Anmerkung zu BMF-Schreiben v. 05.11.2013, BStBl I 2013 S. 1386, zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Hin- und Rückgabe von Transportbehältnissen

BMF-Schreiben

Praxisproblem

Im Groß- und Einzelhandel werden für die Belieferung mit Waren Transportbehältnisse (sog. Transporthilfsmittel, auch Lademittel und Packmittel genannt, und Warenumschließungen) aller Art eingesetzt. Die Überlassung der Behältnisse erfolgt entweder gegen ein gesondert vereinbartes Pfandgeld oder im Rahmen reiner Tauschsysteme.

Bei der Hingabe eines Transportbehältnisses gegen ein gesondert vereinbartes Pfandgeld ist für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung zu unterscheiden, ob es sich bei dem Behältnis um ein (selbständiges) Transporthilfsmittel oder lediglich um eine Warenumschließung handelt.

Sachverhalt

a) Transporthilfsmittel

Transporthilfsmittel dienen grundsätzlich der Vereinfachung des Warentransports und der Lagerung und werden u. U. auch im Einzelhandel zur Warenpräsentation genutzt. Transporthilfsmittel sind z. B. Getränke-Paletten, H1-Kunststoffpaletten, Kisten (z. B. Ernteboxen), Steigen und Container für Blumen, Obst und Gemüse, Rollcontainer, Fleischkästen, Fischtransportkisten, Shipper-Boxen für Kartoffeln und Zwiebeln, Quattro-Boxen etc. Diesen Transporthilfsmitteln ist gemeinsam, dass sie für logistische Aktivitäten innerhalb des Unternehmens, aber auch beim Durchlaufen von Handelsstufen, an denen mehrere Unternehmer beteiligt sind (Hersteller - Großhändler - Einzelhändler), eingesetzt werden. Sie werden grundsätzlich nicht an den Endverbraucher geliefert.

b) Warenumschließungen

Im Gegensatz hierzu liegen lediglich Warenumschließungen vor, wenn aufgrund der Eigenart einer Ware eine bestimmte Umschließung erforderlich ist, um diese für den Endverbraucher verkaufs- und absatzfähig zu machen. Hierbei handelt es sich überwiegend um innere und äußere Behältnisse, Aufmachungen, Umhüllungen und Unterlagen, welche für die Lieferbarkeit von Waren an den Endverbraucher notwendig (z. B. Flaschen) oder üblich (z. B. Getränkekasten) sind oder unabhängig von ihrer Verwendung als Verpackung keinen dauernden selbständigen Gebrauchswert haben. Ob der Gebrauchswert geringfügig ist oder nicht, ist ohne Bedeutung.

c) Transporthilfsmittel im Rahmen reiner Tauschsysteme

Neben der Hingabe von Transporthilfsmitteln gegen ein gesondertes Pfandgeld werden in Unternehmen für den Transport und das Lagern von Gütern vielfach (genormte und qualitätsgesicherte) Paletten (insbesondere die sog. „Euro-Flachpaletten und „Euro-Gitterboxpaletten) und andere Transporthilfsmittel im Rahmen reiner Tauschsysteme verwendet. Kennzeichnend für diese Tauschsysteme ist, dass der Versender/Verlader die von ihm beladenen Paletten dem Empfänger überlässt und von diesem andere Paletten gleicher Art und Güte zurückerhält.

Entscheidung

Das BMF-Schreiben unterscheidet zwischen der Überlassung von Transportbehältnissen (also Transporthilfsmittel oder Warenumschließungen) gegen ein gesondert vereinbartes Pfandgeld und der Überlassung von Transporthilfsmitteln im Rahmen reiner Tauschsysteme.

1. Überlassung von Transportbehältnissen gegen ein gesondert vereinbartes Pfandgeld

a) Art der Leistung

Zur Art der Leistung regelt das BMF-Schreiben, dass die Hingabe eines Transporthilfsmittels gegen Pfandgeld als eigenständige Lieferung und die Rückgabe gegen Rückzahlung des Pfandgeldes als Rücklieferung zu beurteilen ist. Die Hin- und Rücklieferung unterliegen dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG.

