Neue Embargolage für die Region Russland, Ukraine, Belarus

nach der russischen Invasion der Ukraine – STAND: 28.02.2022, 8:00 Uhr

Am 23.02.2022 begann Russland eine Invasion auf dem Territorium der Ukraine, ausgehend vom Staatsgebiet Russlands, dem Staatsgebiet der Republik Belarus sowie dem Gebiet der 2014 annektierten Halbinsel Krim.

Als Reaktion hierauf beschlossen die Europäische Union („EU“), die Vereinigten Staaten von Amerika („USA“) und weitere Staaten neue und größtenteils abgestimmte Sanktionsmaßnahmen, die u.a. für deutsche und europäische Unternehmen eine erhebliche Erweiterung der bisherigen Embargolage betreffend die Region Russland, Ukraine, Belarus bedeuten. 

Neue güterbezogene Verbote in der Russland-Embargo-VO (Verordnung (EU) Nr. 833/2014)


Mit den neuen EU-Sanktionsmaßnahmen wurden umfassende Verbote für Verkauf, Lieferung, Verbringung und Ausfuhr der nachfolgend genannten Güter und Technologien sowie für technische Hilfe, Vermittlungsdienste und „andere Dienste“, ebenso wie für die Bereitstellung von Finanzmitteln oder Finanzhilfen im Zusammenhang mit diesen Gütern und Technologien eingeführt:

Güter und Technologien, erfasst von Anhang I der EU-Dual-Use-VO, nunmehr völlig unabhängig von einem bestimmten Zweck oder Empfänger.
• Güter und Technologien, die zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands oder zur Entwicklung des Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen könnten. Im neuen Anhang VII der Russland-Embargo-VO sind verschiedenste Güter und Technologien aus dem Bereich allgemeine Elektronik, Rechner, Informationssicherheit, Sensoren und Laser, Navigation und Luftfahrtelektronik, Meeres- und Schiffstechnik, Luftfahrt, Raumfahrt und Antriebe gelistet. Diese Güter und Technologien liegen häufig unterhalb der Erfassungsschwelle ähnlicher, bereits in Anhang I der EU-Dual-Use-VO erfasster Güter.
Güter und Technologien, die zur Ölraffination verwendet werden können, gelistet im neuen Anhang X der Russland-Embargo-VO.
Güter und Technologien für die Verwendung in der Luft- oder Raumfahrtindustrie, gelistet im neuen Anhang XI der Russland-Embargo-VO. Dieser umfasst Luftfahrzeuge und Teile davon. Auch die Erbringung einiger konkret aufgeführter technischer Dienstleistungen aus dem Luftfahrtbereich zugunsten russischer Unternehmen bzw. Personen bzw. in Russland ist explizit verboten. 

Für die Verbote bestehen jeweils nur wenige, sehr enge und spezifische Ausnahmen bzw. begrenzte Ausnahmeregelungen (Genehmigungsvorbehalte) für bestimmte Altverträge. Nicht zu vergessen ist auch der schon seit 2014 geltende Anhang II der Russland-Embargo-VO (Genehmigungspflicht für Güter der Erdölexploration und -förderung).

Sämtliche vorgenannten Beschränkungen gelten auch für sog. mittelbare/indirekte Geschäftsaktivitäten mit anderen Drittländern, anderen EU-Mitgliedsstaaten oder innerhalb Deutschlands, wenn eine (End-)Verwendung oder (End-)Bestimmung in Russland bekannt oder erkennbar ist.

Kapitalmarktbeschränkungen, Bereitstellungsverbote und weitere Maßnahmen


Teil der neu beschlossenen EU-Sanktionen sind außerdem die folgenden Maßnahmen:

• Sektorales Verbot der Finanzierung Russlands, der russischen Regierung und der russischen Zentralbank.
Verbot von Transaktionen im Zusammenhang mit der Verwaltung von Reserven und Vermögenswerten der russischen Zentralbank.
Beschränkung des Zugangs bestimmter russischer Organisationen zu den Kapitalmärkten, Verbot der Börsennotierung und die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien staatseigener russischer Unternehmen an Handelsplätzen der Union.
• Verbot der Entgegennahme von Einlagen von russischen Staatsangehörigen oder in Russland ansässigen Personen, die bestimmte Werte übersteigen, Kontoführung und Verkauf auf Euro lautender Wertpapiere an russische Kunden.
• Erweiterung der Namensliste des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 um 351 Mitglieder der russischen Staatsduma, zunächst 27 weitere Personen und vier Organisationen (darunter auch die folgenden Banken: Bank Rossiya, PROMSVYAZBANK, VEB.RF) und sodann um weitere 98 natürliche Personen, darunter auch der russische Präsident Wladimir Putin, womit gegenüber diesen Personen und Organisationen nun u.a. ein Bereitstellungsverbot von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen besteht.
Einfuhrverbote für Waren aus den nicht von der Regierung kontrollierten „spezifizierten Gebieten“ in den ukrainischen Regionen Donezk und Luhansk, weitgehende Ausfuhr- und Investitionsverbote für bestimmte Wirtschaftsbereiche sowie ein Verbot der Erbringung von touristischen Dienstleistungen. Diese Maßnahmen bzgl. der „spezifizierten Gebiete“ sind in ihrer Reichweite mit denjenigen bezüglich der Krim und Sewastopols nach der Verordnung (EU) Nr. 692/2014 vergleichbar.
Lande- und Überflugverbot betreffend das Hoheitsgebiet der EU für Luftfahrzeuge mit russischem Betreiber, Eigentümer, Charterer und/oder russischer Zulassung bzw. unter russischer Kontrolle.
Ausschluss bestimmter russischer Banken vom internationalen Zahlungssystem SWIFT.

Angekündigte oder in Aussicht gestellte weitere Sanktionspakete in Reaktion auf die russische Invasion


Aktuell wurden bereits weitere „Sanktionspakete“ der EU verkündet bzw. in Aussicht gestellt, die aber noch nicht in Kraft sind

Nach Verlautbarungen durch Presse und Verbände könnte sich dies in weiteren personenbezogenen Maßnahmen in Form von Bereitstellungsverboten gegenüber Personen, Organisationen oder Einrichtungen sowie sektoralen Beschränkungen für Energieimporte oder die Ausfuhr von Luxusgütern ausdrücken. Außerdem ist angekündigt, auch weitere Sanktionsmaßnahmen im Zusammenhang mit Belarus aufgrund der Unterstützung der russischen Invasion durch die belarussische Regierung zu verhängen. 

Möglich sind zudem neue Beschränkungen gegen weitere, von Russland kontrollierte Gebiete im Territorium der Ukraine.

US-Massnahmen


Die USA haben ebenfalls bereits verschiedene Maßnahmen im Zusammenhang mit der Invasion der Ukraine durch Streitkräfte Russlands beschlossen und in Kraft gesetzt.

Hierzu gehören etwa:

• Genehmigungspflicht für alle EAR-Güter in Kategorien 3 bis 9 der Commerce Control List (teilweise gelten manche EAR-Allgemeingenehmigungen)
• Änderung der De-Minimis-Regel für Russland
• Starke Ausdehnung der Military End Use(r)-Regel (MEU) für Russland
• Einführung zweier zusätzlicher „Foreign Direct Product Rules“ (FDPR)
• Finanzsanktionen gegen russische Banken

Als Informationsmöglichkeit zur Reichweite und den Hintergründen der US-Maßnahmen empfehlen wir den Newsletter der US-amerikanischen Anwaltskanzlei Nixon Peabody LLP.

Weitere Hinweise


Bei den neu beschlossen Kapitalmarktbeschränkungen i. Z. m. der Bereitstellung von Finanzmitteln an Russland, die russische Regierung und die Zentralbank handelt es sich nicht um ein Verbot jedes Zahlungsverkehrs mit Russland, sondern um ein Verbot, übertragbare Wertpapiere und Geldmarktinstrumente Russlands, der russischen Regierung und der Zentralbank unmittelbar oder mittelbar zu kaufen, zu verkaufen, Wertpapierdienstleistungen oder Hilfsdienste bei der Begebung zu erbringen oder anderweitig damit zu handeln. Zu beachten ist jedoch, dass einige russische Banken bzw. Finanzinstitute, u.a. die russische Zentralbank, nunmehr auf Sanktionslisten geführt werden und daher ohnehin von einem unmittelbaren und mittelbaren Bereitstellungsverbot für Gelder und wirtschaftliche Ressourcen betroffen sind.

Außerdem ist zu beachten, dass die Abwicklung von Zahlungen im Zusammenhang mit Russland aufgrund des Ausschlusses mehrerer russischer Banken von SWIFT praktisch erheblich eingeschränkt wurde. Folge des SWIFT-Ausschlusses mehrerer russischer Banken könnte sein, dass der Zahlungsverkehr mit Russland faktisch zum Erliegen kommt.

Weiterhin ist zu bedenken, dass sich die europäischen Banken auch ohne explizite Beschränkungen in den EU-Sanktionsmaßnahmen aus anderen Compliance-Gesichtspunkten vom Russland-Geschäft vollständig abwenden könnten

Angesichts der neuen Embargomaßnahmen ist in allen Aspekten des Außenwirtschaftsverkehrs im Zusammenhang mit Russland, der Ukraine und Belarus besondere Vorsicht geboten. Insbesondere ist es notwendig, jede Aktivität in einem bekannten oder erkennbaren Zusammenhang mit Russland, der Ukraine und/oder Belarus einer individuellen Prüfung mit Blick auf die Betroffenheit von Embargomaßnahmen zu unterziehen.

Um effektiv und einheitlich auf die Embargomaßnahmen zu reagieren, sollte ein koordiniertes Handeln im Unternehmen sichergestellt werden. Es bietet sich an, die Kompetenzen für das Vorgehen im Zusammenhang mit den neuen Embargomaßnahmen zentral zu bündeln, etwa beim Ausfuhrverantwortlichen oder bei der Stabstelle Exportkontrolle bzw. der/dem Exportkontrollbeauftragten.

Es liegt in der Verantwortung jedes einzelnen Unternehmens zu überprüfen, ob Geschäftsbeziehungen zu gelisteten Personen, Organisationen oder Einrichtungen bestehen. Es ist zu empfehlen, für alle Geschäftskontakte aus allen relevanten Abteilungen eine aktuelle Sanktionslistenprüfung durchzuführen. Dabei ist zu beachten, dass aufgrund des mittelbaren Bereitstellungsverbots auch indirekte Geschäfte mit Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die mit Sanktionen belegt sind, grundsätzlich verboten sind. Es ist daher stets auch zu klären, ob ein Geschäftspartner beispielsweise eine Tochtergesellschaft einer gelisteten Muttergesellschaft ist oder von einer gelisteten natürlichen Person kontrolliert wird.

Es ist sorgfältig zu überprüfen, ob ein Geschäft mit einem identifizierten Zusammenhang mit Russland, der Ukraine und/oder Belarus nach den jeweils aktuellen Sanktionsvorschriften zulässig ist. Bis zum Abschluss dieser Prüfung sollten sämtliche dieses Geschäft betreffenden Aktivitäten (Lieferungen, Zahlungen, Vertragsabschlüsse etc.) unverzüglich und vollumfänglich eingestellt werden. Soweit nach einer gründlichen Prüfung nicht sicher ausgeschlossen werden kann, dass ein Geschäft im Zusammenhang mit Russland, der Ukraine und/oder Belarus von den (neuen) Sanktionsmaßnahmen betroffen ist, sollte Rechtsrat eingeholt werden, um die möglichen Auswirkungen der Sanktionen auf Ihr Unternehmen bzw. Ihre geplante Transaktion umfassend beurteilen zu lassen. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass auch bei Geschäften im Zusammenhang mit Russland, die keinen unmittelbaren Beschränkungen unterliegen sollten, durch die erhebliche Einschränkung des freien Zahlungsverkehrs das Risiko des Zahlungsausfalls besteht. 

Schließlich sind bei der etwaigen Fortsetzung von zulässigen und/oder genehmigungspflichtigen Aktivitäten eine restriktive Entscheidungspraxis durch das BAFA sowie engmaschige Kontrollen durch die deutsche Zollverwaltung im Rahmen der Ausfuhr von Waren nach Russland einzukalkulieren. Die rechtliche und politische Situation im Zusammenhang mit der russischen Invasion der Ukraine ist äußerst volatil. Es ist möglich bzw. sogar wahrscheinlich, dass den bereits beschlossenen bzw. angekündigten Sanktionsmaßnahmen weitere Sanktionsmaßnahmen der EU, der USA und weiterer Staaten folgen werden.


Quellen:

Amtsblatt der Europäischen Union

Pressemitteilung der Deutschen Bundesregierung

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