EUSt und Steuerbefreiung für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Einfuhr

Anmerkung zu: EuGH, Urt. vom 04.10.2017, C-273/16, Federal Express Europe Inc.

Praxisproblem

Bei dem italienischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Steuerbefreiung nach Art. 144 MwStSystRL für Dienstleistungen, die sich auf die Einfuhr von Gegenständen beziehen und deren Wert gem. Art. 86 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL in der Bemessungsgrundlage der Einfuhr enthalten ist. Das Vorlagegericht wollte im Wesentlichen wissen, ob Art. 144 i. V. m. Art. 86 Abs. 1 MwStSystRL auch dahingehend verstanden werden kann, dass die Steuerbefreiung nur dann anwendbar ist, wenn auf die eingeführten Gegenstände tatsächlich EUSt erhoben wurde. Das Ersuchen bezog sich auf das wegen eines Vertragsverletzungsverfahrens der EU inzwischen geänderte italienische Recht.

Sachverhalt

Der Streit bestand über sog. Inbound-Beförderungen (z. B. von Flughäfen zum Bestimmungsort im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats mit der Klausel „frei Bestimmungsort“), die darin bestanden, Sendungen aus dem internationalen Verkehr zu übernehmen und für die anschließende Auslieferung an Empfänger in Italien zu sorgen. Bei den eingeführten Gegenständen handelte es sich um Dokumente und Gegenstände von geringem Wert (sog. Kleinsendungen mit einem Wert von weniger als 22 EUR), die nicht der EUSt unterlagen.

Die italienische Finanzbehörde meinte aufgrund des Dekrets Nr. 633 v. 26.10.1972 mit späteren Änderungen, dass die Transportkosten der eingeführten Gegenstände, auch wenn sie von geringem Wert sind, nur dann nicht steuerpflichtig gewesen wären, wenn bereits bei der Einfuhr MwSt bei den Zollstellen erklärt und erhoben worden wäre.

Die Klägerin machte geltend, dass die Einfuhren mit der Modalität „frei Bestimmungsort“ erfolgt seien, wonach die Kosten der Inlandsbeförderung in die Bemessungsgrundlage für die EUSt einbezogen würden. Die Steuerbefreiung für die Dienstleitungen der Weiterbeförderung von der Grenze zum Bestimmungsort komme daher neben der Steuerbefreiung für die Einfuhr der Gegenstände von geringem Wert zur Anwendung. 

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass die Steuerbefreiung nach Art. 144 MwStSystRL für Dienstleistungen, die sich auf die Einfuhr von Gegenständen beziehen und deren Wert gem. Art. 86 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL in der Steuerbemessungsgrundlage enthalten ist, auch dann anwendbar ist, wenn auf die Dienstleistungen bei der Einfuhr tatsächlich keine EUSt erhoben wurde. Damit ist der EuGH der von der EU-Kommission und der vom Kläger vertretenen Rechtsauffassung gefolgt.

Zur Begründung verweist der EuGH darauf, dass die Befreiung nach Art. 144 MwStSystRL nicht den Zweck habe, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, sondern den rein technischen Zweck, die Anwendung der Steuer zu vereinfachen. Durch Art. 86 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL werde sichergestellt, dass sich die Besteuerung der Nebenleistungen an der Besteuerung der Hauptleistung (Einfuhr von Gegenständen) orientiert. Gemäß Art. 144 MwStSystRL hat die steuerliche Behandlung der in Art. 86 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL genannten Nebenleistungen der Hauptleistung zu folgen, sofern ihr Wert in die Steuerbemessungsgrundlage einbezogen wurde. Das in den italienischen Rechtsvorschriften vorgesehene Erfordernis, auf diese Dienstleistung tatsächlich EUSt zu erheben, würde der Befreiung nach Art. 144 MwStSystRL ihre Wirksamkeit nehmen. Folglich seien die mit der endgültigen Einfuhr von Gegenständen verbundenen Beförderungskosten von der MwSt zu befreien, soweit ihr Wert in die Steuerbemessungsgrundlage einbezogen ist, selbst wenn auf diese Kosten bei der Einfuhr keine EUSt erhoben wurde (Rn. 46).

Praxishinweis

Die deutsche Rechtslage ist von dem Urteil betroffen und wird mit ihm bestätigt. Die Steuerbefreiung nach Art. 144 MwStSystRL wurde in § 4 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG umgesetzt. Da die Steuerbefreiung für jede Leistung, die sich auf Gegenstände der Einfuhr bezieht, in Betracht kommen kann, braucht nicht geprüft zu werden, ob es sich um eine Beförderung, einen Umschlag oder eine Lagerung von Einfuhrgegenständen oder um handelsübliche Nebenleistungen dazu handelt. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die Kosten für die Leistungen in der Bemessungsgrundlage für die Einfuhr enthalten sind. Diese Voraussetzung ist in den Fällen erfüllt, in denen die Kosten einer Leistung nach § 11 Abs. 1 oder 2 und/oder 3 Nr. 3 und 4 UStG Teil der Bemessungsgrundlage für die Einfuhr geworden sind. Dies ist auch bei Gegenständen der Fall, deren Einfuhr nach den für die Einfuhrbesteuerung geltenden Vorschriften befreit ist (z. B. Umzugs- oder Messegut).

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