Warenumschließungen teilen im Gegensatz hierzu weiterhin stets das Schicksal der Hauptleistung und unterliegen somit den steuerlichen Regelungen der eigentlichen Hauptleistung. D.h., wird das Pfandgeld für Warenumschließungen dem Abnehmer bei jeder Lieferung berechnet, ist es Teil des Entgelts für die Lieferung. Bei Rücknahme des Leerguts und Rückzahlung des Pfandbetrags liegt eine Entgeltminderung vor. Die Grundsätze des Abschnitts 10.1 Abs. 8 UStAE und die dort enthaltene Vereinfachungsregelung sind in diesem Zusammenhang weiterhin anzuwenden.

b) Vorsteuerabzug

Dem Unternehmer steht unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG aus der Lieferung eines Transporthilfsmittels oder aus der Lieferung der Ware unter Verwendung einer Warenumschließung an ihn der Vorsteuerabzug zu. Dementsprechend besteht aus der Rückgabe des Transporthilfsmittels ein Recht auf Vorsteuerabzug für den Empfänger der Rücklieferung. Bei Rückgabe einer Warenumschließung gegen Rückzahlung des Pfandgeldes (durch einen Unternehmer) ist der Vorsteuerabzug aus der ursprünglichen Warenlieferung an den Unternehmer nach § 17 Absatz 1 Satz 2 UStG entsprechend zu berichtigen.

2. Überlassung von Transporthilfsmitteln im Rahmen reiner Tauschsysteme

a) Art der Leistung

Nach herrschender Meinung liegt dem Tausch von Paletten (insbesondere die sog. „Euro-Flachpaletten und „Euro-Gitterboxpaletten) zivilrechtlich ein Sachdarlehensvertrag nach § 607 BGB zugrunde. Umsatzsteuerrechtlich stellt die Gewährung eines Sachdarlehens keine Lieferung und Rücklieferung, sondern eine sonstige Leistung dar, die in der Nutzungsüberlassung des Sachwertes vom Darlehensgeber an den Darlehensnehmer besteht (vgl. BFH vom 14. Juli 1966, V 16/64, BStBl III S. 615). Erhebt der Darlehensgeber für die Nutzungsüberlassung ein Entgelt, ist der Vorgang grundsätzlich steuerbar und regelmäßig auch steuerpflichtig. Gleiches gilt, wenn ein Entgelt für die Palettenabwicklung (sog. „Handling“), z. B. eine Palettentauschgebühr, in Rechnung gestellt wird. Sofern der Palettentausch zwischen Versender, Verlader und Empfänger im Rahmen von Palettentauschsystemen unentgeltlich erfolgt, ist die darin liegende Nutzungsüberlassung nicht umsatzsteuerbar. Es liegt in diesen Fällen auch keine unentgeltliche Wertabgabe im Sinne des § 3 Abs. 9a UStG vor, weil die Nutzungsüberlassung aus unternehmerischen Gründen erfolgt.

b) Vorsteuerabzug

Werden die Paletten dem Darlehensnehmer im Rahmen des Sachdarlehensverhältnisses entgeltlich im Leistungsaustausch zur Nutzung überlassen, steht dem leistenden Unternehmer unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG der Vorsteuerabzug aus der Anschaffung, Herstellung und Reparatur der Paletten zu. Werden die Paletten im Rahmen des Sachdarlehensverhältnisses hingegen unentgeltlich überlassen, ist für den Vorsteuerabzug des leistenden Unternehmers dessen unternehmerische Gesamttätigkeit entscheidend (vgl. Abschnitt 15.15 Abs. 1 Satz 2 UStAE i. V. m. BMF-Schreiben v. 2.1.2012, BStBl I S. 60).

c) Leistungsstörung

Kommt der Darlehensnehmer seiner vertraglichen Verpflichtung zur Rückgabe von Paletten gleicher Art, Güte und Menge nicht nach (§ 607 BGB), weil z. B. Paletten durch Diebstahl, nicht mehr reparierbaren Defekt oder aus anderen Gründen aus dem Tauschsystem ausgeschieden sind, ist er nach den §§ 280 ff. BGB gegenüber dem Darlehensgeber zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet. Zahlungen in Erfüllung dieser Verpflichtung sind kein Entgelt für eine steuerbare Leistung des geschädigten Darlehensgebers, sondern echter Schadensersatz. Das gilt auch für den Ausgleich von Palettenkonten, auf denen der jeweilige Saldo zwischen erhaltenen und zurückgewährten Paletten auf Basis von Aufzeichnungen ermittelt und in Geld ausgeglichen wird. Hiervon abzugrenzen sind Fälle, in denen keine Leistungsstörung vorliegt. So soll auch weiterhin von einem Leistungsaustauschverhältnis auszugehen sein, wenn der Darlehensgeber im Nachhinein auf eine Rückgabe gegen Ausgleichzahlung im gegenseitigen Einvernehmen verzichtet. Der Charakter eines Sachdarlehens bleibt grundsätzlich hiervon unberührt. Vielmehr schließt sich der Darlehensgewährung die entgeltliche Palettenlieferung an den (ursprünglichen) Darlehensnehmer an.

