Kein Vorsteuerabzug einer Holding für Kosten im Zusammenhang mit einem geplanten aber gescheiterten Aktienverkau

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 08.11.2018, C-502/17, C&D Foods Acquisition ApS

Praxisproblem

Bei dem dänischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Berechtigung zum Vorsteuerabzug auf Ausgaben, die der Klägerin (einer Holding) im Jahr 2009 für an sie erbrachte „due diligence“-Untersuchungen externer Berater im Zusammenhang mit einer geplanten, aber nicht durchgeführten Veräußerung sämtlicher Anteile an einer Tochtergesellschaft A entstanden waren.

Sachverhalt

Die Klägerin erbrachte dieser Tochtergesellschaft gegenüber entgeltliche Verwaltungs- und IT-Dienstleistungen. Der Preis dieser Leistungen war so festgelegt, dass er den Lohnkosten der Klägerin zuzüglich eines „mark-up“ von 10 % entsprach. Die Klägerin gehört zu einem internationalen Konzern A und war die Muttergesellschaft der A Holding. Später übernahm ein isländisches Kreditinstitut K den A-Konzern, als das Darlehen, das sie dem früheren Eigentümer des Konzerns gewährt hatte, notleidend wurde.

Nach einer Mitteilung der dänischen Finanzverwaltung aus dem Jahr 2011 (SKM2011 716.SKAT) entspricht es der dänischen Verwaltungspraxis, dass eine Holdinggesellschaft, die in die Verwaltung einer Tochtergesellschaft eingegriffen hat, kein Recht auf Abzug der MwSt. auf Beratungskosten im Zusammenhang mit der Veräußerung der Anteile an der Tochtergesellschaft hat (unabhängig davon, ob es um die Veräußerung sämtlicher Gesellschaftsanteile geht), da diese Veräußerung ein steuerfreier Umsatz ist. Ein Vorsteuerabzugsrecht kann bei Beratungskosten im Zusammenhang mit der Veräußerung einer Beteiligung an einer Tochtergesellschaft jedoch dann bestehen, wenn die Ausgaben als Gemeinkosten der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit eines Steuerpflichtigen angesehen werden können. Dies setzt voraus, dass die getätigten Ausgaben als Kostenelemente der auf die wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen entfallenden Umsätze angesehen werden können. Finden die Ausgaben dagegen Eingang in den Preis der veräußerten Gesellschaftsanteile, besteht insoweit kein Abzugsrecht. Nach Auffassung der dänischen Finanzverwaltung ist konkret zu beurteilen, ob die getätigten Ausgaben Eingang in den Preis der verkauften Anteile finden können oder allein zu den Kostenelementen der auf die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen entfallenden Umsätze gehören.
Die Versagung des Vorsteuerabzugs im Ausgangsfall wurde von der dänischen Steuerbehörde damit begründet, dass die Beratungsleistungen nicht den erforderlichen Bezug zu den mehrwertsteuerpflichtigen Ausgangsumsätzen der Klägerin aufwiesen.

Die Klägerin machte in erster Linie geltend, dass es sich bei ihren Verkaufsbemühungen bzgl. der Beteiligung an der Tochtergesellschaft, der sie steuerpflichtige Verwaltungs- und IT-Dienstleistungen erbracht habe, um die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit gehandelt habe. Bei der Beurteilung der Frage, ob sie einen Anspruch auf Vorsteuerabzug habe, sei ihre Tätigkeit als Holdinggesellschaft und die von ihr erbrachten Verwaltungsdienstleistungen als eine einheitliche wirtschaftliche Tätigkeit zu betrachten. Das im EuGH-Urteil Larentia + Minerva festgestellte Ergebnis gelte für alle Kapitaltransaktionen, auch für eine beabsichtigte Veräußerung von Beteiligungen, die nicht durchgeführt werde. Die Veräußerung von Beteiligungen sei in den Gründen des Urteils Larentia + Minerva nur deshalb nicht erwähnt worden, weil es im Ausgangsrechtsstreit um den Erwerb von Beteiligungen gegangen sei.

