Wieder Änderungen bei der Steuerbefreiung für Transportdienstleistungen im Zusammenhang mit der Einfuhr und Ausfuhr

Zur Einschränkung der Steuerbefreiung grenzüberschreitender Beförderungen gem. § 4 Nr. 3 Buchst. a UStG aufgrund des EuGH-Urteils C-288/16

Anmerkung zum ergänzenden BMF-Schr. v. 27.09.2021

Praxisproblem

Grenzüberschreitende Beförderung muss unmittelbar an Versender/Empfänger der Ausfuhrware erbracht werden

Der EuGH hatte mit Urteil v. 29.06.2017, C-288/16, L.C., entschieden, dass die in Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL enthaltene Steuerbefreiung grenzüberschreitender Beförderungen im Zusammenhang mit Ausfuhren oder Einfuhren nicht zur Anwendung kommt, wenn die Beförderungsleistung nicht unmittelbar an den Versender oder den Empfänger der Ausfuhrgegenstände erbracht wird. In dem entschiedenen Fall war ein Frachtführer als Subunternehmer von einem Hauptfrachtführer mit der tatsächlichen Durchführung eines Transitfrachttransports vom Hafen Riga nach Weißrussland (aus Sicht Lettlands also in das Drittlandsgebiet) beauftragt worden. Der Subunternehmer übernahm bei den Transportleistungen die Lenkung des Transportmittels, die Reparaturen, die Betankung, die Zollformalitäten an den Grenzübergangsstellen, die Überwachung der Fracht, die Übergabe an den Empfänger und die notwendigen Be- und Entladearbeiten. Er hatte mangels entsprechender Lizenzen aber keinen Frachtführerstatus nach lettischem Recht. Die lettische Finanzbehörde hatte dem Subunternehmer die Steuerbefreiung für die von ihm durchgeführten Beförderungsleistungen versagt, weil keine Rechtsbeziehung zwischen ihm und dem Absender oder Empfänger der Warenladung bestehe und er mangels entsprechender Lizenz nicht als Frachtführer i. S. d. lettischen Güterkraftverkehrsgesetzes angesehen werden könne. Der EuGH hatte die Versagung der Steuerbefreiung bestätigt. Aus dem Wortlaut und dem Zweck des Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL, eine Besteuerung am Bestimmungsort sicherzustellen, ergebe sich, dass ein unmittelbarer Zusammenhang nicht nur voraussetzt, dass die betreffenden Dienstleistungen ihrem Gegenstand nach zur tatsächlichen Durchführung einer Ausfuhr oder Einfuhr beitragen, sondern auch, dass diese Dienstleistungen unmittelbar an – je nachdem – den Ausführer, den Einführer oder den Empfänger der Gegenstände, auf die sich diese Bestimmung bezieht, erbracht werden.

Entscheidung

Einschränkung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 Buchst. a UStG

Die Verwaltung hatte sich bereits mit BMF-Schreiben v. 06.02.2020, BStBl I 2020, 235, dieser Rechtsauffassung des EuGH angeschlossen. Die Steuerbefreiung für Beförderungsleistungen im Rahmen der grenzüberschreitenden Güterbeförderung kommt demnach nur noch dann in Betracht, wenn der Frachtführer diese unmittelbar an den Absender oder den Empfänger der Gegenstände erbringt. Leistungen eines Frachtführers als Subunternehmer sind z. B. auch dann nicht mehr nach § 4 Nr. 3 Buchst. a UStG steuerfrei, wenn die Leistung des Subunternehmers tatsächlich in einer Beförderung von Ausfuhrgegenständen in das Drittlandsgebiet besteht.

Übergangsregelung bis 31.12.2021

Um den Unternehmern mehr Zeit für die Umsetzung zu geben, war die im BMF-Schreiben v. 06.02.2020 verankerte Nichtbeanstandungsregelung, wonach es für vor dem 01.07.2020 ausgeführte Umsätze nicht beanstandet wird, wenn die bisher geltende Rechtslage zu Abschn. 4.3.2 Abs. 4 UStAE angewendet wird, mit BMF-Schreiben v. 14.10.2020, BStBl I 2020, 1015, bis zum 31.12.2021 verlängert worden.