d) Reparatur-Tauschprogramm

Werden defekte Paletten gegen reparierte und damit einsatz- und tauschfähige Paletten eingetauscht, liegt ein umsatzsteuerrechtlicher Leistungsaustausch in Form eines Tausches nach § 3 Abs. 12 Satz 1 UStG vor. Dies gilt auch dann, wenn Leistung und Gegenleistung zu unterschiedlichen Zeitpunkten erbracht werden.

Beispiel:

Unternehmer U übergibt dem Reparaturbetrieb am 15. 12. 01 sechs defekte Paletten (Lieferung 1). U bekommt am 5.1.02 vom Reparaturbetrieb zwei reparierte Paletten zurück (Lieferung 2).

Es liegt ein Tauschgeschäft im Sinne des § 3 Abs. 12 Satz 1 UStG vor, bei dem der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz gilt (§ 10 Abs. 2 Satz 2 UStG). Der Wert des anderen Umsatzes wird durch den subjektiven Wert für die tatsächlich erhaltene und in Geld ausdrückbare Gegenleistung bestimmt (Abschnitt 10.5 Abs. 1 UStAE). Dieser Wert kann aus Vereinfachungsgründen für beide Lieferungen mit dem gemeinen Wert der reparierten Paletten geschätzt werden. Berechnen beide Unternehmer ihre Steuer nach vereinbarten Entgelten, entsteht die Steuer für beide Lieferungen grundsätzlich mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Lieferung jeweils ausgeführt wird (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG). Im Rahmen des Tauschgeschäftes gilt jedoch Lieferung 1 als Anzahlung für Lieferung 2 im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG, so dass die Steuer für beide Lieferungen mit Ablauf des 31.12.01 entsteht.

Praxishinweis

Mit dem BMF-Schreiben vom 5.11.2013 ist die in dem BMF-Schreiben vom 25.10.1993 zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung des Pfandgeldes für Leihkästen bei Fleischlieferungen (veröffentlicht bei juris) sowie die frühere Verwaltungsauffassung zur Behandlung der Pfandgelder bei vermieteten Mehrwegsteigen überholt. Es gelten die neuen Grundsätze, nach denen z.B. die Hingabe von Mehrwegsteigen bzw. Leihkästen bei Fleischlieferungen gegen Pfandgeld als eigenständige Lieferungen und die Rückgabe gegen Rückzahlung des Pfandgeldes als Rücklieferungen zu beurteilen sind, da es sich regelmäßig um Transporthilfsmittel handelt. Die Hin- und Rücklieferung unterliegen grundsätzlich dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG, wobei jedoch die Aussagen in dem BMF-Schreiben vom 5.11.2013 zur Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG zu beachten sind.

Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Hin- und Rückgabe eines Transporthilfsmittels als eigenständige Lieferungen hat auf allen Handelsstufen (Pfandbetreiber - Hersteller – Großhändler - Einzelhändler) einheitlich zu erfolgen. Eine spätere Umqualifizierung in der Lieferkette findet nicht statt. Insbesondere ist z.B. die Weiterlieferung der (mit Waren gefüllten) Mehrwegsteigen einer Erzeugerorganisation an die Einzelhändler keine einheitliche Warenlieferung. Vielmehr liegen mindestens zwei Lieferungen (Transporthilfsmittel sowie Waren) vor, welche jeweils gesondert zu beurteilen sind.

Nach dem BMF-Schreiben bleibt für Warenumschließungen die Saldierungsmöglichkeit bei Pfandgeldern für Warenumschließungen nach Abschn. 10.1 Abs. 8 UStAE bestehen.

Die Lieferung von Waren (z.B. landwirtschaftliche Erzeugnisse, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen) und die Lieferung des Transporthilfsmittels sind stets getrennt zu behandeln und insoweit sind unterschiedliche Würdigungen, z.B. hinsichtlich des Steuersatzes möglich.

