EuGH zur zollwertrechtlichen Behandlung von bereits im Kaufpreis enthaltenen Beförderungskosten

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 22.04.2021, C-75/20, „Lifosa“

Im Regelfall (> 90 %) wird der Zollwert einer Ware bei der Einfuhr anhand der vorrangig anzuwendenden Transaktionswertmethode nach Art. 70 UZK bestimmt. Ausgangspunkt für die Zollwertermittlung ist hierbei zumeist der Kauf- bzw. Rechnungspreis einer Ware. Der Transaktionswert umfasst aber letztlich den tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis. Dieser tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis wird jedoch ggf. durch Hinzurechnungen (Art. 71 UZK) und Abzüge (Art. 72 UZK) noch angepasst.

Gem. Art. 71 Abs. 1 Buchst. e) Ziff. i) UZK sind Beförderungskosten bis zum Ort des Verbringens, sofern sie nicht bereits im jeweiligen Kaufpreis enthalten sind, dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis hinzuzurechnen.

In der aktuellen „Lifosa-Entscheidung“ des EuGH ging es um die Frage, ob ein Zollwert auch auf einem Preis basieren kann, der niedriger ist, als die tatsächlich angefallenen Beförderungskosten. Und ob in solchen Fällen, in denen mit Verlust verkauft wird, möglicherweise die Kosten für die Beförderung bis zum Ort des Verbringens – obwohl sie im Rechnungspreis enthalten sind – dennoch hinzugerechnet werden müssen.

Die Lifosa UAB ist ein Unternehmen mit Sitz in Litauen, das unter anderem Düngemittel herstellt. Zwischen 2014 und 2016 führte sie technische Schwefelsäure, von einem in Belarus ansässigen Hersteller, in das Zollgebiet der Union ein. Die vertraglichen Vereinbarungen sahen einen Preis „frei Grenze“ (DAF – Incoterms® 2000-Klausel) vor. Danach sollte der Hersteller sämtliche Kosten für die Beförderung der eingeführten Waren bis zum vereinbarten Lieferort an der Grenze tragen. Hierbei handelte es sich vor allem um Kosten für den Eisenbahntransport. Vor dem Hintergrund einer in Belarus ansonsten durch den Hersteller zu entrichtenden Ökosteuer auf die Schwefelsäure, entschied sich der Hersteller die Ware mit vermeintlichem Verlust an Lifosa zu verkaufen. Der durch den Kaufvertrag erzielte Kaufpreis, decke vorliegend nämlich nicht die vom Hersteller zu tragenden Kosten der Beförderung. Vor dem Hintergrund der vermiedenen Ökosteuer, erschien der Kaufpreis jedoch nachvollziehbar.

Das zuständige litauische Zollamt vertrat die Ansicht, dass diese Beförderungskosten – obwohl sie nach der Lieferbedingung DAF bereits im Kaufpreis enthaltenen waren – dem Transaktionswert der Waren hinzuzurechnen seien. Ein von Lifosa eingelegter Einspruch blieb erfolglos. Auch das Bezirksverwaltungsgericht Vilnius (Litauen) bestätigt die Auffassung der Zollbehörde. Im Rahmen der von der Klägerin daraufhin eingelegten Revision beim Obersten Verwaltungsgericht von Litauen, wurde das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„Sind Art. 29 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 Buchst. e Ziff. i des Zollkodex der Gemeinschaften sowie Art. 70 Abs. 1 und Art. 71 Abs. 1 Buchst. e Ziff. i des Zollkodex der Union dahin auszulegen, dass der Transaktionswert so zu berichtigen ist, dass er alle dem … Hersteller tatsächlich entstandenen Kosten für die Beförderung der Waren zu dem Ort, an dem sie in das Zollgebiet der Union eingeführt wurden, umfasst, wenn wie im vorliegenden Fall erstens … die Verpflichtung zur Deckung dieser Kosten nach den Lieferbedingungen den … Hersteller traf, zweitens diese Beförderungskosten über den vereinbarten und vom … Einführer tatsächlich gezahlten … Preis hinausgingen, drittens aber der vom … Einführer tatsächlich gezahlte … Preis dem tatsächlichen Wert der Waren entsprach, selbst wenn dieser Preis nicht ausreichte, um die dem … Hersteller entstandenen Beförderungskosten vollständig zu decken?“

Der EuGH lehnte mit der hier zugrundeliegenden Entscheidung eine Hinzurechnung von bereits im Kaufpreis enthaltenen Beförderungskosten unter Verweis auf die gesetzlichen Regelungen ab und bestätigte damit letztlich die Grundprinzipen der Transaktionswertmethode, wonach auf den tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis - mithin dem wirklichen Preis - abgestellt wird. Eine Hinzurechnung von bereits im Kaufpreis enthaltenen Beförderungskosten würde zu einer doppelten Einbeziehung dieser Kosten in den Zollwert führen und sei daher abzulehnen.

Entscheidend sei vorliegend auch, dass es keine Anhaltspunkte für einen willkürlichen oder fiktiven Zollwert gebe. Hier beruhen die Zollwerte gerade nicht auf Betrug oder Rechtsmissbrauch, sondern seien wirtschaftlich nachvollziehbar und entsprechen den tatsächlichen Gegebenheiten.

Mit dieser Entscheidung folgt der EuGH konsequent seiner bisherigen Rechtsprechung zum tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis. Die „Lifosa-Entscheidung“ des EuGH verdeutlicht anschaulich die Reichweite des Transaktionswerts als Bezugspunkt bei der Zollwertermittlung. Aus einem unüblich günstigen Kaufpreis kann demnach nicht pauschal die Ablehnung der Transaktionswertmethode gem. Art. 70 UZK geschlussfolgert werden. Ebenso führt ein solch unüblicher Preis nicht zur Hinzurechnung von Kosten gegen den klaren Gesetzeswortlaut (heute: Art. 71 Abs. 1 Buchst. e) Ziff. i) UZK).

Die Wertungsmaßstäbe dieser EuGH-Entscheidung lassen sich auch auf ähnliche Fälle übertragen, in denen ein niedriger Kaufpreis sich wirtschaftlich begründen lässt und es keine Anhaltspunkte für eine fiktive Preisbildung aufgrund von Betrug oder Rechtsmissbrauch gibt (bspw. hohe Rabatte aufgrund von Restbeständen).

Link

EuGH-Urt. v. 22.04.2021, C-75/20

Quelle

Gerichtshof der Europäischen Union

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