Änderung bei der Reisemargenbesteuerung

Anmerkung zu: BMF-Schr. v. 29.01.2021 zur Margenbesteuerung von Reiseleistungen durch Drittlandsunternehmer

Praxisproblem

Eine sonstige Leistung, die in einer einheitlichen, der Margenbesteuerung unterliegenden Reiseleistung besteht (§ 25 Abs. 1 UStG) wird nach § 3a Abs. 1 UStG an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung. Die Anknüpfung zur Bestimmung des Besteuerungsortes bei Dienstleistungen der Reiseveranstalter an die feste Niederlassung, von wo aus diese Leistungen erbracht werden, soll der möglichen Vielfalt der Tätigkeit der Reiseveranstalter an verschiedenen Orten im Gebiet der EU Rechnung tragen (vgl. EuGH-Urt. v. 20.02.1997, DFDS, C-260/95). Nach Ansicht des EuGH könnte nämlich die systematische Anknüpfung an den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit zu Wettbewerbsverzerrungen führen, da sie für Unternehmen, die in einem Mitgliedstaat tätig sind, ein Anreiz sein könnte, ihren Sitz in der Absicht, der Besteuerung zu entgehen, im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu nehmen, der von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die betreffenden Leistungen weiterhin von der MwSt zu befreien.

Der Anreiz der Sitzverlagerung könnte gleichfalls im Verhältnis zum Drittland bestehen. Mithin ist auch eine Dienstleistung, die ein im Drittland ansässiger Reiseveranstalter für einen Reisenden von einer festen Niederlassung in einem Mitgliedstaat aus erbracht hat, in dem Staat zu besteuern, in dem diese feste Niederlassung liegt (vgl. BFH v. 07.10.1999, V R 79, 80/98, BStBl II 2004, Abschn. 25.1 Abs. 6 UStAE).

Sachverhalt

Vor diesem Hintergrund ist im BMF offenbar die Frage aufgetreten, wie die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Reiseleistungen erfolgen soll, wenn ein Drittlandsunternehmer nicht über eine feste Niederlassung (Betriebsstätte) im Gemeinschaftsgebiet verfügt, die Anknüpfungspunkt für den Besteuerungsort der Reiseleistungen ist.

Entscheidung

Mit BMF-Schreiben v. 21.01.2021 wurde in knappen Worten unter Ergänzung des Abschn. 25.1 Abs. 1 UStAE geregelt, dass § 25 UStG bei Reiseleistungen von Unternehmern mit Sitz im Drittland und ohne feste Niederlassung im Gemeinschaftsgebiet nicht anwendbar ist. Rechtliche Erwägungen dazu fehlen gänzlich.

Praxishinweis

Ob diese neue Verwaltungsauffassung vor Gericht haltbar sein wird, bleibt abzuwarten. Rein nach dem Gesetzeswortlaut sind Unternehmer mit Sitz im Drittland nicht von der Sonderregelung nach § 25 UStG ausgeschlossen. Der Leistungsort für Reiseleistungen i. S. d. § 25 UStG ist nach § 25 Abs. 1 Satz 4 UStG entweder am Sitz des Reiseunternehmers oder ggf. am Ort seiner Betriebsstätte, die die Leistung ausführt. Die dazu bisher ergangenen Regelungen in Abschn. 25.1 Abs. 6 UStAE bezogen ausdrücklich auch die Reiseleistungen von Unternehmern mit Sitz im Drittland ein.

Auch die Regelungen in Art. 306 ff. MwStSystRL könnten nicht dafür sprechen, dass die Sonderregelung für Reiseleistungen nicht für Unternehmer mit Sitz im Drittland anwendbar wäre. Zwar spricht Art. 307 Satz 2 MwStSystRL von der Besteuerung der Reiseleistung „in dem Mitgliedstaat“der Ansässigkeit. Hierbei könnte es sich aber eben nur um die Regelung des Leistungsortes in der Form handeln, dass (allein) die im Gemeinschaftsgebiet steuerbaren Leistungen genannt werden. Wenn die Leistung eines im Drittland ansässigen Reiseunternehmers, die dieser auch nicht über eine Niederlassung/Betriebsstätte im Gemeinschaftsgebiet vertreibt, nach der Vorstellung des Richtliniengebers nicht im Gemeinschaftsgebiet steuerbar sein soll, dann ist es allerdings richtig, in Art. 307 Satz 2 MwStSystRL nicht die Steuerbarkeit dieser Leistung im Gemeinschaftsgebiet zu regeln. Darüber hinaus ist zu beachten, dass sich in Art. 306 ff. MwStSystRL keine vergleichbare Regelung wie z. B. in Art. 283 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL findet, der die Anwendung der Kleinunternehmerregelungen nach Artikel 282 ff. MwStSystRL ausdrücklich auf Unternehmer mit Sitz in den (jeweiligen) Mitgliedstaaten beschränkt.

Andererseits kann angeführt werden, dass der Wortlaut der Ortsregelung in Art. 307 Unterabs. 2 MwStSystRL dennoch für einen Ausschluss der Margenregelung von Reiseleistungen durch Drittlandsunternehmer ohne Betriebstätte in der EU (von der aus die Leistung erbracht wird) sprechen könnte, da anderenfalls die Reiseleistung eines Nicht-EU-Reiseveranstalters bei Anwendung der Margenregelung unversteuert bliebe. Aus Art. 309 Abs. 1 MwStSystRL könnte sich ergeben, dass der Richtliniengeber nur dann von einer Steuererhebung absehen wollte, wenn der Verbrauch außerhalb der Gemeinschaft eintritt, nicht jedoch schon dann, wenn der Reiseveranstalter außerhalb der Gemeinschaft ansässig ist. Eine Anwendung der Margenregelung auf Leistungen von Nicht-EU-Reiseveranstaltern könnte auch dem Ziel einer fairen Einnahmeverteilung zuwiderlaufen.

Offenbar zur Vermeidung der Nichtbesteuerung von tatsächlich im Unionsgebiet erbrachten Reiseleistungen hat das BMF nunmehr Nicht-EU-Reiseveranstalter von der Anwendung der Margenbesteuerung ausgeschlossen. Die von Nicht-EU-Reiseveranstaltern erbrachten Leistungen werden demzufolge nicht mehr als einheitliche Leistung aufgefasst, sondern jede der Leistungen (z. B. Beförderung, Unterbringung, Verpflegung der Reisenden) unterliegt hinsichtl. der Ortsbestimmung und der Besteuerung der Leistungen den für die jeweilige Leistung geltenden Vorschriften.

Im Drittland ansässige Reiseveranstalter sollten daher dringend die Anwendung und Auswirkung dieser Verwaltungsauffassung auf ihre Leistungen prüfen. Hierbei ist Eile geboten, da die Verwaltung die neue Auffassung ab dem 01.01.2021 anwenden will.

Das USt-Team der AWB steht Ihnen bei der Prüfung des Handlungsbedarfs sowie etwaigen Umstellungen gern zur Verfügung. Sprechen Sie uns einfach an.

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