Umsatzsteuer und Abgabenordnung:

Abschließende Neuregelung der Verzinsung nach § 233a AO

Mit dem Newsletter 11/2022 und dem Beitrag „Umsatzsteuer und Abgabenordnung – Teil 2: Ausblick auf die Neuregelung der Verzinsung nach § 233a AO“ haben wir bereits über das Vorhaben der Bundesregierung informiert, die Höhe der Verzinsung nach § 233a AO neu zu regeln (Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung („Zinsanpassungsgesetz (233a)“) vom 30.03.2022).

Nötig war die Neuregelung geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Sommer 2021 (BVerfG Beschluss vom 08.07.2021 – 1 Br. 223/714 sowie 1 Br. 2422/17) entschieden hatte, dass die Zinshöhe von monatlich 0,5 Prozent als verfassungswidrig einzustufen ist. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht die bisherige Verzinsung noch bis zum 31.12.2018 als anwendbar erklärt hatte, wurde dem Gesetzgeber aufgetragen, für das Jahr 2019 und folgende Kalenderjahre eine gesetzliche Neuregelung zur Bestimmung angemessener Zinssätze zu finden. Zum 31.07.2022 ist die vom Verfassungsgericht gesetzte Frist hierzu jetzt ausgelaufen.

Gesetzliche Neuregelung verabschiedet

Nach der Verabschiedung durch Bundestag und Bundesrat wurden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts mittlerweile umgesetzt und das Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung final am 21.07.2022 im Bundesgesetzblatt verkündet.

Der Zinssatz für Zinsen nach § 233a AO wurde dabei jetzt wie im Entwurf der Bundesregierung vom März diesen Jahres vorgesehen, von bisher 0,5 auf 0,15 Prozent pro Monat rückwirkend ab dem 01.01.2019 herabgesetzt. Hierzu wurde ein neuer § 238 Absatz 1a in die Abgabenordnung eingefügt, der nunmehr bei allen der Vollverzinsung unterliegenden Steuerarten, also auch der Umsatzsteuer, anzuwenden ist. In einem ebenfalls neu eingeführten § 238 Abs. 1c AO wurde festgelegt, dass der Zinssatz dabei unter Berücksichtigung des Basiszinssatzes nach § 247 BGB alle zwei Jahre überprüft werden soll, wobei die erste Evaluierung zum 01.01.2024 vorgesehen ist. Der Regierungsentwurf vom 30.03.2022 hatte als turnusgemäßen Evaluierungszeitraum noch jeweils drei Jahre, beginnend ab 2016, vorgesehen.

Sind weiter für einen Zinslauf noch unterschiedliche Zinssätze zu berücksichtigen, ist der Zinslauf in verschiedene Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen (§ 238 Abs. 1b S. 1 AO), wobei Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume jeweils tageweise zu berechnen sind (§ 238 Abs. 1b S. 2 AO) und hierbei jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet wird (§ 238 Abs. 1b S. 2 AO).

Zudem wird die bisher einjährige Festsetzungsfrist für Zinsen an die Ablaufhemmung der Steuerfestsetzungsfristen nach § 171 Abs. 10 und 10a AO angepasst und auf zwei Jahre verlängert (§ 239 Abs. 1 AO).

Auf Verzinsungen von Steuerguthaben ab 2019 sind die Vertrauensschutzregelungen des § 176 Abs. 1 Nr. 1 AO anzuwenden, sodass bei der Änderung oder Aufhebung eines Steuerbescheides keine Zinsfestsetzung bei der rückwirkenden Berechnung zu Lasten des Steuerpflichtigen aufgrund des neuen Zinssatzes vorgenommen werden darf.

Wie bereits im Regierungsentwurf vorgesehen, betrifft die neue Zinsregelung aller Voraussicht nicht die Höhe der Verzinsung von Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen nach den §§ 234, 235 und 237 AO. Hier bleibt es bei dem bisherigen Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat.

Neues BMF-Schreiben zu § 233 bis § 239 AO vom 22.07.2022

Unmittelbar nach Verabschiedung des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung hat das Bundesfinanzministerium ein neues Schreiben am 22.07.2022 veröffentlicht, in dem praktische Fragen zur Änderung der Zinshöhe aufgegriffen wurden (BMF-Schreiben vom 22.07.2022 „Änderungen der §§ 233 bis 239 AO durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 12. Juli 2022“, GZ: IV A 3 – S 1910/22/10040:010, Dok.: 2022/0666774).

Neben Fragen zum Erlass von Nachzahlungszinsen bei freiwilligen Zahlungen und Details zur Neuregelung des § 238 AO regelt das BMF-Schreiben eine Übergangsregelung hinsichtlich der Anwendung des neuen Zinssatzes. Danach können, solange die Neuregelung in § 238 Absatz 1a und 1b AO technisch und organisatorisch noch nicht umgesetzt werden kann, Zinsfestsetzungen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 nach Artikel 97 § 15 Absatz 16 EGAO in entsprechender Anwendung von § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 und Satz 4 sowie Absatz 2 AO weiterhin vorläufig ergehen bzw. ausgesetzt werden. Dieses ähnelt insoweit der bisherigen vorläufigen Zinsfestsetzung.

Fazit

Durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung dürften die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, was die Höhe der Verzinsung nach §§ 233a, 238 AO anbelangt, zur Genüge umgesetzt worden sein. Dabei ist mit der Verzinsung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen mit 0,15 % pro Monat bzw. 1,8 % pro Jahr ab dem 01.01.2019 eher eine marktkonforme Verzinsung zu erreichen als es die Vorjahre üblich war. Ebenso ist im Sinne eines marktüblichen Zinsniveaus erfreulich, dass im Rahmen der parlamentarischen Beratungen durchgesetzt wurde, das Zinsniveau, anders als noch im Regierungsentwurf vorgesehen, alle zwei Jahre zu überprüfen und dieses erstmals bereits zum 01.01.2024.

Weiter ist zu hoffen, dass auch die Verzinsung für Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen eine zeitnahe Überprüfung erfährt und auch hier eine Reduzierung der Zinssätze durch den Gesetzgeber erreicht wird. Erste Überlegungen diesbezüglich scheint es bereits zu geben.

Wie bereits im Newsletter 11/2022 erwähnt, ist zudem davon auszugehen, dass sich durch den nunmehr reduzierten Zinssatz in so manch einer steuerlichen Außenprüfung Debatten mit dem Betriebsprüfer über an sich steuerneutrale Vorgänge, bei denen sich Geschäftsvorfälle über die einzelnen Perioden ausgleichen, reduzieren oder erübrigen werden. Insoweit es der Betriebsprüfung in der Vergangenheit dabei auf ein Mehrergebnis aufgrund von Zinsfestsetzungen ankam, dürfte dieses nun weniger bedeutsam sein, zumindest so lange bis es aufgrund steigender Basis- und Markzinssätze hier wieder zu höheren Zinssätzen kommt.

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