Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG bei Reverse Charge Fällen

Anmerkungen zum BFH Urteil V R 33/18

Praxisproblem:

Soweit bei einem betrieblich angeschafften Wirtschaftsgut ein Vorsteuerabzug vorgenommen wurde, stellt sich dem Unternehmer häufig die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen ist. Dieses gilt vor allem dann, wenn sich die mit dem Wirtschaftsgut verknüpften Ausgangsumsätze im Verhältnis steuerfrei zu steuerpflichtig ändern.

Eine Antwort hierauf ergibt sich aus § 15a UStG. Ändern sich danach bei einem Wirtschaftsgut, das nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird [Anmerkung: in der Regel Anlagevermögen], innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Bei Grundstücken einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile verlängert sich dieser Berichtigungszeitraum auf zehn Jahre (§ 15a Abs. 1 Satz 2 UStG). Eine analoge Berichtigungspflicht ergibt sich über § 15a Abs. 2 UStG auch für Umlaufvermögen, wobei die Berichtigung dann vollständig in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen ist, in dem sich die Nutzungsverhältnisse geändert haben.

Über eine entsprechende Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG im Rahmen eines Reverse-Charge-Sachverhaltes nach § 13b UStG hatte der BFH jetzt in seinem Urteil vom 01.02.2022 V R 33/18 zu entscheiden.

Sachverhalt:

Zwischen der Klägerin, einer niederländische Kapitalgesellschaft, und dem Finanzamt als Beklagtem war streitig, ob die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges nach § 15 UStG in der in den Jahren 2015 bis 2017 (Streitjahre) geltenden Fassung vorliegen.

Dabei war die Klägerin bis zum 31.12.2017 an einer inländischen vermögensverwaltenden C-GmbH & Co. KG (KG) beteiligt. Die KG hatte zum 01.06.2007 ein Grundstück erworben, bei dem der Verkäufer zu 71,41 % anteilig der damaligen steuerpflichtigen Gebäudenutzung zur Umsatzsteuer teil-optiert hatte. Nach dem Erwerb vermietete die KG das Gebäude ebenfalls zu 71,41 % umsatzsteuerpflichtig.

Zum 31.12.2017 wurde die KG auf die Klägerin verschmolzen.

In der von der Klägerin für die KG eingereichten Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2007 war die Zeile "Vorsteuerbeträge aus Leistungen im Sinne des § 13b Abs. 1 UStG (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG)" nicht ausgefüllt. In der Anlage UR waren keine "Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen (§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG)" angegeben. Das FA setzte die Umsatzsteuer für 2007 erklärungsgemäß fest. Ab Februar 2015 bis April 2015 vermietete die Klägerin das Grundstück nur noch zu 27,7 % umsatzsteuerpflichtig und seit dem 1.5.2015 ausschließlich umsatzsteuerfrei.

Im Umsatzsteuerbescheid 2015 und in den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheiden Januar 2016 bis Februar 2017 setzte das FA eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG fest. Der Einspruch der Klägerin dagegen blieb erfolglos. Die vor dem FG von der Klägerin eingereichte Klage wurde abgewiesen (FG Düsseldorf, Urteil v. 28.9.2018 - 1 K 1352/17 U), wogegen sich die Klägerin dann einem Revisionsverfahren an den BFH gewandt hat.

Entscheidung des BFH:

Der BFH hat die Revision hinsichtlich der Jahre 2015 und 2016 als unbegründet zurückgewiesen; für das Jahr 2017 hat der BFH das vorangegangene FG Urteil aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben und die Klage auch in der Sache abgewiesen.

Dabei stellte der BFH als zentrale Aussage zunächst fest, dass die Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG einen ursprünglichen Vorsteuerabzug voraussetzt. Der Vorsteuerabzug kann sich weiter, so der BFH, in den Fällen des § 13b UStG a.F. (Reverse-Charge-Fälle) auch aus der Saldierung der Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 2 Satz 1 UStG a.F. mit dem Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG ergeben.

Ob ein derartiger Vorsteuerabzug vorliegt, richtet sich nach dem für das Abzugsjahr vorliegenden Steuerbescheid. Wesentliches Merkmal für diesen ist gem. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO die festgesetzte Steuer, während die dieser Steuer zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen nach § 157 Abs. 2 AO nur einen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids bilden.

