Änderung von Zollanmeldungen

Anmerkung zu: FG Hamburg, Urt. v. 01.12.2020, 4 K 49/18 C

Praxisproblem

In Literatur und Rechtsprechung wird seit Jahren diskutiert, ob und inwieweit Zollanmeldungen nachträglichen Änderungen zugänglich sein sollen. Das vorliegende Urteil des FG Hamburg beschäftigt sich mit der Frage, ob in einer von einem indirekten Vertreter abgegebenen Zollanmeldung nachträglich das vertretene Unternehmen geändert werden kann.

Sachverhalt

Die Klägerin – ein Speditionsunternehmen – meldete 2016 als indirekte Vertreterin Waren aus der Türkei zur Überlassung in den zollrechtlich freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher steuerbefreiender Lieferung (Verfahrenscode 42) an. Dabei gab die Klägerin die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt.-Id.Nr.) des vertretenen und im EU-Mitgliedstaat A ansässigen Unternehmens I an. Aufgrund der vorhandenen Warenverkehrsbescheinigung (AT.R) setzte die Zollbehörde anmeldungsgemäß keine Zollabgaben und wegen der innergemeinschaftlichen Lieferung auch keine Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) fest. Der Abgabenbescheid richtet sich sowohl an die Klägerin als auch an die I als Vertretene („für Rechnung"). Die Klägerin und die I sollten nach Ansicht der Zollverwaltung gesamtschuldnerisch zur Erfüllung der Zollschuld verpflichtet sein.

Eine Woche später teilte die Klägerin der Zollbehörde mit, dass über die Waren nach der Überlassung in den zollrechtlich freien Verkehr umdisponiert worden sei. Anders als angemeldet, solle nicht die I, sondern der – ebenfalls in A ansässige – gewerbliche Abnehmer P die Waren erhalten. Daraufhin setzte die Zollbehörde gegen die Klägerin auf der Grundlage von Art. 101, 105 Abs. 4 UZK i. V. m. § 21 Abs. 2 UStG EUSt-Abgaben fest. Da die Ware nachträglich zu einem anderen als dem angemeldeten Empfänger geliefert worden sei, lägen die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gem. § 6a UStG nicht vor. Danach sei die Angabe der USt.-Id.Nr des Empfängers und dessen zuständigen Finanzamts im Bestimmungsmitgliedstaat erforderlich. Mithin wurde die EUSt im Namen des Anmelders (hier der Klägerin als indirekter Vertreterin) nacherhoben. Gegen den Einfuhrumsatzsteuer-Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein.

Im Einspruchsverfahren gegen den Abgabenbescheid forderte die Zollbehörde von der Klägerin eine Verzollungsvollmacht an. Die Klägerin legte die, vom türkischen Verkäufer der Waren erteilte, Vollmacht zur Fiskalvertretung vor. Hieraus schloss die Zollbehörde, dass die Klägerin die Absicht gehabt habe, für den türkischen Verkäufer statt für den Empfänger in der EU aufzutreten. Nachdem die Zollbehörden diesen Umstand der Klägerin mitgeteilte hatten, stellte diese den Antrag auf Änderung der Zollanmeldung dahingehend, dass der von ihr indirekt Vertretene nicht I, sondern P sein solle. Die Zollbehörde lehnte den Änderungsantrag ab. Der gestellte Antrag zur Änderung der Zollanmeldung würde nicht nur eine bestehende Anmeldung inhaltlich ändern, sondern ein neues Schuldrechtsverhältnis zwischen der Zollverwaltung und einer anderen Person begründen, die dann Abgaben auf Waren entrichten müsste, die schon überlassen seien. Weiterhin sei nach Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 UZK eine Person, die angebe, als Zollvertreter zu handeln, jedoch keine Vertretungsmacht besitze, als im eigenen Namen und eigener Verantwortung handelnd anzusehen.

Gegen die Ablehnung des Änderungsantrags legte die Klägerin ebenfalls Einspruch ein, welcher jedoch als unbegründet von der zuständigen Zollbehörde zurückgewiesen wurde. Mit der daraufhin erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Änderungsbegehren weiter und beantragte unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung die Zollbehörde zu verpflichten, auf ihren Antrag in der Zollanmeldung die Angabe über die indirekt Vertretene von der I auf die P zu ändern.

Entscheidung

Das FG Hamburg hielt u. a. für fraglich, ob Art. 173 Abs. 3 UZK eine Änderung der Zollanmeldung, die den Austausch des Zollschuldners zur Folge hätte, tatbestandlich erfasst. Der indirekt Vertretene, dessen Austausch in diesem Fall verlangt wurde, werde zwar nicht Anmelder i. S. v. Art. 5 Nr. 15 UZK; dies werde nur, wer im eigenen Namen auftritt sowie der direkt Vertretene. Der indirekt Vertretene werde hingegen neben dem Anmelder (Art. 77 Abs. 3 S. 1 UZK) zum Zollschuldner der Einfuhrzollschuld (Art. 77 Abs. 3 S. 2 UZK).