In der Zwischenzeit sind weitere Zweifelsfragen zur Person des Versenders im Zusammenhang mit der EuGH-Entscheidung sowie Schwierigkeiten bei der Umsetzung, insbes. bei programmgesteuerten Abläufen, aufgekommen. Hierzu äußert sich das BMF-Schreiben v. 27.09.2021 in Form des neuen Abschn. 4.3.4 Abs. 3 UStAE.

Praxishinweis

Steuerbefreiung der grenzüberschreitenden Güterbeförderung nur beim Hauptfrachtführer

Die Steuerbefreiung kommt grds. nur für die Leistung des Hauptfrachtführers, nicht aber für die Leistungen der Unterfrachtführer in Betracht, da diese die Beförderungsleistungen nicht unmittelbar an den Versender oder den Empfänger der Gegenstände erbringen, sondern an den Hauptfrachtführer.

Wer ist „Versender“, wer ist „Empfänger“?

Versender ist der liefernde Unternehmer; Empfänger ist der Abnehmer des Gegenstandes.

Zuordnung der Steuerbefreiung, wenn ein Hauptfrachtführer selbst Versender ist (gemischte Sendung)

In Fällen, in denen ein Versender (z. B. ein Händler) oder Empfänger (z. B. Nichtunternehmer oder Unternehmer) einen Hauptfrachtführer (z. B. einen Logistikdienstleister) mit der grenzüberschreitenden Beförderung von Gegenständen beauftragt, dieser hierzu einen Unterfrachtführer (z. B. ein Speditionsunternehmen) beauftragt und neben der Beförderung dieser Gegenstände, z. B. in einem Container oder einem Paket, auch Gegenstände grenzüberschreitend befördert werden, für die der Hauptfrachtführer selbst liefernder Unternehmer und damit Versender ist (gemischte Sendung), kommt die Steuerbefreiung grds. nur für die grenzüberschreitende Beförderung des Unterfrachtführers hinsichtlich der Gegenstände in Betracht, für die der Hauptfrachtführer selbst Versender ist. Die grenzüberschreitende Beförderungsleistung des Unterfrachtführers für die Gegenstände, für die der Hauptfrachtführer jedoch nicht selbst Versender ist, ist wegen der fehlenden Unmittelbarkeit nicht von der Steuerbefreiung umfasst.

Aufteilung der Beförderungsleistung bei einer gemischten Sendung

Die Beförderungsleistung bei solch einer gemischten Sendung ist entsprechend in einen steuerpflichtigen und steuerfreien Teil aufzuteilen. Es wird jedoch von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn diese Leistung, auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs, insgesamt als steuerpflichtig behandelt wird.

Nachweis der Steuerbefreiung

Der Unternehmer (Hauptfrachtführer) muss für die Anwendung der Steuerbefreiung durch Belege nachweisen, dass er i. S. v. § 4 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStG begünstigte Leistungen unmittelbar an den Versender oder den Empfänger erbringt, etwa durch eine beleghafte Erklärung über eine Versendereigenschaft.

Unkenntnis über die Eigenschaft als Versender – Steuerbefreiung im Billgkeitswege

In Fällen, in denen sich herausstellt, dass die Angaben über die Eigenschaft als Versender unzutreffend waren, kann die Steuerbefreiung zur Vermeidung von Unbilligkeiten gleichwohl gewährt werden, wenn der Unternehmer keine Kenntnis davon hatte und auch nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns erkennen konnte, dass die Angaben des Versenders unzutreffend waren. Werden grenzüberschreitende Beförderungsleistungen oder sonstige begünstigte Leistungen im Namen eines Unternehmers, jedoch für Rechnung eines anderen Unternehmers beauftragt und vom ersten Unternehmer die Versendereigenschaft bestätigt, ist davon auszugehen, dass diese Angabe unzutreffend ist.

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