Besonderheiten und Neuerungen im Freihandelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich

„Wie geht’s nun weiter und was müssen wir beachten?“ – Diese Fragen werden sich aktuell viele Unternehmen stellen, da zur Überraschung vieler „in letzter Sekunde“ mit dem Vereinigten Königreich vor Auslaufen der Übergangsfrist ein Freihandelsabkommen, das Trade and Cooperation Agreement (TCA), erfolgreich ausgehandelt wurde.

Im Hinblick auf einen begünstigten Warenhandel ist dies grds. als positiv zu bewerten, hatten sich die meisten Unternehmen doch auf einen „harten Brexit“ vorbereitet. Um nun von den Vorteilen des Abkommens profitieren zu können und um Kosten einzusparen, sollten erforderliche Umsetzungen und Anpassungen in den Unternehmen schnellstmöglich erfolgen.

Wie bereits in den vorherigen Newslettern Nr. 17/2020 als auch Nr. 1/2021 mehrfach betont wurde, bedeutet ein Freihandelsabkommen nicht, dass grds. keine Zölle bzw. Zollformalitäten anfallen.

Für Ursprungswaren werden die Zölle auf null Prozent gesenkt. Unberührt davon finden die allgemeinen Zollformalitäten vollumfänglich Anwendung.

Allgemeine Hinweise

Das Freihandelsabkommen findet zunächst vorläufig Anwendung. Ebenso kann die deutsche Sprachfassung aufgrund der kurzen Zeitspanne zwischen Beschluss und Veröffentlichung noch sprachjuristische Unstimmigkeiten enthalten, weshalb die englische Sprachfassung zu empfehlen ist.

In vielen Punkten erinnert der Ursprungsteil des TCA an das Abkommen der EU mit Japan (JEFTA). Sowohl die Voraussetzungen als auch die Formulierungen sind häufig zumindest ähnlich. Insbes. im Vergleich zum Regionalen Übereinkommen sollte darauf geachtet werden, dass viele Aspekte ähnlich, aber im Detail doch unterschiedlich sind.

Listenregeln

Die Listenkriterien für die ausreichende Be- oder Verarbeitung sind im Freihandelsabkommen im Anhang ORIG-2 zu finden.

Hierbei handelt es sich um folgende Möglichkeiten der Ursprungsgewinnung:

  • Tarifsprung (CC / CTH / CTSH)
  • Bestimmtes Herstellungsverfahren
  • Höchstwerte von Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft
  • (Netto-) Höchstgewichte von Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft

Im Zusammenhang mit den Höchstwerten sollte auf eine Neuerung aufmerksam gemacht werden. Für die Kalkulation müssen wie sonst auch grds. die Zollwerte der Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft herangezogen werden. Falls für die Vormaterialien kein Zollwert vorliegt, weil die Waren beispielshaft nicht selbst importiert worden sind, darf in diesen Fällen der erste Verkaufspreis im Zollgebiet der Union bzw. im Vereinigten Königreich verwendet werden. Der Wert der bei der Herstellung des Erzeugnisses verwendeten Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft kann allerdings nach den in der Vertragspartei allgemein anerkannten Buchführungsgrundsätzen auf der Grundlage der Formel des gewogenen Durchschnittswerts oder einer anderen Methode zur Bewertung des Bestands berechnet werden.

Bei den Listenregeln sind für gewisse Warengruppen Übergangsregelungen zu beachten. Diese sind im Anh. ORIG-2A und Anh. ORIG-2B zu finden.

Der Anh. ORIG-2A sieht Übergangsregelungen bis zum 31.12.2026 für Thunfischkonserven und Aluminiumerzeugnisse vor. Konkret handelt es sich hierbei um Kontingente und alternative Ursprungsregeln.

Der Anh. ORIG-2B erfasst alternative Ursprungsregeln für Waren der Positionen (HS) 8507 und 8702-8704.

Kumulierung

Für den Fall einer Kumulierung gem. Artikel ORIG.4 im Rahmen des TCA ist zu beachten, dass nur bilateral zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich kumuliert werden kann.

Sofern ein Erzeugnis durch Kumulierung mit Ursprungvormaterialien aus dem VK und der EU als Ursprungserzeugnis der EU einzustufen ist, ist zu bedenken, dass dieser Status nur im Rahmen dieses Handelsabkommens gilt. Sofern die Waren aus der EU in ein Land geliefert werden, mit dem die EU ein anderes Handelsabkommen geschlossen hat, kann der Ursprungscharakter nicht anerkannt werden. Dies hätte zur Folge, dass in der einführenden Vertragspartei trotz bestehenden Handelsabkommens Zölle anfallen können.

An dieser Stelle ist auch auf den Newsletter 1/2021 zu verweisen, in dem bereits thematisiert worden ist, dass Unternehmen mit Produktionsketten innerhalb der EU und innerhalb des Vereinigten Königreichs in der Zukunft an den Kumulierungsregelungen womöglich nicht mehr vorbeikommen.

Ursprungsnachweis

Das Freihandelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich ist der neueren Generation an Handelsabkommen zuzuordnen, sodass förmlich ausgestellte Präferenzpapiere vollumfänglich durch Erklärungen zum Ursprung (EzU) oder durch die Gewissheit des Einführers ersetzt worden sind.