Für die Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin als wirtschaftliche Tätigkeit sei es unerheblich, dass die beabsichtigte Veräußerung einer Beteiligung nicht durchgeführt worden sei, da sie mehrwertsteuerpflichtige Dienstleistungen (Verwaltungs- und IT-Dienstleistungen) erbracht habe, die ihre wirtschaftliche Tätigkeit ausmachten. Es liege daher eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 9 MwStSystRL vor, wenn eine Gesellschaft, die ihrer Tochtergesellschaft mehrwertsteuerpflichtige Verwaltungs- und IT-Dienstleistungen erbringe, Maßnahmen im Hinblick auf die Veräußerung ihrer Beteiligung an der Tochtergesellschaft ergreife, ungeachtet ob diese Veräußerung nun durchgeführt werde oder nicht. Die Klägerin machte ferner geltend, dass Art. 168 MwStSystRL dahin auszulegen sei, dass Beratungsausgaben, die im Zusammenhang mit der von ihr geplanten, aber nicht durchgeführten Veräußerung ihrer Beteiligung an der Tochtergesellschaft getätigt worden seien, im Zusammenhang mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit getätigt worden seien, sodass die darauf entfallende Mehrwertsteuer voll abzugsfähig sei. Die geplante Veräußerung der Tochtergesellschaft würde zu einer Aufgabe der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin führen, da diese nach dieser Veräußerung keine mehrwertsteuerpflichtigen Dienstleistungen mehr erbringen könne. Die geplante Veräußerung der Beteiligung sei daher als eine (geplante) Aufgabe der wirtschaftlichen Tätigkeit der Erbringung von Verwaltungs- und IT-Dienstleistungen einzustufen.

Die dänische Steuerbehörde führte zum EuGH-Urteil Larentia + Minerva aus, dass darin ausschließlich zum Vorsteuerabzugsrecht einer Holdinggesellschaft im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an Tochtergesellschaften Stellung genommen werde, an deren Verwaltung sich die Holdinggesellschaft zu beteiligen gedenke. Das Urteil betreffe nicht einen Fall, in dem es um einen geplanten Anteilsverkauf (der nach der MwStSystRL und der Rechtsprechung des EuGH als steuerfreier Umsatz einzustufen sei) gehe und die Ausgaben für Berater nicht als Kostenelemente Eingang in den Preis der Verwaltungs- und IT-Dienstleistungen gefunden hätten oder hätten finden können, die die Holdinggesellschaft der Tochtergesellschaft erbracht habe, deren Anteile sie habe verkaufen wollen. Daher sei die Klägerin nicht berechtigt, die auf die fraglichen Beratungskosten entfallende MwSt abzuziehen, weil die Ausgaben objektiv in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit einem beabsichtigten steuerfreien Umsatz stünden, nämlich einem geplanten Verkauf von Anteilen. Bei der konkreten Beurteilung des Kriteriums des direkten und unmittelbaren Zusammenhangs mit der wirtschaftlichen Tätigkeit sei ausschlaggebend, dass die fraglichen Beratungsdienstleistungen allein im Hinblick auf den geplanten Anteilsverkauf getätigt worden seien und nicht im Hinblick auf die mehrwertsteuerpflichtige Tätigkeit der Klägerin, die in Verwaltungs- und IT-Dienstleistungen an die Tochtergesellschaft bestanden habe. Das Vorsteuerabzugsrecht setze auf jeden Fall voraus, dass die Vorbereitungshandlungen einen beabsichtigten steuerpflichtigen Umsatz beträfen. Die Ausgaben für die Beratungskosten seien ferner nicht als Gemeinkosten abzugsfähig, weil sie nicht als Kostenelemente in die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin, die in Verwaltungs- und IT-Dienstleistungen an die Tochtergesellschaft bestanden habe, eingegangen seien. Ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit setze voraus, dass die Kosten der Eingangsleistungen jeweils Eingang in den Preis spezifischer Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen fänden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit liefere bzw. erbringe. Die Klägerin habe jedoch keine Möglichkeit gehabt, die Beratungskosten in den Preis der mehrwertsteuerpflichtigen Verwaltungs- und IT-Dienstleistungen einzubringen, da dieser nach der mit der Tochtergesellschaft geschlossenen Verwaltungsvereinbarung den Personalkosten zuzüglich eines „mark-up“ von 10 % entsprochen habe. Die fraglichen Ausgaben könnten auch nicht als abzugsfähige „Liquidationskosten“ angesehen werden. Die Frage, inwieweit die Veräußerung aller Anteile an einer Tochtergesellschaft durch eine Holdinggesellschaft, die in die Verwaltung der Tochtergesellschaft eingegriffen habe, als „Aufgabe“ einer mehrwertsteuerpflichtigen Tätigkeit anzusehen sei und damit zum Vorsteuerabzug berechtige, sei vom EuGH bereits beantwortet worden.

