Neuerungen bei Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr aufgrund des BREXITs

Anmerkung zu den beiden BMF-Schreiben v. 15.03.2022 zum Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr sowie zu den Konsequenzen des Austritts des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der EU im Zusammenhang mit solchen Ausfuhrlieferungen

Praxisproblem

Im Drittland ansässige Personen haben die Möglichkeit, gezahlte USt für Einkäufe in Deutschland von den jeweiligen Einzelhändlern erstattet zu bekommen, wenn sie die erworbenen Waren im nichtkommerziellen Reiseverkehr in ein Drittland ausführen. Voraussetzung hierfür ist u. a. die Vorlage eines Ausfuhrkassenzettels (AKZ), der von der Zollverwaltung bei der Ausreise des Käufers derzeit manuell erteilt wird. Hierbei prüft die Zollverwaltung, ob der Reisende im Drittland ansässig ist (Abnehmernachweis), sowie stichprobenweise, ob er die im AKZ aufgeführten Waren tatsächlich mit sich führt (Ausfuhrnachweis).

Bei Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr besteht in Deutschland seit 1.1.2020 eine Wertgrenze von 50 €, d.h. die Lieferungen sind erst ab einem Rechnungsbetrag über 50 € umsatzsteuerfrei.

Sachverhalt


Am 31.1.2020 ist das Vereinigte Königreich aus der EU ausgetreten. Der vertraglich vereinbarte Übergangszeitraum endete mit Ablauf des 31.12.2020. Nach dem 31.12.2020 ist damit das Vereinigte Königreich, mithin Großbritannien und Nordirland, für umsatzsteuerrechtliche Zwecke grundsätzlich als Drittlandsgebiet im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 3 UStG anzusehen. Damit sind grundsätzlich auch die Steuerbefreiungsregelungen für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 6 Abs. 3a UStG anwendbar. Eine Ausnahme gilt allerdings für Nordirland, für das im „Protokoll zu Irland / Nordirland“ zum Austrittsabkommen ein besonderer Status vereinbart wurde. Danach wird Nordirland für die Umsatzbesteuerung des Warenverkehrs auch nach dem 31.12.2020 als zum Gemeinschaftsgebiet gehörig behandelt. Somit sind Lieferungen nach Nordirland nach wie vor keine Ausfuhrlieferungen.

Entscheidung


Mit dem BMF-Schreiben v. 15.3.2022 hat die Verwaltung das „Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr“ mit Stand Juli 2022 neu herausgegeben (nebst „Anlage 1 zum Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr“). Das bisherige, durch das BMF-Schreiben vom 10.1.2020, BStBl I 2020, 186, herausgegebene Vordruckmuster wurde durch das angepasste Vordruckmuster „Ausfuhr- und Abnehmerbescheinigung für Umsatzsteuerzwecke bei Ausfuhren im nichtkommerziellen Reiseverkehr“ ersetzt („Anlage 2 zum Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr“).

In einem weiteren BMF-Schreiben v. 15.3.2022 wurden Konsequenzen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU im Zusammenhang mit Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr geregelt, die für Umsätze ab dem 1.7.2022 gelten.

Praxishinweise


Ausfuhrlieferungen können (auch im sog. nicht kommerziellen Reiseverkehr) nur umsatzsteuerfrei sein, wenn der Liefergegenstand in das sog. Drittlandsgebiet gelangt. Drittlandsgebiet ist das Gebiet, das nicht EU-Gebiet ist.

Zum EU-Gebiet gehören oder werden wie EU-Gebiet behandelt: Akrotiri und Dhekalia (Hoheitszonen des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland auf Zypern), Azoren (Portugal), Balearen (Spanien), Fürstentum Monaco (Frankreich), Madeira (Portugal), Nordirland (Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland; für Zwecke des Warenverkehrs seit 1.1.2021). Es besteht also keine Umsatzsteuerbefreiung für Verkäufe an Käufer mit Wohnort in einem dieser Gebiete.

Zum Drittlandsgebiet gehören auch: Åland-Inseln (Finnland), Andorra, Berg Athos (Griechenland), Büsingen (Deutschland), Campione d´Italia (Italien), Ceuta (Spanien), Färöer (Dänemark), Grönland (Dänemark), Guadeloupe, Französisch-Guyana, Martinique, Mayotte, Réunion, Saint-Barthélemy und Saint-Martin (Frankreich), Helgoland (Deutschland), Kanarische Inseln (Spanien), Livigno (Italien), der zum italienischen Gebiet gehörende Teil des Luganer Sees, Melilla (Spanien), Niederländische Antillen, San Marino (Italien), Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland (mit Ausnahme von Nordirland für Zwecke des Warenverkehrs) seit 1.1.2021, Vatikan, Zypern (türkischer Teil). Somit ist eine Umsatzsteuerbefreiung für Verkäufe an Käufer mit Wohnort in einem dieser Gebiete möglich.

Bei einem Abnehmer aus dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland befindet sich dessen Wohnort für Zwecke des Warenverkehrs nur dann im Drittlandsgebiet, wenn der Abnehmer diesen in Großbritannien, d.h. England, Schottland und Wales (nicht Nordirland) hat.

Zur Abnehmerbestätigung hinsichtlich dieses Personenkreises gilt: Wenn der Abnehmer ausschließlich einen Reisepass des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland vorweist, ist eine Bestimmung des Wohnortes anhand dieses Reisepasses nicht möglich, da der Reisepass lediglich den Ländercode „GBR“ und darüber hinaus keine Angaben zum Wohnort des Abnehmers enthält. Weist der Abnehmer jedoch durch einen gültigen britischen Führerschein, einen aktuellen Kommunalsteuerbescheid oder eine aktuelle Strom-, Gas- oder Wasserrechnung (nicht älter als 12 Monate) seinen Wohnsitz in Großbritannien (nicht Nordirland) oder durch einen Aufenthaltstitel seinen Wohnsitz in einem anderen Drittland nach, kann die Abnehmerbestätigung durch die Grenzzollstelle erteilt werden.

Mithin ist aufgrund der Besonderheiten nach dem BREXIT und der Sonderstellung von Nordirland auch bei der Steuerbefreiung im nichtkommerziellen Reiseverkehr auf die jeweilige Ansässigkeit zu achten. Bei Fragen berät Sie das USt Team der AWB gern.

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