Bei der Überlassung von Waren zum zollrechtlich freien Verkehr ist die Pflicht zur Begleichung der Einfuhrzollschuld von zentraler Bedeutung. Der indirekt Vertretene wird insoweit dem Anmelder gleichgestellt. Daher sei es zweifelhaft, ob Art. 173 Abs. 3 UZK die Änderung des ursprünglichen Anmelders ausschließe. Der Wortlaut der Vorschrift sei allgemein und offen formuliert. Die Norm enthalte – anders als Art. 173 Abs. 1 S. 2 UZK – keine Beschränkung im Hinblick auf nicht änderbare Bestandteile der Zollanmeldung. Wenn man Art. 173 Abs. 3 UZK jedoch als lex specialis zu Art. 173 Abs. 1 UZK nur im Hinblick auf den zulässigen Zeitpunkt des Änderungsantrags ansehe, würde sich die in Art. 173 Abs. 1 S. 2 UZK genannte Einschränkung der änderbaren Angaben auch auf Abs. 3 beziehen. Hieraus müsse dann – wie bei Abs. 1 der Umkehrschluss gezogen werden, dass andere Änderungen – also auch den Anmelder betreffende – gerade nicht ausgeschlossen sein sollen.

Neben dem Wortlaut seien jedoch auch der Kontext und die Ziele der Vorschriften zu berücksichtigen (EuGH, Urt. v. 16.07.2020, Pfeifer & Langen, C-97/19, Rn. 34 m. w. N.). Der Zweck der Vorschrift kommt im Wortlaut von Art. 173 Abs. 3 UZK zum Ausdruck. Die Vorschrift soll es ermöglichen, dass der Anmelder seine Pflichten, die sich aus der Überlassung zu einem Zollverfahren ergeben, erfüllen kann. Daraus könnte man ableiten, dass der Anmelder selbst nicht ausgetauscht werden darf. Insoweit unterscheidet sich die Vorschrift von Art. 78 Abs. 3 ZK, hinsichtlich dessen der EuGH im „Pfeifer & Langen“-Urteil festgestellt hat, dass unter bestimmten Umständen auch eine Änderung des Zollanmelders möglich ist. Allerdings könnte man den im zweiten Halbsatz von Art. 173 Abs. 3 UZK genannten Anmelder auch als den durch die Änderung ausgetauschten Anmelder verstehen. Letztlich ließ das FG Hamburg diese Frage jedoch unbeantwortet, da selbst wenn man unterstelle, dass die Bezeichnung des indirekt Vertretenen ein änderungsfähiger Umstand sei, wäre die Anwendung von Art. 173 Abs. 3 UZK im vorliegenden Fall gem. Art. 173 Abs. 2 Buchst. b UZK ausgeschlossen. Aus dem systematischen Zusammenhang von Art. 173 Abs. 2 und Abs. 3 UZK sowie dem Wortlaut von Art. 173 Abs. 3 UZK ("Die Änderung der Zollanmeldung kann [...] auch nach Überlassung der Waren gestattet werden [...]") werde deutlich, dass Art. 173 Abs. 3 UZK eine Ausnahme nur von Art. 173 Abs. 2 Buchst. c UZK darstellt. Letztere Norm verbietet die Änderung der Angaben in der Zollanmeldung nach der Überlassung der Waren. Daher gelten die Ausschlussgründe nach Art. 173 Abs. 2 Buchst. a und b UZK auch für einen Antrag auf Änderung der Zollanmeldung auf der Grundlage von Art. 173 Abs. 3 UZK.

Vorliegend sei der Ausschlussgrund des Art. 173 Abs. 2 Buchst. b UZK erfüllt. Der Änderungsantrag wurde nämlich gestellt, nachdem die Zollbehörden festgestellt hatten, dass die Angaben in der Zollanmeldung unrichtig sind. Unerheblich sei, auf welche Weise die Zollbehörden Kenntnis erlangen. Hier habe die Klägerin der Zollbehörde die Vollmacht zur Fiskalvertretung, die P ihr erteilt hatte, übermittelt. Hieraus habe die Zollbehörde geschlossen, dass die Klägerin die Absicht gehabt habe, für P aufzutreten. Dieser Umstand sei Klägerin auch mitgeteilt worden. Erst daraufhin habe die Klägerin den Antrag auf Änderung der Zollanmeldung dahingehend, dass der Vertretene ausgetauscht werde, gestellt. Der Zollbehörde sei zu diesem Zeitpunkt die Unrichtigkeit der Zollanmeldung in Gestalt des klägerischen Irrtums hinsichtlich der Vertretenen bereits bekannt gewesen.

