BFH zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen nach § 13b UStG - Anwendung des BMF-Schreibens v. 26.7.2017, BStBl I 2017, 1001, Rz 15a

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 27.09.2018, V R 49/17

Praxisproblem

Der BFH hatte in seinem Urteil vom 22.08.2013, V R 37/10, BStBl 2014 II S. 128, die Regelungen zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen nach § 13b Abs. 5 Satz 2 i. V. mit Abs. 2 Nr. 4 UStG abweichend von der früheren Verwaltungsauffassung ausgelegt. Nach dieser früheren Verwaltungsauffassung waren Unternehmer, die eigene Grundstücke zum Zweck des Verkaufs bebauen (z. B. Bauträger), Steuerschuldner für die von anderen Unternehmern an sie erbrachten Bauleistungen, wenn die Bemessungsgrundlage der von ihnen getätigten Bauleistun-gen mehr als 10 Prozent der Summe ihrer steuerbaren und nicht steuerbaren Umsätze (Weltum-satz) beträgt. In dem vom BFH entschiedenen vorgenannten Streitfall versteuerte das Bauträger-unternehmen als Leistungsempfänger zunächst die von ihm bezogenen Leistungen als Steuer-schuldner, machte aber später geltend, dass die Voraussetzungen des § 13b UStG nicht vorgelegen hätten und forderte die von ihm gezahlte USt. vom Finanzamt zurück. Der BFH hatte wie folgt ent-schieden:

  • Der Leistungsempfänger von Bauleistungen ist nur dann Steuerschuldner für die an ihn erbrachte Leistung, wenn er diese Leistung seinerseits zur Erbringung einer Bauleistung verwendet.
  • Auf den Anteil der vom Leistungsempfänger ausgeführten Bauleistungen am Gesam-tumsatz kommt es dabei nicht an.

Mit BMF-Schreiben v. 05.02.2014 (BStBl I S. 233) und v. 08.05.2014 (BStBl I S. 823) war dann geregelt worden, dass die Grundsätze des o. a. BFH-Urteils v. 22.08.2013 in vollem Umfang für nach dem 14.02.2014 (= Tag der Veröffentlichung des BMF-Schreibens v. 05.02.2014 im BStBl Teil I) ausgeführ-te Umsätze allgemein anzuwenden seien. Die betroffenen Unternehmer konnten danach für die Vergangenheit an der vorherigen Handhabung festhalten. Die Notwendigkeit von Rechnungsberichtigungen bestand nicht. Diese Vereinfachungsregelung (Nichtbeanstandungsregelung) gewährte sowohl dem Leistenden als auch dem Leistungsempfänger bei einvernehmlicher unveränderter Beibehaltung der vorherigen Handhabung uneingeschränkte Rechtssicherheit und Vertrauensschutz, sofern nicht zu einem späteren Zeitpunkt von der einvernehmlichen Handhabung abgewichen wurde.

Mit BMF-Schreiben v. 31.07.2014 (BStBl I S. 1073) waren dann Grundsätze zur Anwendung des § 27 Abs. 19 UStG für die Fälle festgelegt worden, bei denen der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger bei einer vor dem 15.02.2014 erbrachten steuerpflichtigen Bauleistung davon ausgegangen waren, dass der Leistungsempfänger nach § 13b UStG die Steuer schuldet, sich diese Annahme nach dem BFH-Urteil v. 22.08.2013, V R 37/10, BStBl 2014 II S. 128, im Nachhinein als unrichtig herausgestellt hatte und die beteiligten Unternehmer keinen Gebrauch von der Vereinfachungsregelung/Nichtbeanstandungsregelung gemacht hatten.

Mit Urteil v. 23.02.2017, V R 16/16, V R 24/16, BStBl II 2017, 760, hatte der BFH entschieden, dass die in § 27 Abs. 19 UStG geregelte Korrektur der Umsatzsteuerfestsetzung in Bauträgerfällen unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Danach sei der durch § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG angeordnete Ausschluss des abgabenrechtlichen Vertrauensschutzes unionsrechtlich dann zu rechtfertigen, wenn das Bestehen und die Abtretbarkeit einer Forderung nicht erst im Anschluss an die Änderung des Umsatzsteuerbescheids, sondern bereits im Festsetzungsverfahren geklärt werden. Die bereits aus dem Unionsrecht abzuleitenden Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes sowie von Treu und Glauben erforderten zudem, dass der leistende Unternehmer für die in § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG umschriebene Fallgestaltung (Annahme einer Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung und Mitwirkung des leistenden Unternehmers bei der Durchsetzung des abgetretenen An-spruchs) einen Rechtsanspruch auf Annahme seines Abtretungsangebots hat. Auf eine mögliche Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG beim Leistenden bzw. eine analoge Anwendung der § 17 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 1 Satz 2 UStG beim Leistungsempfänger kommt es nach Ansicht des BFH da-her nicht an.