Werden defekte Paletten gegen reparierte und damit einsatz- und tauschfähige Paletten eingetauscht, liegt nach dem BMF-Schreiben ein umsatzsteuerrechtlicher Leistungsaustausch in Form eines Tausches nach § 3 Abs. 12 Satz 1 UStG vor. Die Einsatz- und Tauschfähigkeit wird durch den Einschlag einer von der Qualitätssicherungsstelle (EPAL oder deren Nationalkomitees) ausgegebenen Reparaturklammer kenntlich gemacht, die auf der Palette hinterlegt ist und aus der der lizensierte Reparaturbetrieb zu entnehmen ist.

Erhebt der Sachdarlehensgeber für die Nutzungsüberlassung, z.B. von Paletten ein Entgelt, ist der Vorgang grundsätzlich steuerbar und regelmäßig auch steuerpflichtig. Die Steuerpflicht ergibt sich aus dem EuGH-Urteil v. 19.4.2007, Rs. C-455/05 (Velvet & Steel Immobilien und Handels GmbH). Danach ist die Übernahme von Verbindlichkeiten, die keinen Finanzcharakter haben, steuerpflichtig.

Das BMF-Schreiben trifft keine Regelungen für den Fall, in dem ein Transporthilfsmittel gegen ein Pfandgeld an einen Nichtunternehmer übergeben wird und durch diesen später (gegen Erstattung des Pfandgeldes) zurückgegeben wird. In diesem Fall dürfte nach den Grundsätzen des BFH-Urteils v. 12.11.2008, XI R 46/07, BStBl II 2009 S. 558 zur Rücknahme von Umzugskartons durch ein Umzugsunternehmen auch eine Rücklieferung durch den Kunden an den Unternehmer vorliegen. Dies bedeutet, es kommt keine Berichtigung der Bemessungsgrundlage für die ursprüngliche Lieferung des Transporthilfsmittels infolge der Erstattung des Pfandgeldes in Betracht. Ein Vorsteuerabzug aus der Rücklieferung des Transporthilfsmittels durch einen Nichtunternehmer kommt mangels der Leistung durch einen anderen Unternehmer auch nicht in Betracht.

Das BMF-Schreiben führt als Beispiele für Transporthilfsmittel u.a. Container für Blumen, Obst und Gemüse und Rollcontainer auf. Somit ist fraglich, wie Container für andere Transportzwecke, z.B. Kohle- oder Maschinentransporte, in diesem Zusammenhang zu behandeln sind. Grundsätzlich dürfte auch in diesen Fällen die Hingabe eines Containers gegen Pfandgeld wie eine eigenständige Lieferung und die Rückgabe als Rücklieferung zu werten sein. Würde der Unternehmer, der den Container ursprünglich überlassen hat, bei der Rückgabe weniger als das ursprüngliche Pfandgeld erstatten, z.B. weil der Container beschädigt oder verschmutzt zurückgegeben wird, wäre die Bemessungsgrundlage der Rücklieferung entsprechend geringer.

Das BMF-Schreiben ist grundsätzlich in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn für Umsätze, die bis zum 1.1.2014 (nicht 31.12.2013) getätigt werden, bei der Überlassung von Transportbehältnissen gegen ein gesondert vereinbartes Pfandgeld die Hingabe von Transporthilfsmitteln (nicht Warenumschließungen – diese teilen immer das Schicksal der Warenlieferung) gegen Pfandgeld als Nebenleistung zur Warenlieferung behandelt wird. In diesen Fällen ist die Rückgewähr des zuvor vereinnahmten Pfandgeldes entsprechend als Minderung des Entgelts für die ursprüngliche Lieferung anzusehen.

Es wird auch für Umsätze, die bis zum 1.1.2014 (nicht 31.12.2013) getätigt werden, auch nicht beanstandet, wenn bei der Überlassung von Transporthilfsmitteln im Rahmen reiner Tauschsysteme die abgerechneten Leistungsstörungen von dem leistenden Unternehmer und dem Leistungsempfänger einvernehmlich als entgeltliche steuerbare Palettenlieferungen behandelt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass der Umsatz vom Leistenden in zutreffender Höhe versteuert wird. § 14c Abs. 1 UStG findet in diesen Fällen keine Anwendung und der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG ist insoweit nicht ausgeschlossen. Der Leistungsort bestimmt sich nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG.