Bundesfinanzhof zur Zahlung von Erstattungszinsen für Zollbeträge

Beschl. v. 21.01.2021, VII B 121/20

Sofern Zollbeträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist die Erstattung dieser Beträge im Rahmen des seit dem 01.05.2016 geltenden Zollrechts gem. Art. 117 des Unionszollkodex [UZK] (bzw. für den Zeitraum davor gem. Art. 236 des EG-Zollkodex [ZK]) vorgesehen. Problematisch ist aber in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Zollschuldner auch Zinsen auf die von ihm geleisteten Zahlungen erhält und ab welchem Zeitpunkt die Zahlung dieser Zinsen erfolgt.

Für das vor dem 01.05.2016 geltende Zollrecht verweist Art. 241 S. 2, Anstrich 2 ZK als Ausnahme zu dem in Art. 241 S. 1 ZK geregelten Grundsatz, dass keine Erstattungszinsen zu zahlen sind, nämlich auf das nationale Recht. Das regelt in § 236 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) für Erstattungsbeträge, dass die Verzinsung erst ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, also ab Erhebung der finanzgerichtlichen Klage (§ 66 der Finanzgerichtsordnung [FGO]), erfolgen soll. Für den Zeitraum davor, also ab Zahlung der Zollbeträge, ist vom Gesetz her eine Erstattung von Zinsen nicht ausdrücklich vorgesehen. Mit dem Urteil „Wortmann“ v. 18.01.2017, C-365/15, nahm der Europäische Gerichtshof zu der zollrechtlichen Konstellation Stellung, dass die Klägerin des damaligen Verfahrens Antidumpingzölle auf Basis einer Antidumpingverordnung entrichtet hatte, die später für rechtswidrig erklärt wurde. Der EuGH war der Auffassung, dass die Regelung des Art. 241 S. 1 ZK in der gegebenen Fallkonstellation nicht anwendbar sei. Im Fall der Erstattung einer von einem EU-Mitgliedstaat rechtswidrig erhobenen Abgabe darf dem Abgabenpflichtigen nämlich eine angemessene Entschädigung für die Einbußen, die er durch die zu Unrecht gezahlte Abgabe erlitten hat, nicht vorenthalten werden. Von einer solchen Vorenthaltung ist dann schon auszugehen, wenn die einzelstaatliche Zinsregelung eine Berechnung nicht schon ab dem Tag der zu Unrecht erfolgten Zahlung vorsieht.

Infolge der „Wortmann“-Entscheidung vertrat die deutsche Zollverwaltung in weiteren Verfahren die Auffassung, dass eine Übertragbarkeit der „Wortmann“-Kriterien auf andere Konstellationen nicht möglich sei. Das FG Düsseldorf bejahte mit seinem Urteil vom 22.07.2020, 4 K 1163/18 Z, die Übertragbarkeit der „Wortmann“-Entscheidung auf Konstellationen der Zollabfertigung auf Basis von nach den betreffenden Importvorgängen aufgehobenen verbindlichen Zolltarifauskünften wegen Änderungen der Kombinierten Nomenklatur (KN). Das beklagte Hauptzollamt wollte diese Bewertung nicht akzeptieren und erhob die Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof. Der BFH schloss sich mit seinem Beschluss vom 21.01.2021, VII B 121/20, nun den Ausführungen des FG Düsseldorf an.

Unternehmen, denen Einfuhrabgaben außerhalb von Klageverfahren erstattet wurden, sollten aufgrund der EuGH-Entscheidung „Wortmann“ und auf Basis der bisher ergangenen finanzgerichtlichen Rechtsprechung für sich prüfen, ob nicht vorsorglich entsprechende Zinsanträge gestellt werden sollten. Zu beachten ist, dass die aktuelle Entscheidung des FG Düsseldorf noch zum „alten“ Zollrecht des EG-Zollkodex ergangen ist. Nach unserer Auffassung sind die Wertungen der Entscheidung des FG Düsseldorf durchaus auf die UZK-Rechtslage übertragbar. Allerdings sperrt sich die Zollverwaltung bisher generell in Bezug auf die Anerkennung dieses Verzinsungsanspruchs. Mehrere rechtliche Verfahren zur Behandlung von unionalen Erstattungszinsen im Zoll- und Verbrauchsteuerrecht sind derzeit beim EuGH anhängig. Wer also einen Antrag auf Zahlung von Erstattungszinsen stellt, muss sich darauf einstellen, ein längeres Einspruchsverfahren und ggfs. auch ein Klageverfahren führen zu müssen.

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Beschl. v. 21.01.2021, VII B 121/20

Quelle

Bundesfinanzhof

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