Danach ist im Streitfall von einer Berichtigung abgezogener Vorsteuerbeträge auszugehen. Die KG war für den Grundstückserwerb in 2007 Steuerschuldnerin gem. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 1 UStG a.F. und zugleich für dieses Jahr zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG berechtigt. Der Anspruch auf Vorsteuerabzug entstand nach dieser Vorschrift für den Voranmeldungszeitraum der Leistungsausführung, ohne dass es hierfür, wie die Klägerin ohne Erfolg vorträgt, in rechtlicher Hinsicht auf eine "Anmeldung der Steuer" ankam.

Der BFH folgert weiter, dass die Steuer für die in § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. genannten Umsätze - unabhängig von der Erklärung durch den Steuerpflichtigen - mit Ausstellung der Rechnung gem.
§ 14a Abs. 5 UStG, spätestens mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats entstanden ist. Dass die Klägerin die nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. entstandene Umsatzsteuer nicht erklärt hat, lässt sich nur durch die Saldierung mit dem Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG erklären. Denn andernfalls hätte die Klägerin es pflichtwidrig unterlassen, die nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. entstandene Umsatzsteuer zu erklären.

Mit Blick auf das beklagte Finanzamt führt der BFH aus, dass dieses trotz Kenntnis des Grundstückserwerbs keine Umsatzsteuer auf den Grundstückserwerb gesondert erfasst hat. Deshalb ist davon auszugehen, dass es die Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 2 Satz 1 UStG a.F. mit dem damit korrespondierenden Vorsteuerabzug letztlich saldiert hat. Andernfalls wäre die Umsatzsteuerfestsetzung für 2007 zu niedrig festgesetzt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Steuerschuldner das FA anderweitig über Steuerschuld und Vorsteuerabzug in Kenntnis setzt. So ist es im Streitfall.

Unionsrechtliche Zweifel sah der BFH insgesamt nicht und hat weiter festgestellt, dass sich die die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse (vgl. § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG) im Streitfall innerhalb des zehnjährigen Berichtigungszeitraums (Juni 2007 bis Mai 2017) geändert haben. Denn die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat das Grundstück ursprünglich zu 71,41 % zur Ausführung von umsatzsteuerpflichtigen Ausgangsumsätzen verwendet, ab Februar 2015 bis April 2015 wurde das Grundstück nur noch zu 27,7 % umsatzsteuerpflichtig und seit dem 1.5.2015 ausschließlich umsatzsteuerfrei vermietet.

Fazit:

Dass sich eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG bei einer Änderung der Nutzungsverhältnisse im jeweiligen Berichtszeitraum von 5 bzw. 10 Jahren grundsätzlich auch auf nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG in Abzug gebrachte Vorsteuern aus einem Reverse Charge Eingangsumsätzen bezieht, ist rechtlich unproblematisch und dürfte so in der Praxis vom betroffenen Steuerpflichtigen auch erkannt werden. Analog ist zu verfahren, wenn Vorsteuer aus einem innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG zu berichtigen ist.

Neu an dem BFH-Urteil vom 01.02.2022 ist, dass auch ein berichtigungsfähiger Vorsteuerabzug angenommen wird, wenn dieser zusammen mit der entstandenen Umsatzsteuer nach § 13b gar nicht vom Steuerpflichtigen in dessen Umsatzsteuererklärungen erklärt wurde. Die Begründung des BFH ist hier simpel: da eine Steuer nach § 13b UStG unabhängig von einer Umsatzsteuererklärung entstanden ist, hätte die Klägerin diese erklären müssen. Das Unterlassen lässt sich nur dadurch erklären, dass die Umsatzsteuer mit dem Vorsteuererstattungsanspruch in gleicher Höhe saldiert wurde und damit die Klägerin die Umsatzsteuer wie Vorsteuerabzug de facto erklärt hat.

Aus dieser Entscheidung zeigt sich, dass entstandene Umsatzsteuer und Vorsteuerabzug aus Reverse Charge Fällen nach § 13b Abs. 1 und Abs. 2 UStG nicht bloße Verrechnungshilfen in Form eines umsatzsteuerlichen Nullsummenspiels sind. Es ist darauf zu achten, dass auch im Falle eines Reverse-Charge Eingang-Umsatzes Umsatzsteuer erklärt und eine etwaig bestehende Vorsteuerabzugsberechtigung auch so in den Umsatzsteuervoranmeldungen und -jahreserklärungen ausgeübt wird. Hierauf bauen dann folgende Berichtigungspflichten nach § 15a UStG auf. Und das gilt dann auch, wie der BFH nun zeigt, wenn die Vorsteuer in einem steuerneutralen Vorgang nicht explizit erklärt wurde. Bei Fragen hilft Ihnen das USt-Team der AWB gern weiter.

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