Im vorliegenden Verfahren war für das Vorlagegericht unklar, ob die Holdinggesellschaft zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, weil der Bezug der Beratungskosten einerseits einem steuerfreien Verkauf der Tochtergesellschaft oder andererseits der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin zugerechnet werden könnten.

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass eine geplante, aber nicht durchgeführte Veräußerung von Aktien wie die im Ausgangsverfahren, die nicht ihren ausschließlichen unmittelbaren Entstehungsgrund in der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit der betreffenden Gesellschaft hat oder nicht eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung dieser wirtschaftlichen Tätigkeit darstellt, nicht in den Anwendungsbereich der MwSt. fällt (also nicht steuerbar ist). Der EuGH folgert aus seiner bisherigen Rechtsprechung,

  • eine Gesellschaft, deren einziger Zweck der Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen ist, ohne dass sie unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung dieser Gesellschaften eingreift, ist kein Unternehmer,
  • nur Zahlungen, die die Gegenleistung für einen Umsatz oder eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen, fallen in den Anwendungsbereich der MwSt und dies gilt nicht für Zahlungen, die auf dem bloßen Eigentum an einem Gegenstand beruhen, wie dies bei Dividenden oder anderen Erträgen von Aktien der Fall ist,
  • etwas anderes gilt jedoch, wenn die finanzielle Beteiligung an einem anderen Unternehmen unbeschadet der Rechte, die dem Anteilseigner in seiner Eigenschaft als Aktionär oder Gesellschafter zustehen, mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht, an der die Beteiligung begründet worden ist, soweit ein solcher Eingriff steuerbare Umsätze einschließt wie Verwaltungs-, Buchhaltungs- und IT Dienstleistungen,
  • auf Aktien oder Anteile an einer Gesellschaft beziehende Umsätze in den Anwendungsbereich der MwSt fallen, wenn sie im Rahmen des gewerbsmäßigen Wertpapierhandels oder zum Zweck des unmittelbaren oder mittelbaren Eingreifens in die Verwaltung der Gesellschaften erfolgen, an denen die Beteiligung begründet worden ist, oder wenn sie eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung einer steuerbaren Tätigkeit darstellen,
  • unter Umständen eine Veräußerung, die zur Umstrukturierung eines Konzerns durch eine Muttergesellschaft erfolgt, als ein Vorgang betrachtet werden kann, der darin besteht, nachhaltig Einnahmen aus Tätigkeiten, die über den bloßen Verkauf von Aktien hinausgehen, zu erzielen,dass eine Aktienveräußerung grundsätzlich nur dann in den Anwendungsbereich der MwSt fällt (d. h. steuerbar ist), wenn sie ihren ausschließlichen unmittelbaren Entstehungsgrund in der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit der Muttergesellschaft hat oder eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung dieser Tätigkeit darstellt. Dies ist dann der Fall, wenn die Veräußerung erfolgt, um den daraus erzielten Erlös direkt für die steuerbare wirtschaftliche Tätigkeit der Muttergesellschaft oder die wirtschaftliche Tätigkeit der Gruppe, deren Muttergesellschaft sie ist, zu verwenden.

