsbezogen. Ein Ausschluss der Konsignationslagerregelung für eine bestimmte Lieferung eines oder mehrerer Gegenstände führt daher nicht zur grundsätzlichen Versagung der Regelung für weitere Lieferungen von Gegenständen in ein Lager i. S. d. § 6b UStG.

Unter § 6b Abs. 6 Satz 2 UStG fallen Lieferungen, bei denen ein anderer Erwerber als der nach § 6b Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 5 UStG die Verfügungsmacht an dem Gegenstand erhält. Die Voraussetzungen nach § 6b Abs. 1 und 5 UStG gelten an dem Tag vor der Lieferung als nicht mehr erfüllt. In diesem Fall liegt stets ein einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestelltes Verbringen vor.

Nach § 6b Abs. 6 Satz 3 UStG kommt § 6b Abs. 2 UStG ebenfalls nicht zur Anwendung, wenn der Gegenstand der Lieferung vor der Lieferung oder bei Lieferung (durch den liefernden Unternehmer) in einen anderen Mitgliedstaat als den Abgangsmitgliedstaat oder in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet wird. Vielmehr liegt in diesem Fall am Tag vor der Beförderung oder Versendung ein einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestelltes Verbringen vor. Soll ein sich bereits in einem Lager im Bestimmungsmitgliedstaat befindlicher Gegenstand vor Lieferung aus diesem Lager in ein in einem anderen Mitgliedstaat gelegenes Lager befördert oder versendet werden, bedarf es zur Vermeidung der Ausschlussregelung des § 6b Abs. 6 Satz 3 i. V. m. Satz 2 UStG einer Rücklieferung nach § 6b Abs. 4 UStG in den Abgangsmitgliedstaat.

Kleine Warenverluste innerhalb eines Konsigantionslagers

In den Fällen des § 6b Abs. 6 Satz 4 UStG, in denen der Gegenstand nach dem Ende der Beförderung oder Versendung in das Lager i. S. d. § 6b UStG und vor dem Zeitpunkt der Lieferung durch Zerstörung, Verlust oder Diebstahl verloren geht, ist die Anwendung des § 6b Abs. 2 UStG grundsätzlich ausgeschlossen. Die Voraussetzungen nach § 6b Abs. 1 und 5 UStG gelten an dem Tag, an dem die Zerstörung, der Verlust oder der Diebstahl festgestellt wird, als nicht mehr erfüllt. Gewöhnliche, branchenübliche, sich aus den Erfahrungen der letzten Lagerungsjahre ergebende Mengenverluste von Gegenständen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder infolge unvorhersehbarer Umstände nach dem Ende der Beförderung oder Versendung und vor dem Zeitpunkt der Lieferung entstanden sind, gelten als sog. „kleine Verluste“, für die § 6b Abs. 6 Satz 4 UStG keine Anwendung findet. Von „kleinen Verlusten“ ist im Regelfall auszugehen, wenn diese wert- oder mengenmäßig weniger als 5 % des Gesamtbestands (Freigrenze) der identischen Gegenstände betragen, der an dem Tag der Zerstörung oder des Verlustes oder, falls ein solcher Tag nicht bestimmt werden kann, an dem Tag, an dem die Zerstörung oder das Fehlen der Gegenstände erkannt worden ist, festgestellt wurde.

Beispiel:

Der deutsche Zulieferer A befördert im Rahmen einer Lagerabrufvereinbarung mit Unternehmer B (berechtigter Erwerber) ab Februar 01 5.000 Motorenteile in ein Lager in Frankreich. Am 02.10. 01 werden 6.000 Motorenteile bei einem Diebstahl entwendet und im Rahmen der Inventur stellt A im Dezember 01 fest, dass von den jährlich gelieferten 60.000 Motorenteilen 300 Stück durch Rost unbrauchbar geworden sind. Am Tag der Inventur befinden sich noch 10.000 Motorenteile im Lager. Aus den Unterlagen des A ist zu entnehmen, dass in den Jahren 00 und 01 bereits jährlich 300 bis 400 Motorenteile selbige Mängel durch Verrostung aufgewiesen haben.

Im Februar 01 hat A die Beförderung der 5.000 Motorenteile aufzuzeichnen und in der ZM die verwendete USt-IdNr. des Unternehmers B anzugeben. Für die 6.000 entwendeten Motorenteile tritt am 02.10.01 die Rechtsfolge nach § 6b Abs. 6 Satz 4 UStG ein und die Bestückung des Lagers mit diesen Motorenteilen gilt als einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestelltes Verbringen nach § 6b Abs. 6 i. V. m. § 6a Abs. 2 und § 3 Abs. 1a Satz 1 UStG. A unterliegt für die 6.000 Motorenteile somit einer Registrierungspflicht im Bestimmungsmitgliedstaat (Frankreich) und muss zeitnah die Erteilung einer USt-IdNr. beantragen. Für den im Dezember 01 im Rahmen der Inventur festgestellten Verlust der 300 Motorenteile tritt aus Vereinfachungsgründen (weniger als 5 % des Gesamtbestandes der am Tag der Feststellung im Lager befindlichen identischen Gegenstände) die Rechtsfolge des § 6b Abs. 6 UStG nicht ein. A unterliegt für diese 300 Motorenteile somit nicht einer Registrierungspflicht im Bestimmungsmitgliedstaat (unklar an dieser Stelle ist, ob Frankreich dies als Bestimmungsmitgliedstaat ebenso sehen würde).

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