Dual-use-Reform auf der Zielgeraden – EU-Parlament nimmt Neufassung an

Am 25.03.2021 hat das EU-Parlament die Neufassung der Dual-use-Verordnung mit großer Mehrheit angenommen (642 Ja-Stimmen, 37 Nein-Stimmen, 9 Enthaltungen). Der im November 2020 im Wege des sog. Trilogs errungene Kompromiss zwischen den verantwortlichen EU-Institutionen –  der EU-Kommission, dem Rat der EU und dem EU-Parlament – hat damit eine wichtige Hürde im förmlichen Gesetzgebungsverfahren genommen.

Voraussichtlich am 26.04.2021 wird der Rat der EU über den Gesetzentwurf abstimmen. Am 19.05.2021 soll die neue Verordnung dann ausgefertigt werden.

In der Plenardebatte hoben die Parlamentarier/-innen im Besonderen die Ausweitung der Exportkontrollen auf Güter der Überwachungstechnik und den damit verbesserten Schutz von Menschenrechten hervor. Auch betonten sie die mit den neuen zwischenstaatlichen Berichtsregelungen angestrebte Transparenz im Bereich des Dual-use-Außenhandels. Die neu geschaffenen Möglichkeiten, nationale Beschränkungen im Einzelfall EU-weit durchzusetzen (Art. 5 Abs. 6, Art. 10 Abs. 1) sollen es ermöglichen, einheitlich auf Änderungen der sicherheits- und außenpolitischen Lage reagieren zu können. Dies gilt auch für die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, nationale Beschränkungen nicht nur auf Sicherheits- und Menschenrechtsschutzerwägungen stützen zu können, sondern diese zukünftig auch zur Verhinderung von Terroranschlägen einzuführen (Art. 9 Abs. 1). Der Vizepräsident der EU-Kommission, Maroš Šefčovič, bekräftige gegenüber dem EU-Parlament, dass diese neuen Kontrollinstrumente Grundlage für flexible Exportkontrollbeschränkungen bilden und es weiterer Umsetzungsakte sowohl von der EU als auch von den Mitgliedstaaten bedarf: „We have a lot of work ahead of us to develop these new tools and fulfil the promise of the regulation.“

Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Mitgliedstaaten von den zahlreichen Öffnungsklauseln (Art. 4 Abs. 3, Art. 5 Abs. 3, Art. 6 Abs. 3, Abs. 4, Art. 7 Abs. 3, Art. 8 Abs. 4, Abs. 5, Art. 9, Art. 11 Abs. 2) Gebrauch machen, um ergänzende nationale Beschränkungen zu erlassen, und ob die neuen EU-weiten Kontrollinstrumente sich als praxistauglich erweisen.

Was schon die englische Fassung des „final compromise text“ im November 2020 erwarten ließ, findet sich nun auch in der veröffentlichten deutschen Fassung der neuen Dual-use-Verordnung wieder. Der neue Art. 5, welcher Beschränkungen für „Güter der digitalen Überwachung“ einführt, sieht in Absatz 2 zwar eine Kontrolle nach dem sog. Catch-all-Mechanismus vor, jedoch legt der Wortlaut nahe, dass ein anderer Maßstab als bei den bekannten Catch-all Klauseln des Art. 4 Abs. 2 gelten könnte. So ist vorgesehen, dass Ausführer digitaler Überwachungsgüter die nationalen Behörden im Vorfeld einer Ausfuhr unterrichten und deren Entscheidung über die Genehmigungspflicht abwarten müssen, wenn ihnen „aufgrund von im Rahmen [ihrer] Sorgfaltspflicht erlangten Erkenntnissen bekannt [ist], dass“ diese Güter für eine Verwendung im Zusammenhang mit interner Repression und/oder Begehung schwerwiegender Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht bestimmt sind. Was dies konkret für die exportkontrollrechtlichen Prozesse der betroffenen Ausführer bedeutet, ob sie insbes. über die ihnen verfügbaren Informationen hinaus eine eigene Aufklärung der Endverwendung betreiben müssen, ergibt sich aus dem Verordnungstext nicht. Hierzu darf man auf die Leitlinien der EU-Kommission und des Rates der EU gespannt sein.

Mit der Veröffentlichung der deutschen Fassung können in den unternehmensinternen Exportkontrollstellen nun die erforderlichen Weichenstellungen erfolgen. Wenngleich die Neuerungen zahlenmäßig überschaubar sind und oft nur sehr spezielle Fälle betreffen, steckt der Teufel im Detail. Die rechtstechnisch teils sehr komplexen Tatbestände wollen durchdrungen und an der eigenen Geschäftstätigkeit gemessen werden. Von den Änderungen betroffene Prozesse müssen überarbeitet werden. Dies sollte auf den Weg gebracht werden und bis zum voraussichtlichen Inkrafttreten der Neufassung im August umgesetzt sein.

Links

Pressemitteilung des EU-Parlaments v. 25.03.2021

European Parliament legislative resolution of 25 March 2021 on the proposal for a regulation of the European Parliament and of the Council setting up a Union regime for the control of exports, transfer, brokering, technical assistance and transit of dual-use items (recast): P9_TA(2021)0101

Quelle

Europäisches Parlament

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