Der EuGH geht davon aus, dass im Ausgangsfall der Zweck der fraglichen Aktienveräußerung darin lag, den Erlös aus dieser Veräußerung zur Tilgung der gegenüber der K-Bank als neuer Eigentümerin des Konzerns bestehenden Verbindlichkeiten zu verwenden. Eine solche Veräußerung lässt sich, weder als ein Umsatz ansehen, der seinen ausschließlichen unmittelbaren Entstehungsgrund in der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin hat, noch als ein Umsatz, der eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin darstellt. Unter diesen Umständen stellt diese Veräußerung keinen Umsatz dar, der darin besteht, nachhaltig Einnahmen aus Tätigkeiten, die über den bloßen Verkauf von Aktien hinausgehen, zu erzielen und fällt damit nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer. Daraus folgt, dass die auf die bezogenen Dienstleistungen entfallende MwSt nicht als Vorsteuer abzugsfähig ist.

Praxishinweis

Das Urteil hat auch Bedeutung für das deutsche Recht. Nach geltender Verwaltungsauffassung (vgl. Abschnitt 15.22 Abs. 2 UStAE) ist das bloße Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen keine unternehmerische Tätigkeit. Dies gilt nicht, wenn die Beteiligung im Unternehmensvermögen gehalten wird. Der Abzug der Vorsteuer aus Aufwendungen, die im direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der Veräußerung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung stehen, ist nur insofern zulässig, als diese Veräußerung steuerbar ist und der Vorsteuerabzug nicht nach § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen ist. Somit scheidet der Vorsteuerabzug im Fall der Veräußerung einer nicht im Unternehmensvermögen gehaltenen gesellschaftsrechtlichen Beteiligung wegen des direkten und unmittelbaren Zusammenhangs mit diesem nicht steuerbaren Umsatz aus. Im Fall einer nach § 4 Nr. 8 Buchst. e oder f UStG steuerfreien Veräußerung einer im Unternehmensvermögen gehaltenen Beteiligung scheidet der Vorsteuerabzug wegen des direkten und unmittelbaren Zusammenhangs mit dieser den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausschließenden Veräußerung aus, ohne dass dafür auf die unternehmerische Gesamttätigkeit abzustellen ist.

Gemessen an dieser Rechtsauffassung wäre der Klägerin im Ausgangsfall der Vorsteuerabzug zu versagen gewesen, wenn der Verkauf der Tochtergesellschaft ein steuerfreier Finanzumsatz gewesen wäre. Der EuGH hat aber entschieden, dass der Verkauf nicht einmal steuerbar war, weil er keinen Bezug zu der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin hatte, und der Vorsteuerabzug bereits deshalb ausgeschlossen war.

Nicht ausdrücklich entschieden hat der EuGH die Frage, ob der gescheiterte Aktienverkauf, wenn er als tatsächlich durchgeführter Aktienverkauf denn steuerbar gewesen wäre, auch vorsteuerabzugsschädlich gewesen wäre, weil es sich um einen steuerfreien Finanzumsatz gehandelt hätte. Insofern dürfte prinzipiell nichts anderes gelten, als für den gescheiterten Ankauf von Aktien durch eine unternehmerische Holding, für den der EuGH in der Rechtssache C-249/17 (Ryan Air) auf Vorsteuerabzugsberechtigung erkannt hat. Gemessen an diesem Urteil müsste ein gescheiterter Aktienverkauf für Zwecke des Vorsteuerabzugs wohl wie ein tatsächlicher Verkauf angesehen werden, der aber steuerfrei und somit vorsteuerschädlich ist, soweit die betreffenden Kosten unmittelbar dem Aktienverkauf zugerechnet werden können. Ist eine unmittelbare Zuordnung nicht möglich, ist insofern auf die Gesamttätigkeit der Holding (steuerfreie und steuerpflichtige Umsätze) abzustellen.

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