Mit BMF-Schreiben v. 26.07.2017, BStBl I 2017, 1001, Rz 15a, war dann geregelt worden, dass von den Leistungsempfängern (Bauträgern) unter Berufung auf das BFH-Urteil v. 22.08.2013, V R 37/10, BStBl II 2014, 128, beantragte Umsatzsteuer-Erstattungen - unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben und des unionsrechtlichen Neutralitätsgebots - nur gewährt werden, soweit sie die nachträgliche Zahlung der fraglichen USt an den leistenden Unternehmer nachweisen oder mit dem Erstattungsanspruch gegen nach § 27 Abs. 19 UStG vom leistenden Unternehmer an die Finanzbehörde abgetretene (zivilrechtliche) Forderungen aufgerechnet werden kann. Im Übrigen sei die Umsatzsteuererstattung abzulehnen.

Diese Regelung war in dem Verfahren vor dem FG München (14 K 344/16) streitig. Das FG München hatte mit Urteil v. 10.10.2017 (EFG 2017, 1842) zugunsten eines Bauträgers entschieden, dass die Vorschrift des § 17 UStG weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden sei und dass es für den umsatzsteuerlichen Erstattungsanspruch unerheblich sei, ob der Bauträger die Steuer nachträglich an den leistenden Unternehmer zahle oder ob das Finanzamt gegen den Erstattungsanspruch mit der nach § 27 Abs. 19 UStG vom leistenden Unternehmer an die Finanzbehörde abgetretenen zivilrechtlichen Forderungen aufrechnen könne. Ein solches Erfordernis ergebe sich weder aus der Vorschrift des § 27 Abs. 19 UStG, noch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, noch aus dem Unionsrecht.

Entscheidung

Der BFH hat mit Urteil v. 27.09.2018, V R 49/17 (entgegen Rz. 15a des BMF-Schreibens v. 26.07.2017, BStBl I 2017, 1001) das Urteil des FG München bestätigt. Hat ein Bauträger aufgrund der rechtsirrigen Annahme seiner Steuerschuld als Leistungsempfänger von ihm bezogene Bauleistungen nach § 13b UStG versteuert, kann er das Entfallen dieser rechtswidrigen Besteuerung geltend machen, ohne dass es darauf ankommt, dass er einen gegen ihn gerichteten Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erfüllt oder die Möglichkeit für eine Aufrechnung durch das FA besteht. Zentrale Streitfrage war in dem Verfahren, ob der Bauträger treuwidrig handelt, wenn er von sei-nem Finanzamt die Rückgängigmachung der bei ihm rechtswidrig vorgenommenen Besteuerung verlangt, ohne USt. an die Bauunternehmer zu zahlen, von denen er Bauleistungen bezogen hat. Dies hat der BFH verneint. Die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens kommt danach nicht in Betracht, wenn die Finanzverwaltung aufgrund einer rechtlichen Fehlbeurteilung die entscheidende Ursache für eine unzutreffende Besteuerung gesetzt hat.

Praxishinweis

Das BFH-Urteil wirkt in vergleichbaren Fällen zugunsten der gesamten Bauträgerbranche. Eine rechtswidrig nach § 13b UStG als Leistungsempfänger vorgenommene Versteuerung kann unter den Voraussetzungen einer verfahrensrechtlichen Korrekturmöglichkeit (Einspruch gegen die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 3 Satz 2 AO) rückgängig gemacht werden. Das materielle Recht macht das Entfallen einer rechtswidrigen Besteuerung nach § 13b UStG nach dem BFH-Urteil nicht von weiteren Bedingungen abhängig. Der Anspruch auf Änderung der rechtswidrigen Steuerfestsetzung hängt nicht von einer für das FA bestehenden Aufrechnungsmöglichkeit ab. Denn im Verhältnis zwischen Festsetzungs- und Erhebungsverfahren ist die Steuerfestsetzung für das Erhebungsverfahren vorgreiflich. Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sind gem. § 218 Abs. 1 Satz 1 AO Steuerbescheide und Steuervergütungsbescheide. Sind Festsetzungs- und Erhebungsverfahren danach voneinander zu trennen, ist die das Erhebungsverfahren betreffende Aufrechnung (vgl. § 226 AO) nach dem BFH-Urteil für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit einer Steuerfestsetzung ohne Bedeutung.

Im Streitfall (dies dürfte für alle vergleichbaren Sachverhalte anderer Bauträger als Leistungsempfänger gelten) war es nach Auffassung des BFH die Finanzverwaltung, die aufgrund einer unzutreffenden Beurteilung den Anwendungsbereich auf Leistungsempfänger ohne Recht auf Vorsteuerabzug erweitert und den Bauträger rechtswidrig besteuert hat. Das Verlangen nach Korrektur dieser rechtswidrigen Besteuerung, ohne zuvor einen Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erfüllt zu haben, ist im Verhältnis zum FA nicht treuwidrig. Das Verlangen eines Bauträgers nach einer gesetzeskonformen Besteuerung ohne rechtsfehlerhafte Anwendung von § 13b UStG ist weder treuwidrig noch eine unzulässige Rechtsausübung.

Es bleibt also spannend in den Bauträgerfällen. Die AWB unterstützt Sie gern bei der Geltendmachung Ihrer Rechte.

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