Schließlich führte das FG Hamburg an, dass die beantragte Änderung dazu führen würde, dass die von Art. 19 Abs. 1 UZK vorgesehenen Rechtsfolgen nicht eintreten. Die Klägerin begehre die Änderung der Angabe, für wen sie die Zollanmeldung abgegeben hat. Gewollt sei es gewesen, sie im Namen der P abzugeben, von der sie bevollmächtigt gewesen sei. Die beantragte Änderung würde demnach dazu führen, dass das auf den tatsächlichen Geschehensablauf anwendbare Offenkundigkeitsprinzip aus Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 UZK nicht gelten und die von Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 UZK vorgesehene Rechtsfolge nicht eintreten würde. Ließe man die Änderung des Vertretenen zu, stünde der Vertretene nicht bei Abgabe der Zollanmeldung endgültig fest.

Das FG Hamburg sah in dieser Entscheidung keinen Widerspruch zu den Wertungen des EuGH im Verfahren Pfeifer & Langen. Für den Sachverhalt, um den es in jenem Verfahren ging, kam der EuGH nämlich zu dem Ergebnis, dass die in Art. 5 Abs. 4 ZK (nun: Art. 19 Abs. 1 UZK) niedergelegten Grundsätze durch die Änderung der Zollanmeldung nicht verletzt würden.

Im vorliegenden Fall sei es hingegen nicht die einzig denkbare Möglichkeit, dass die Klägerin – entgegen ihren Angaben in der Zollanmeldung – die P vertreten wollte. Letztlich war angesichts der Lieferbedingungen DDP und der indirekten Vertretung ein Fehler hinsichtl. der Angabe der Vertretenen zwar möglich, aber mangels Vorlage einer Vollmacht auch nicht zwingend anzunehmen. Anders als im Fall Pfeifer & Langen hat die Zollbehörde den Fall auch nicht tatsächlich so behandelt, wie er ohne den Irrtum des Anmelders zu behandeln gewesen wäre. Die Zollbehörde habe nämlich zunächst den Befreiungsbescheid gegenüber der Klägerin und I erlassen.

Das FG Hamburg lehnt daher den Anspruch der Klägerin auf Änderung der Zollanmeldung unter Verweis auf die Regelungen des Unionszollkodex ab.

Praxishinweis

Die EuGH-Entscheidung „Pfeifer & Langen“ (EuGH, Urt. v. 16.07.2020, C-97/19) zur Vorgängervorschrift des Art. 78 Abs. 3 ZK sah eine Änderungsmöglichkeit des zollrechtlichen Anmelders vor. Die aus wirtschaftlicher Sicht durchaus begrüßenswerte Entscheidung warf jedoch die Frage auf, ob diese durchaus liberalen Ansätze zur nachträglichen Korrektur einer Zollanmeldung auch auf die Regelungen des Art. 173 UZK übertragbar seien. In der Literatur wurde dies umfassend diskutiert. Das FG Hamburg versagte der Klägerin mit der vorliegenden Entscheidung eine nachträgliche Änderung des vertretenen Unternehmens im Rahmen einer indirekten Vertretung. Bei diesem Sachverhalt ging es demnach nicht um eine Änderung des Anmelders i. S. v. Art. 5 Nr. 15 UZK. Im Hinblick auf die Stellung als Schuldner der Einfuhrabgaben ist jedoch der indirekt Vertretene insoweit dem Anmelder gleichgestellt (vgl. Art. 77 Abs. 3 UZK).

Einerseits erscheint das Urteil wenig überraschend, da das FG Hamburg bereits im Jahr 2017 (FG Hamburg, Urt. v. 20.12.2017, 4 K 240/16), mithin vor der EuGH-Entscheidung „Pfeifer & Langen“, einen deutlich restriktiveren Ansatz zur nachträglichen Änderungen von Zollanmeldungen verfolgte. Andererseits verdeutlicht die Entscheidung des FG Hamburg, dass das „Pfeifer & Langen“-Urteil auch nicht als „Freibrief“ zur beliebigen nachträglichen Änderungen von Zollanmeldungen fehlinterpretiert werden darf. Immer dann, wenn – anders als im Fall Pfeifer & Langen – gegen Grundprinzipien und Wertungsmaßstäbe des Zollrechts verstoßen werden (hier etwas gegen das Prinzip der Offenkundigkeit einer Zollvertretung nach Art. 19 Abs.1 UZK) finden die nachträglichen Änderungsmöglichkeiten eine sachdienliche Einschränkung.

Das Urteil des FG Hamburg verdeutlicht, dass die Diskussion um die Reichweite nachträglicher Änderungen von Zollanmeldung noch lange nicht beendet ist.

Link

FG Hamburg 4. Senat, Urt. v. 01.12.2020, 4 K 49/18

Quelle

Hamburg.de Jusiz-Portal

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