Anmerkung zu BMF-Schreiben v. 21.11.2013, zu den Leistungsbeziehungen bei der Abgabe werthaltiger Abfälle

Praxisproblem

Nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen - Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) - sind Abfälle alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Abfälle in diesem Sinne sind nach den Vor­gaben des KrWG zu verwerten oder zu beseitigen. Daneben bestehen für bestimmte Abfallgruppen besondere Entsorgungspflichten aufgrund einzelgesetzlicher Regelungen z. B. für Altfahrzeuge, Altglas, Altholz, Altöl, Bioabfall, gebrauchte Batterien und Akkumulatoren, gewerblichen Abfall, Elektro- und Elektronikgeräte, Klärschlamm, Verpackungen und tierische Nebenprodukte. Umsatzsteuerlich ist für die Beurteilung der Leistungsbeziehungen bei der Entsorgung bzw. bei der Abgabe werthaltiger Abfälle entscheidend, ob der jeweiligen Entsorgung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Von werthaltigen Abfällen ist auszugehen, wenn dem zur Entsorgung überlassenen Abfall ein wirtschaftlicher Wert beizumessen ist.

Sachverhalt

Beauftragt ein Abfallerzeuger oder -besitzer einen Dritten mit der ordnungsgemäßen Ent­sorgung seines Abfalls, erbringt der Dritte mit der Übernahme und Erfüllung der Entsorgungspflicht eine sonstige Leistung i. S. von § 3 Abs. 9 UStG, wenn der Entsorgung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Ist dem zur Entsorgung überlassenen Abfall ein wirtschaftlicher Wert beizumessen, handelt es sich als um sog. werthaltigen Abfall und es liegt ein tauschähnlicher Umsatz (Entsorgungsleistung gegen Lieferung des Abfalls) - ggf. mit Baraufgabe - vor, wenn nach den übereinstimmenden Vorstellungen der Vertragspartner der überlassene Abfall die Höhe der Barvergütung für die Entsorgungsleistung oder die übernommene Entsorgung die Barvergütung für die Lieferung des Abfalls beeinflusst hat (vgl. Abschnitt 10.5 Abs. 2 UStAE).

Entscheidung

Das BMF-Schreiben regelt, auch durch entsprechende Beispiele, unter welchen Voraussetzungen eine Entsorgungsleistung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hat, unter welchen Gründen eine zum tauschähnlichen Umsatz führende Beeinflussung der Barvergütung durch den überlassenen Abfall anzunehmen ist und wann ein tauschähnlicher Umsatz nicht anzunehmen ist. Außerdem enthält das Schreiben Aussagen zur Bemessungsgrundlage der tauschähnlichen Umsätze. Die Neuregelungen sind in einem neuen Abschnitt 3.16 UStAE zusammengefasst.

Praxishinweis

Das BMF-Schreiben regelt nicht, unter welchen Voraussetzungen Abfallstoffe werthaltig sind bzw. ihnen ein wirtschaftlicher Wert beizumessen ist. Das FG Münster (Urteil v. 19.10.2011, 5 K 4749/09 U) geht offenbar von der Sichtweise des Abfallerzeugers bzw. Abfallverursachers aus. Auf eine einseitige interne Wertbeimessung dürfte es regelmäßig aber nicht ankommen können. Vielmehr dürfte die übereinstimmende Sicht beider Vertragsparteien maßgeblich sein.

Das BMF-Schreiben geht offensichtlich von einem sehr weitgehenden Abfallbegriff aus, so dass neben den in dem Schreiben genannten Stoffen auch der Abbruch von Bauwerken und Industrieanlagen mit Entsorgung der anfallenden Abbruchstoffe unter das Schreiben fallen dürfte.

Das BMF-Schreiben ersetzt das Schreiben vom 20.9.2012, BStBl I S. 944 und ist grundsätzlich in allen offenen Fällen anzuwenden. In Fortführung der Nichtbeanstandungsregelungen aus den vorangegangenen BMF-Schreiben wird es von der Verwaltung bei vor dem 1.7.2009 abgeschlossenen Verträgen über die Lieferung oder die Entsorgung von Abfällen bis zum 31.12.2010 nicht beanstandet, wenn die Beteiligten davon ausgegangen sind, dass kein tauschähnlicher Umsatz vorliegt. Dies gilt nicht für die Lieferung oder die Entsorgung von Materialabfall, der z. B. bei der Be- oder Verarbeitung bestimmter Materialien, die selbst keine Abfallstoffe sind, anfällt (Abschnitt 10.5 Abs. 2 Sätze 1 bis 4 UStAE). Bei Umsätzen, die vor dem 1.1.2013 ausgeführt worden sind, wird es - auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs - nicht beanstandet, wenn diese Umsätze nach den Grundsätzen des BMF-Schreibens vom 1.12.2008, BStBl I 2008 S. 992, behandelt werden.

Das BMF-Schreiben enthält auch eine Vereinfachungsregelung zu der sog. „Entsorgung zu Null“. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass weder die Entsorgungsleistung, noch die Hingabe des werthaltigen Abfalls tatsächlich vergütet wird. Eine Vereinbarung über ein Entsorgungsentgelt oder über einen bestimmten Wert der überlassenen Abfälle liegt nicht vor, auch ist eine wechselseitige Beeinflussung aufgrund der getroffenen Vereinbarungen nicht offensichtlich. Nach den Regelungen des (nunmehr aufgehobenen) BMF-Schreibens v. 20.9.2012, BStBl I S. 944, lag in diesen Fällen kein tauschähnlicher Umsatz vor. Auch unter Einbeziehung des Beispiels 5 dieses Schreibens (zur Vereinfachungsregelung) änderte sich an dieser Einschätzung nichts. In dem genannten Beispiel musste - da die Gewichtsgrenze von 100 kg nicht überschritten ist - aus Vereinfachungsgründen das Vorliegen eines tauschähnlichen Umsatzes von vornherein nicht geprüft werden. Hieraus konnte aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass bei Überschreiten der Gewichtsgrenze ein tauschähnlicher Umsatz anzunehmen ist.

In dem jetzigen BMF-Schreiben ist, auch wenn der Entsorgungsleistung eine eigenständige wirt­schaftliche Bedeutung zukommt, aus Vereinfachungsgründen eine zum tauschähnlichen Umsatz führende Beeinflussung der Barvergütung durch den überlassenen Abfall grundsätzlich u.a. nur anzunehmen, wenn die wechselseitige Beeinflussung auf Grund der getroffenen Vereinbarungen offensichtlich ist. Hiervon ist nur in den in dem BMF-Schreiben genannten Fällen auszugehen. Aus Vereinfachungsgründen, wenn in diesen Fällen weder die Barvergütung einen Betrag von 50 € je Umsatz noch die entsorgte Menge ein Gewicht von 100 kg je Umsatz übersteigt, ist das Vorliegen eines tauschähnlichen Umsatzes nicht zu prüfen.