Auf der Erklärung zum Ursprung muss ein EU-Exporteur ab einem Sendungswert von 6.000,00 EUR seine REX-Registrierungsnummer angeben. Ein VK-Exporteuer muss nach Mitteilung der deutschen Zollverwaltung für jede Erklärung zum Ursprung, unabhängig vom Sendungswert, seine GB-EORI-Nummer angeben.

Die Erklärung zum Ursprung kann sowohl für eine Einzelsendung als auch für Mehrfachsendungen verwendet werden, wenn diese als „identisch“ einzustufen sind. In ATLAS ist eine Einfuhr mit einer Erklärung zum Ursprung für eine Einzelsendung mit U116 zu codieren. Eine Erklärung zum Ursprung für eine Mehrfachsendung ist mit U118 zu codieren.

Neben der Erklärung zum Ursprung kann auch die Gewissheit des Einführers genutzt werden. Hierbei ist aber zu bedenken, dass belastbare Informationen vorliegen müssen, um diese Form des Nachweises zu nutzen (z. B. elektronischer Zugriff auf die Daten). Bei einer Einfuhr muss diese Art des Präferenznachweises mit U117 codiert werden.                                    

Wie bei förmlichen Präferenznachweisen kann im Falle einer Erklärung zum Ursprung ein Nachprüfungsersuchen mit den Behörden des Ausfuhrlandes eingeleitet werden. Für den Nachweis der Gewissheit des Einführers besteht diese Möglichkeit nicht. In diesen Fällen muss die Zollverwaltung die belastbaren Informationen vom Einführer anfordern. Wenn sich herausstellen sollte, dass derartige Informationen nicht vorliegen, wird die Ursprungseigenschaft nicht anerkannt.

Bzgl. der Erklärung zum Ursprung für Mehrfachsendungen ist zu beachten, dass die Erzeugnisse hierfür „identisch“ sein müssen.

Fraglich ist, wann ein Erzeugnis als „identisch“ einzustufen ist. Dieser Begriff wird in diesem Zusammenhang nicht legal definiert. Jedoch wurde dieser unbestimmte Rechtsbegriff bereits bei JEFTA verwendet. Im Merkblatt zum JEFTA-Abkommen wurde dieser von der deutschen Zollverwaltung ausgelegt. Diese Auslegung könnte daher ggf. hilfsweise herangezogen werden.

Für Warensendungen innerhalb des Zollgebiets der EU wird der Ursprung mithilfe von Lieferantenerklärungen nachgewiesen. Aufgrund der kurzfristigen Implementierung des Abkommens kann das Problem entstehen, dass Exporteure die Lieferantenerklärungen häufig nicht verwenden können, weil die Lieferanten (noch) nicht bestätigt haben, dass die Waren auch als Ursprungswaren im Warenverkehr mit dem VK gelten. Um zu vermeiden, dass Exporteure für diesen Übergangszeitraum noch nicht vom Abkommen profitieren können, dürfen diese auch bereits jetzt Erklärungen zum Ursprung ausstellen. Die als Nachweis erforderlichen Lieferantenerklärungen müssen sich bis zum 01.01.2022 in deren Besitz befinden.

Buchmäßige Trennung

Im Grundsatz sollen Vormaterialien bzw. Erzeugnisse mit und ohne Ursprung aufgrund des Nämlichkeitsprinzips getrennt voneinander gelagert werden.

Sowohl in JEFTA als auch im TCA ist das Verfahren der buchmäßigen Trennung vorgesehen. Das Freihandelsabkommen sieht keine Bewilligungspflicht vor, jedoch bleibt die endgültige Entscheidung den Vertragsparteien vorbehalten.

Das Verfahren kann genutzt werden, wenn die Vormaterialien bzw. Erzeugnisse als „austauschbar“ einzustufen sind.

Beim Warenkreis sind Besonderheiten zu beachten. Im Unterschied zu anderen Handelsabkommen umfasst der Warenkreis nicht nur Vormaterialien, sondern auch Erzeugnisse bestimmter Zolltarifkapitel. Somit können zukünftig auch Handelsunternehmen von dieser Regelung profitieren.

Das Zoll-Team der AWB steht Ihnen bei weiteren Fragen jederzeit gerne zur Verfügung. Sprechen Sie uns einfach an.

Links

ATLAS-Info 0109/20

ATLAS-Info 0111/20

Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft

BREXIT: END OF TRANSITION PERIOD FAQs ON TAX AND CUSTOMS

Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland andererseits, ABl. EU 2020 Nr. L 444/14 v. 31.12.2020

Durchführungsverordnung (EU) 2020/2254 der Kommission vom 29. Dezember 2020 über die Ausfertigung von Erklärungen zum Ursprung auf der Grundlage von Lieferantenerklärungen für präferenzbegünstigte Ausfuhren in das Vereinigte Königreich während eines Übergangszeitraums, ABl. EU 2020 Nr. L 446/1 v. 31.12.2020

Quellen

EUR-Lex

Zoll.de

 

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