Steuerbefreiung für Leistungen im Zusammenhang mit Sport: Bridge-Spiel als Sport?

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v.  27.10.2017, C-90/16, The English Bridge Union Limited

Praxisproblem

Bei dem britischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Frage, ob das Kartenspiel „Bridge“ im Sinne einer Denksportart als „Sport“ i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL betrachtet werden kann und damit unter diese Steuerbefreiungsregelung fällt. Artikel 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL regelt die Steuerbefreiung für “bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnbestreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben“.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Einrichtung ohne Gewinnstreben und für die Verwaltung des Bridge-Spiels in England zuständige Stelle. Sie richtet eine große Zahl sog. Duplicate-Bridge-Wettbewerbe und -Turniere aus, an denen Mitglieder gegen Zahlung einer Teilnahmegebühr teilnehmen können. Kontrakt-Bridge ist ein Kartenspiel für vier Personen in zwei gegnerischen Partnerschaften, bei dem die Partner einander gegenüber an einem Tisch sitzen. Das Spiel hat vier Phasen: Karten mischen/ausgeben, reizen, abspielen und abrechnen (Scoring). In Clubs und auf Turnieren wird überwiegend „Duplicate-Bridge“ gespielt, bei dem das Blatt jedes Spielers bei jeder Partie festgehalten wird, sodass jedes Paar nachfolgend das gleiche Blatt wie die Paare an den anderen Tischen spielt und die Endabrechnung durch einen Vergleich der Ergebnisse der Paare untereinander erfolgt. Diese Form des Spiels wird turniermäßig auf nationaler und internationaler Ebene gespielt.

Die Klägerin war der Auffassung, dass die von ihr erhobenen Teilnahmegebühren für Bridgeturniere unter diese Steuerbefreiung fallen. Die britische MwSt-Behörde ging von der Steuerpflicht der Leistungen der Klägerin aus.

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, eine Tätigkeit wie Duplicate-Bridge, die durch eine unbedeutend erscheinende körperliche Komponente gekennzeichnet ist, fällt nicht unter den Begriff „Sport“ i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL. Unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung wiederholt der EuGH, dass die in Art. 132 MwStSystRL vorgesehenen Steuerbefreiungen autonome unionsrechtliche Begriffe sind, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems verhindern sollen. Da der Begriff „Sport“ in der MwStSystRL nicht definiert wird, sind die Bedeutung und die Tragweite dieses Begriffs nach ständiger Rechtsprechung des EuGH entsprechend seinem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu bestimmen, wobei zu berücksichtigen ist, in welchem Zusammenhang er verwendet wird und welche Ziele mit der Regelung verfolgt werden, zu der er gehört. Zu dem Begriff des Sports im gewöhnlichen Sprachgebrauch schließt der EuGH sich den Schlussanträgen des Generalanwalts an. „Sport“ bezeichnet gewöhnlich eine körperliche Betätigung bzw. eine Tätigkeit, die durch eine nicht unbedeutende körperliche Komponente gekennzeichnet ist.

Nach den weiteren Entscheidungsgründen spricht der Kontext von Art. 132 Abs. 1 Buchst. mMwStSystRL dafür, dass sich der Begriff „Sport“ in dieser Bestimmung auf Tätigkeiten beschränkt, die dem gewöhnlichen Sinn des Begriffs „Sport“ entsprechen und die sich durch eine nicht unbedeutende körperliche Komponente auszeichnen, ohne sich auf alle Tätigkeiten zu erstrecken, die aus dem ein oder anderen Blickwinkel mit diesem Begriff in Verbindung gebracht werden können.

Nach dem Vortrag der Klägerin setzt Duplicate-Bridge zwar Logik, Gedächtnisvermögen, strategisches Denken oder Querdenken voraus und stellt eine Tätigkeit dar, die der geistigen und körperlichen Gesundheit der Spieler förderlich ist, die es regelmäßig spielen. Doch auch wenn sie sich als der körperlichen und geistigen Gesundheit förderlich herausstellen, fallen Tätigkeiten der reinen Erholung oder Entspannung nicht unter die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. mMwStSystRL (vgl. EuGH, Urt. v. 21.02.2013, C-18/12, Žamberk). Deshalb ist nach der vorliegenden Entscheidung die Tatsache, dass eine Tätigkeit der körperlichen und geistigen Gesundheit förderlich ist, für sich allein genommen kein hinreichender Anhaltspunkt für die Schlussfolgerung, dass eine solche Tätigkeit unter den Begriff „Sport“ fällt.

Praxishinweis

Das Urteil hat auch Bedeutung für das deutsche Umsatzsteuerrecht. Nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG, der Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL umgesetzt hat, sind lediglich "sportliche Veranstaltungen", die von bestimmten Unternehmern durchgeführt werden, "soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht", steuerfrei. Die bloße Nutzungsüberlassung von Sportgeräten bzw. Sportanlagen fällt nicht hierunter (vgl. BFH, Urt. v. 25.07.1996, V R 7/95, BStBl II 1997, 154). Nach der BFH-Rechtsprechung besteht aber die Möglichkeit, sich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL zu berufen, wenn die Steuerbefreiung günstiger für den betreffenden Unternehmer ist (vgl. BFH, Urt. v. 03.04.2008, V R 74/07, HFR 2008, 956).

Nach dem derzeitigen nationalen Recht fallen sog. Denksportarten nicht unter § 4 Nr. 22 UStG. Dies mag auf grundsätzlichen Erwägungen beruhen, wonach die Umsatzsteuerbefreiung für sportliche Leistungen mit einer gewissen körperlichen Ertüchtigung verbunden sein sollte. Insofern wird diese Rechtslage durch das vorliegende Urteil bestätigt. Beachtenswert in diesem Zusammenhang dürfte auch § 52 Abs. 2 Nr. 21 AO i. V. m. Nr. 6 AEAO zu § 52 AO sein, wonach z. B. Bridge u. a. Denksportarten nicht als Sport i. S. d. Gemeinnützigkeitsrechts gelten. Die Ausnahmeregelung für Schach in § 52 Abs. 2 Nr. 21 AO ist gesetzlich definiert und kann wohl umsatzsteuerlich nicht auch auf andere Denksportarten übertragen werden.

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