Neues zum Verzicht auf Umsatzsteuerbefreiung bei Grundstückslieferungen

Anmerkung zum BFH Urteil XI B 60/20

Praxisproblem

Bei dem Beschluss des BFH vom 25.01.2022 zur Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Hessischen FG vom 14.9.2020, (6 K 1277/19, n. v.) ging es um die Frage, ob es klärungsbedürftig ist, dass § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG, der den Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG bei Lieferungen von Grundstücken außerhalb von Zwangsversteigerungsverfahren, jedoch nicht dessen Widerruf regelt, einer nachträglichen formwirksamen Optionsausübung auch dann entgegensteht, wenn sie zwischen den Vertragsbeteiligten einvernehmlich erfolgt und keine Gefahr von Steuerausfällen besteht.

Sachverhalt

Das FG war davon ausgegangen, dass die Veräußerung des betreffenden Grundstücks durch den Kläger an seine Ehefrau nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei erfolgt war, weil der Kläger einen Verzicht auf die Steuerfreiheit nicht wirksam i.S. des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG erklärt hatte. Der Kläger hatte gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde eingelegt.

Entscheidung

Der BFH verweist bei seiner Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers auf seine bisherige Rechtsprechung. Danach schließt der Wortlaut des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG eine Option zur Steuerpflicht in einer nachfolgenden Neufassung des notariellen Vertrags, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben (§ 311b Abs. 1 Satz 1 BGB), und der der Auflassung und der Eintragung in das Grundbuch vorhergeht (§ 311b Abs. 1 Satz 2 BGB), selbst dann aus, wenn diese - wie im Streitfall durch eine notariell beurkundete Vertragsergänzung zum vorangegangenen notariellen Kaufvertrag - gleichfalls notariell beurkundet wurde. Ein späterer Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG ist unwirksam, auch wenn er notariell beurkundet wird, da der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG eine Regelung getroffen hat, die nicht lediglich die Form des Verzichts auf die Umsatzsteuerbefreiung, sondern auch den Zeitpunkt der Optionsausübung bestimmt.

Praxishinweis

Der Beschluss des BFH zeigt, dass eine Option zur Steuerpflicht bei einem Grundstücksverkauf i.S. von § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG (außerhalb von Zwangsversteigerungsverfahren) gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG unbedingt und nur in dem gemäß notariell zu beurkundenden Vertrag ausgeübt werden kann. § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG ermöglicht nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung nach ihrem Wortlaut in diesen Fällen den Verzicht „nur in dem“ der Grundstückslieferung zugrunde liegenden notariell zu beurkundenden Vertrag. Dies ist der Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der der Auflassung und der Eintragung in das Grundbuch vorhergeht. Danach schließt der Wortlaut des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG eine Option zur Steuerpflicht in einer nachfolgenden Neufassung dieses Vertrages selbst dann aus, wenn diese gleichfalls notariell beurkundet wurde (vgl. BFH v. 21.10.2015, XI R 40/13, BStBl II 2017, 852).

Allerdings kann nach dem BFH-Beschluss vom 2.7.2021, XI R 22/19, der Widerruf der Option außerhalb dieser notariellen Urkunde erfolgen. Er ist möglich, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung noch anfechtbar oder noch nach § 164 AO änderbar ist. Der Wortlaut des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG betrifft nur den auf die Steuerbefreiung (formal und auch zeitlich) begrenzten Verzicht. Die Regelung betrifft nicht den Widerruf.

Aus dem BFH-Beschluss lässt sich damit erneut erkennen, welche Bedeutung dem ursprünglichen notariell-beurkundeten Kaufvertrag bei der Lieferung von Grundstücken zukommt. Daher sind hier insbesondere aus umsatzsteuerlichen Gründen hohe Sorgfaltspflichten durch die Kaufvertragsparteien, den steuerlichen Berater und die zuständigen Notare bei Grundstücksverkäufen und dem Verzicht auf eine steuerbefreite Lieferung anzuwenden. Wir als AWB stehen Ihnen in diesen Fällen gern unterstützend zur Seite.

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